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Spurensuche an einem bewegenden Ort

TU-Absolvent Jan Malecha bringt Besuchergruppen im Konzentrationslager Buchenwald historische Entwicklungen der NS-Zeit näher und betreut sie dabei pädagogisch

Jan Malecha arbeitet heute dort, wo noch vor einigen Jahrzehnten etwa 250.000 Menschen grausame Qualen erlitten, die für viele mit dem Tod endeten. Das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar zählte seinerzeit zu den größten auf deutschem Boden. Menschen aus allen Ländern Europas waren dort zur Zeit des Zweiten Weltkriegs inhaftiert – mindestens jeder vierte Gefangene starb. Seit Ende der 50er Jahre befand sich auf dem Gelände des ehemaligen Lagers die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald. Heute bietet die Gedenkstätte interessierten jungen Menschen sowie Erwachsenen einen vielschichtigen Einblick in die Geschichte des KZ in der Zeit von 1937 bis 1945, aber auch in die des Sowjetischen Speziallagers 1945 bis 1950 und in die der DDR-Erinnerungskultur bis 1989/90. TU-Absolvent Malecha begleitet Besuchergruppen während ihres Aufenthalts vor Ort. Bereits seit 2010 ist er pädagogischer Mitarbeiter in der Gedenkstätte und versucht mit dem pädagogischen Grundsatz des „forschenden Lernens“ die Auseinandersetzung mit dem Thema bei jedem Besucher so interessant, intensiv und lehrreich wie möglich zu gestalten. „Ich möchte keine fertigen Antworten auf historische Fragestellungen liefern, vielmehr begleite ich die Jugendlichen in ihrem eigenen Denkprozess“, erklärt der 33-Jährige.

Malecha stammt aus der Oberlausitz, direkt an der Grenze zu Polen. „Meine Heimat ließ mich schon als Jugendlicher in einen gewissen Kontakt mit dem Land und den Menschen jenseits der Landesgrenze treten. Sicherlich war auch meine Familiengeschichte, die sich um Flucht und Vertreibung aus den schlesischen und pommerschen Gebieten dreht, ein Aspekt, der mein Interesse an dieser Region verstärkte“, erklärt er und ergänzt: „Die Zeit des Nationalsozialismus interessierte mich schon immer. Ich will Antworten auf die Frage finden, warum Menschen in der Lage sind, anderen Menschen unter bestimmten gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen derartiges Leid zuzufügen.“ Sein Studium der Europawissenschaften sowie der Europäischen Geschichte hat er in Chemnitz verbracht und im Jahr 2007 abgeschlossen. Sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudium fokussierte er sich inhaltlich auf die Geschichte, Kultur und Politik des ostmitteleuropäischen Raumes – insbesondere auf Polen: „Mich interessierte zunächst an den Europastudien besonders die Interdisziplinarität des Studienbereiches und die von den Dozenten offerierten Spezialisierungsmöglichkeiten während des Studiums. Nach einigen Semestern war mir klar, dass meine Richtung der ostmitteleuropäische Raum, dessen Kulturen, Sprachen, Geschichte und gegenwärtige Entwicklungen sein würde. Ich bin für meine gesamte Studienzeit in Chemnitz sehr dankbar, gerade auch für die Anwesenheit vieler ausländischer Professoren, die mir deutlich machten, wie unterschiedlich die Perspektiven auf historische und gegenwärtige Prozesse in einzelnen Ländern sein können.“

Im Rahmen eines Erasmusaufenthaltes studierte Malecha zudem für sechs Monate am Historischen Institut der Uniwersytet Mikolaja Kopernika im polnischen Torun, um das Land und die Menschen besser kennenzulernen sowie die damals eher holprigen Polnischkenntnisse aufzubessern. „Die Zeit in Polen brachte mir Sprache, Kultur und Geschichte des Landes näher und prägt bis heute meine Affinität zu unseren Nachbarn. Es war eine großartige Zeit, die ich nie vergessen werde und die mir sicherlich auch gewisse Befürchtungen vor einem längeren Aufenthalt „im Osten“ nahm. Gleichzeitig habe ich dort Menschen kennengelernt, zu denen ich heute noch guten Kontakt habe“, erinnert sich der Pädagoge. Nach diesem Aufenthalt verbrachte Malecha noch weitere Wochen in der polnischen Universität, um die im Bereich der Mittelaltergeschichte gut ausgestattete Bibliothek zu nutzen und seine Masterarbeit fertigzustellen. Direkt nach Abschluss des Studiums zog es ihn zurück nach Polen, sodass er in der Internationalen Jugendbegegnungs- und Gedenkstätte im niederschlesischen Krzyzowa (dt.: Kreisau) zu arbeiten begann. „Ich verbesserte dort meine Sprachkenntnisse weiter und schloss viele neue Kontakte. Nach zwei Jahren in Niederschlesien bewarb ich mich in Buchenwald und wurde angenommen“, so Malecha.

Nach Buchenwald kommen Menschen aus der ganzen Welt, die Malecha als pädagogischer Mitarbeiter begleitet. Dabei kann es sich um ein mehrstündiges Gespräch im ehemaligen Lager und den ehemaligen SS-Bereichen handeln, doch entscheiden sich viele Gästegruppen für einen mehrtägigen Aufenthalt in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte der Gedenkstätte, um sich intensiv mit der umfangreichen Geschichte dieses Ortes auseinander zu setzen. Neben der pädagogischen Begleitung, der Organisation und der Nachbereitung der Bildungsprojekte arbeitet Malecha im mehrsprachigen Bereich, um den ausländischen Besuchern ähnliche Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem Ort zu gewährleisten: „Zukünftig möchte ich gern die internationale Zusammenarbeit mit Schulen und Universitäten stärken und dahingehend mehr Projekte, vor allem mit Partnern in Polen, durchführen. Zugleich ist der Kontakt mit polnischen und englischsprachigen Angehörigen und ehemaligen Häftlingen ein äußerst wichtiges Arbeitsfeld. Ich lerne auch bei diesen Treffen selbst ständig dazu.“

Sein Anspruch an sich selbst ist es, nie aufzuhören, Fragen zu stellen, sich ständig weiterzuentwickeln und sich nicht mit fertigen oder vorgegebenen Antworten zu begnügen. Und genau das möchte Malecha auch an seine Gäste weitergeben: „Wir versuchen keine fertigen Antworten zu liefern, sondern unterstützen die Besucher darin, selbst Beobachtungen zu machen, Fragen zu stellen und Antworten zu finden. Dabei gehen wir auf die jeweiligen Besucher und ihren kulturellen Hintergrund ein und gestalten die Seminare entsprechend der Wünsche und Erwartungen. Jeder nimmt diesen Ort anders wahr und wir versuchen die Menschen mit einem gegenwärtigen Ort und seinen historischen Spuren vertraut zu machen, ohne dabei anzustreben, sie emotional zu überfordern oder zu überwältigen."

Weitere Informationen zur Gedenkstätte Buchenwald sind auf der Homepage der Stiftung www.buchenwald.de zu finden.

(Autorin: Katharina Preuß)

Mario Steinebach
10.07.2015

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