Springe zum Hauptinhalt
Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
TUCaktuell
Pressestelle und Crossmedia-Redaktion 
TUCaktuell Forschung

Forschen am kältesten Punkt von Chemnitz

Bei minus 269 Grad Celsius wird an der TU Chemnitz experimentiert – Eine neue Heliumverflüssigungsanlage ist dafür die Voraussetzung

  • Ein Mann arbeitet in einem Labor an einem Monitor.
    Pierre Pudwell, technischer Mitarbeiter an der Professur Magnetische Funktionsmaterialien, kontrolliert am Monitor die Betriebsparameter des Heliumverflüssigers. Foto: Steve Conrad
  • Ein Mann arbeitet im Labor an einem Behälter.
    Das flüssige Helium wird in Vakuum-isolierte Kannen abgefüllt, um es zu den Forschungslabors auf dem Campus transportieren zu können. Foto: Steve Conrad
  • Ein Mann gestikuliert.
    Prof. Dr. Ulrich Schwarz, Inhaber der Professur Experimentelle Sensorik an der TU Chemnitz, erläutert im Rahmen der Einweihung der neuen Heliumverflüssigungsanlage deren Funktionsweise. Foto: Steve Conrad
  • Porträt eines Mannes
    Prof. Dr. Olav Hellwig, Inhaber der Professur Magnetische Funktionsmaterialien sowie geschäftsführender Direktor des Instituts für Physik, unterstreicht, das viele Bereiche von der Heliumverflüssigungsanlage profitieren. Foto: Steve Conrad
  • Mehrere Personen stehen um einen Versuchsaufbau herum.
    Im Institut für Physik wird das Helium für verschiedene Tieftemperatur-Experimente benötigt. Das Interesse daran war zur Einweihung der neuen Anlage groß. Foto: Steve Conrad
  • Über einem Metallteil schwebt ein heller Körper.
    Eindrucksvoll sind auch die Experimente zur Supraleitung. Beispielsweise kann auf einer Schiene aus Permanentmagneten ein Supraleiter, der mit flüssigem Stickstoff gekühlt wird, zum Schweben gebracht werden. Foto: Steve Conrad

Am Institut für Physik der Technischen Universität Chemnitz wurde am 15. Juli 2025 eine neue Anlage zur Verflüssigung von Helium in Betrieb genommen, die eine dreißig Jahre alte Anlage ersetzt. Flüssiges Helium ist eine tiefkalte Flüssigkeit mit einem Siedepunkt von 4,15 Kelvin oder minus 269 Grad Celsius – übrigens der niedrigste Siedepunkt aller Flüssigkeiten. „So, wie eine stille Umgebung die Voraussetzung zum konzentrierten Nachdenken schafft, sind extreme tiefe Temperaturen notwendig, um der Natur viele Geheimnisse zu entlocken“, sagt Prof. Dr. Ulrich Schwarz, Inhaber der Professur Experimentelle Sensorik an der TU Chemnitz. Temperaturen von wenigen Grad Kelvin über dem absoluten Nullpunkt seien für viele naturwissenschaftliche Experimente notwendig. „Bei diesen tiefen Extremtemperaturen werden störende Einflüsse ausgefroren, so dass die entscheidenden Effekte gemessen werden können“, so Schwarz. Das gilt für die Untersuchung von Oberflächen in der Physik mit Raster-Sonden-Mikroskopie genauso, wie für die Identifikation molekularer Bindungen mit der Methode der Kernspinresonanzspektroskopie in der Chemie. Quanten-Computer, zu denen an der TU Chemnitz gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS geforscht wird, benötigen noch tiefere Temperaturen von wenigen Millikelvin, also tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt der Temperaturskala.

An der TU Chemnitz wurde bereits 1994 ein Helium-Verflüssiger im Rahmen eines Vorhaben nach dem Hochschulbauförderungsgesetzt (HBFG) beschafft und galt bereits damals als kältester Punkt von Chemnitz. Diese Anlage wurde 2009 in den Neubau des Physik-Instituts auf dem Campus an der Reichenhainer Straße umgezogen. Nach mehr als 30 Jahren Laufzeit musste diese Anlage nun ersetzt werden, da Wartungen nicht mehr oder nur mit hohem Aufwand möglich waren.

