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Von der Kohle zu Hochleistungsfasern

TU Chemnitz etabliert Stiftungsprofessur „Hochleistungsfasern und Verarbeitung“ und erfährt dabei Unterstützung von einem der größten Kohleproduzenten in Europa

Kohlenstofffasern gelten als d i e Hochleistungsfasern zur Verstärkung von Ultra-Leichtstrukturen. Dank ihres geringen Gewichts und ihrer extrem hohen mechanischen Eigenschaften sind sie aus dem Bereich des Leichtbaus nicht mehr weg zu denken. Vor allem mit Blick auf die Umwelt- und Klimaschutzpolitik steigen die Bedeutung und der Bedarf an Kohlenstofffasern (kurz: Carbonfasern) an, denn die erst kürzlich verschärften gesetzlichen Vorgaben für CO2-Zielwerte und Stickoxide erfordern die dringende Bereitstellung von extrem leichten Werkstoffen und Komponenten für mobile Anwendungen. „Kohlenstofffaserverstärkte Bauteile für den Automobil-, Luftverkehr-, Energie- und Maschinenbausektor bieten das größte Leichtbaupotential. Doch die Herstellung von Carbonfasern ist sehr energieintensiv und damit sehr kostspielig“, erklärt Prof. Dr. Lothar Kroll, Direktor des Instituts für Strukturleichtbau an der Technischen Universität Chemnitz.

Um grundlegende Ansätze zur Herstellung von Carbonfasern, die in Serienprozesse münden, zu untersuchen und zu verbessern, wurde daher bereits im März 2016 am Institut für Strukturleichtbau der TU Chemnitz die Stiftungsprofessur „Hochleistungsfasern und Verarbeitung“ ins Leben gerufen. Nun folgte die Unterzeichnung eines weiteren Stiftervertrags zwischen der Chemnitzer Universität und dem polnischen Unternehmen Jastrzębska Spółka Węglowa Innowacje S.A. (JSW Innowacje), einer Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft der gleichnamigen Firmengruppe. „Das übergeordnete Ziel der Stiftungsprofessur ist es, modifizierte Prozesse zur Herstellung von Carbonfasern zu erforschen und bereitzustellen, die eine deutliche Energieersparnis im Vergleich zu konventionellen Verfahren und damit eine Kostenreduktion von etwa 30 Prozent zulassen“, so Kroll. Durch die Zusammenarbeit soll die grenzübergreifende Leichtbauforschung und Technologieentwicklung gestärkt und fortgeführt werden.

Am 24. Oktober 2018 fand die feierliche Vertragsübergabe zwischen den Partnern im Kreise geladener Gäste an der TU Chemnitz statt. „Ich freue mich sehr, dass wir mit unserer Forschung nun auch dank der Unterstützung des polnischen Unternehmens JSW Innowacje neue Wege beschreiten werden“, erklärte der Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, Prof. Dr. Jörn Ihlemann, zur Veranstaltung. Die JSW-Gruppe ist der größte Produzent von hochwertigem Steinkohle-Koks in der Europäischen Union. Die Strategie der unternehmenseigenen Innovationsgesellschaft, JSW Innowacje, fokussiert den Ausbau der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von JSW, einschließlich der Entwicklung von Technologien und Systemen, die das Potenzial und die Möglichkeiten der polnischen Bergbauindustrie erweitern. Auch die Nutzung von Wasserstoff aus eigenen chemischen Prozessen ist ein wesentlicher Schwerpunkt der JSW.

Der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Michael Kretschmer, sendete eine Grußbotschaft zur Vertragsübergabe, in der er den Partnern viel Erfolg für ihr Vorhaben wünschte. Zur Veranstaltung sprach auch der Sächsische Staatsminister für Landwirtschaft und Umwelt, Thomas Schmidt. In seinem Grußwort erklärte er: „Meine Politik ist: mehr technische Innovationen, mehr eigene Ideen – weg von Verboten und Sanktionen. Insofern hat die Stiftungsprofessur mit ihrem Forschungsansatz meine vollste Unterstützung!“ Ebenso sprachen Dr. Stephan Meyer, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag, und Prof. Dr. Thomas Lampke, Dekan der Fakultät für Maschinenbau an der TU Chemnitz, Grußworte zum Auftakt.

Kohlenstofffaserverstärkte Bauteile bieten großes Anwendungspotential

Die Nachfrage nach Hochleistungsfaserverbunden und insbesondere nach kompatiblen, neuen Prozesstechnologien für deren Herstellung gilt in Expertenkreisen als Wachstumsimpuls der Zukunft. Weltweit steigt der Einsatz von Carbonfasern kontinuierlich an. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass sich die Produktionskapazitäten bis 2022 um das Dreifache erhöhen müssten, um die weltweit geforderten Bedarfe zu decken. Daraus resultiert nicht nur ein dringender Handlungsbedarf im Bereich der Forschung, sondern auch ein großes Potential für die industrielle Fertigung und Anwendung.

Die Stiftungsprofessur wird künftig im engen Schulterschluss mit industrienahen Forschungsclustern wie der Open Hybrid LabFactory (OHLF) sowie mehreren Fraunhofer-Instituten gänzlich andere Wege vom Rohstoff bis zum fertigen Hochleistungsbauteil aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen beschreiten. Hierzu beteiligt sich die OHLF ebenso wie die JSW an der Ausstattung einer Forschungsanlage für die Stiftungsprofessur in Chemnitz als Herzstück der Prozesskette zur Herstellung von Kohlenstofffasern. „Das Zusammenwirken von Wissenschaft und Praxis innerhalb der Stiftungsprofessur, flankiert von einer hochmodernen technischen Ausstattung zur Herstellung von Carbonfasern, wird bald ein Alleinstellungsmerkmal mit Leuchtturm-Charakter in Europa sein“, ist sich der Vorstandsvorsitzende der JSW-Gruppe, Daniel Ozon, sicher.

Der Ansatz der wissenschaftlichen Aktivitäten im Rahmen der Professur basiert darauf, geförderte Steinkohle nicht zur Verstromung in Kohlekraftwerken zu nutzen, sondern der chemischen Industrie zuzuführen. Dieses Vorgehen ist auch als Alternative zur chemischen Gewinnung von Grundchemikalien anzusehen, aus denen derzeit nach Stand der Technik u. a. Kunststofffasern als Precursor, also Ausgangsprodukt auf molekularer Ebene für die Synthese von Carbonfasern, hergestellt werden. Aufbauend auf bisherigen Erkenntnissen zur Aufbereitung, Isolierung und Reinigung der kostbaren Rohstoffe aus Braun- und Steinkohle, wird sich die Stiftungsprofessur damit beschäftigen, welche der Rohstoffe sich ebenfalls als geeignete Ausgangsprodukte zur Kohlenstoff-Synthese eignen.

An der Stiftungsprofessur sollen künftig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Fachgebiete Maschinenbau, Verfahrenstechnik, Chemie und Physik interdisziplinär an der Carbonfaser-Herstellung für den Einsatz in neuen Leichtbauprodukten forschen. Für die Prozesse zur Herstellung der Precursoren soll ferner die Kooperation mit dem Team um Prof. Dr. Bernd Meyer, Leiter des Instituts für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen an der TU Bergakademie Freiberg, weiter ausgebaut werden.

Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Lothar Kroll, Telefon 0371531-35706, E-Mail lothar.kroll@mb.tu-chemnitz.de

Matthias Fejes
25.10.2018

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