Verflüssigtes Helium ist sehr begehrt

Die Verflüssigung von Helium nahe dem absoluten Nullpunkt erfolgt in einem geschlossenen Kreislauf. Im Verflüssiger und den dazu gehörenden Kompressoren wird gasförmiges Helium unter hohem Druck abgekühlt und dann expandiert. Bei dieser Expansion kühlt sich das Helium weiter ab. Um Helium zu verflüssigen, erfolgt dieser Prozess von Verdichtung, Abkühlen und Expansion kontinuierlich in drei aufeinanderfolgenden Stufen. Das flüssige Helium wird in Vakuum-isolierten Kannen in mehrere Forschungslabore auf dem Campus verteilt, um dort Experimente bei tiefsten Temperaturen zu ermöglichen. Im Physik-Gebäude wird das kostbare abdampfende Helium in Rohrleitungen wieder in die Kellerräume zur Helium-Anlage geleitet, komprimiert und in zwei außerhalb des Gebäudes vergrabenen großen Drucktanks zwischengelagert, bevor es wieder verflüssigt wird. Das benachbarte Gebäude des Forschungszentrums für Materialien, Architekturen und Integration von Nanomembranen (MAIN) hat eine eigene Infrastruktur zum Auffangen, Komprimieren und Zwischenlagern des gasförmigen Heliums, das dann mit Bündeln von Druckflaschen wieder an das Institut für Physik zur erneuten Verflüssigung zurückgebracht wird. „Dieser Aufwand ist notwendig, weil Helium teuer und begrenzt verfügbar ist“, erläutert Schwarz. Helium ist ein Nebenprodukt bei der Erdgasförderung, wobei nur wenige Quellen einen so hohen Anteil an Helium haben, dass dieser genutzt wird. „Die Preise für gasförmiges oder flüssiges Helium sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Kliniken, Großforschungsanlagen, Raumfahrtindustrie und Hochschulen stehen im Wettbewerb um diese zuletzt immer knapper gewordene Ressource“, so der Chemnitzer Physikprofessor.

Der neue, nachhaltige Helium-Verflüssiger an der TU Chemnitz, der künftig die für viele Bereiche der Forschung notwendige Versorgung sichert, wurde von der Firma Vorbuchner aus Garching a. d. Alz (Oberbayern) in enger Abstimmung mit dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement und dem Dezernat Bauwesen und Technik der TU Chemnitz installiert. Während die erste Anlage ein Kolben-Kompressor war, ist diese neue Anlage ein Turbo-Kompressor. „Das vorgekühlte Gas wird in Turbinen bei 50.000 Umdrehungen pro Sekunde expandiert. Diese Turbinen sind in Heliumgas gelagert, das eine Schaufelrad zur Expansion des Gases bei tiefen Temperaturen, das andere zum Bremsen durch Kompression und damit zur Abführung der Energie aus dem Gas“, beschreibt Schwarz die Technologie. Diese Turbinen in mehreren Stufen seien das Herzstück der Anlage, die mit Kompressoren, Gasreinigungsstufen, Abfüllanlage für das flüssige Helium und Kompressoren für die Außentanks zur Lagerung von gasförmigem Helium zwei große Kellerräume am Institut für Physik füllen. Die Anlage ist in der Lage, 20 Liter flüssiges Helium pro Stunde zu produzieren.

Die Kältemaschine kommt übrigens nicht nur für Forschungszwecke zum Einsatz, sie wird auch in der Lehre genutzt. So können Chemnitzer Studierende im Rahmen von studienbegleitenden Physik-Praktika ebenfalls bei tiefen Temperaturen Versuche durchführen oder in Vorlesungen Tieftemperatur-Experimente beispielsweise zu exotischen Quantenzuständen von Materie, wie Suprafluidität, Supraleitung und Superdiamagnetismus, gezeigt werden.

Homepage des Instituts für Physik: https://www.tu-chemnitz.de/physik/

Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Ulrich Schwarz, Telefon 0371 531-30001, E-Mail ulrich.schwarz@physik.tu-chemnitz.de, oder Telefon 0371 531-21000, E-Mail naturwissenschaften@tu-chemnitz.de.

Mario Steinebach
16.07.2025

Alle „TUCaktuell“-Meldungen
Hinweis: Die TU Chemnitz ist in vielen Medien präsent. Einen Eindruck, wie diese über die Universität berichten, gibt der Medienspiegel.