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Der Tanzlehrer der Atome

Dr. Philipp Plänitz studierte von 1999 bis 2004 Physik an der TU Chemnitz und ist nun Geschäftsführer der AQcomputare

"Wir lassen die Atome tanzen", steht mit großen Lettern auf den Unterlagen von Dr. Philipp Plänitz. Er hat sie vor sich ausgebreitet und erklärt anhand einer Grafik die atomare Struktur von Siliziumoxinitrid. Es handelt sich dabei jedoch nicht um trockene Physik, sondern um die einzigartige, atomare Welt der Materialien, in der eine kleine Veränderung neue Eigenschaften hervorbringen kann. Eine Welt, in der die Atome zu tanzen scheinen.

Dr. Plänitz beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit den Eigenschaften verschiedener Materialien wie Stähle und Kunststoffe, 2007 machte er dies zu seinem Beruf. Seine berufliche Laufbahn begann 1999, als er an der Technischen Universität Chemnitz sein Physikstudium aufnahm und 2004 mit dem Diplom abschloss. Im Anschluss folgte eine Anstellung an der Professur für Opto- und Festkörperelektronik bei Prof. Dr. Christian Radehaus und seine Promotion an der Professur für Theoretische Physik. Zusammen mit Prof. Radehaus, der bis 2008 die Professur für Opto- und Festkörperelektronik leitete, arbeitete er am Projekt "MATcalc". Das Projekt entstand innerhalb des Geschäftsbereiches Materialberechnung der Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer GWT-TUD GmbH. Aus diesem Projekt heraus gründete sich am 11. November 2009 die "AQcomputare Gesellschaft für Materialberechnung".

Das Unternehmen, das seinen Sitz im Technologie Centrum Chemnitz hat, wird von Dr. Plänitz und Prof. Radehaus gemeinsam geführt. Neben den beiden Gesellschaftern beschäftigen sich bis zu acht Mitarbeiter des Unternehmens mit der computerbasierten Materialwissenschaft. Sie stammen aus der Physik, Chemie, Ingenieurwissenschaft und Softwareentwicklung. "Wir hatten auch bereits jemanden aus der Betriebswirtschaftslehre bei uns", erinnert sich Philipp Plänitz an einen seiner früheren Praktikanten. Doch ob Chemiker, Ingenieur oder Informatiker, fast alle arbeiten mit modernsten Simulationswerkzeugen, um detaillierte physikalische und chemische Informationen über ein bestimmtes Material zu erhalten. Ihr Arbeitsmittel ist dabei stets der Computer. "Wir nutzen den Computer für physikalische Simulationen im Bereich Materialsimulation. Dank der Simulationen können wir sehen, wie gut oder schlecht ein Material leitfähig ist, eine chemische Reaktion zwischen zwei Molekülen abläuft und sogar die Energiezustände ausrechnen", erklärt Plänitz. Mittels der Untersuchungsergebnisse lassen sich gezielt Materialen mit bestimmten Eigenschaften herstellen, die beispielsweise in der Automobilindustrie Anwendung finden.

Für die Simulationen wird eine enorme Rechenleistung benötigt, die ein Standardrechner nicht erbringt. "Als wir noch an der Universität tätig waren, haben wir anfänglich den Supercomputer CLiC für unsere Berechnungen genutzt und sind dann auf den CHiC umgestiegen", erzählt der Unternehmer. Der CLiC (Chemnitzer Linux Cluster) ist der Vorgänger des CHiC (Chemnitzer Hochleistung Linux Cluster), der sich im Universitätsteil Straße der Nationen befindet. Der Hochleistungsrechner wurde im Februar 2007 in Betrieb genommen und steht jedem Angehörigen der Universität für Forschungsarbeiten zur Verfügung, so auch Philipp Plänitz während seines Studiums und der Promotion. Auf dem CHiC konnte er zwei- bis dreihundert Atome berechnen, deren Ergebnisse in die Simulationen einflossen und eine wichtige Arbeitsgrundlage für ihn und sein Team legten.

Die Nutzung des CHiCs verringerte sich bei AQcomputare, nachdem diese aus dem Projekt MATcalc herausging und vermehrt industrielle statt öffentliche Projekte durchgeführt wurden. "Anfänglich haben wir fast 30 Prozent des CHiCs genutzt und das über mehrere Jahre hinweg. Das war auch notwendig, denn ohne den Cluster hätten wir nicht arbeiten können. Heute arbeiten wir selten mit ihm", sagt Plänitz und ergänzt: "Momentan arbeitet ein Doktorand bei uns, der für sein Forschungsthema mit dem CHiC rechnet."

Inzwischen arbeitet AQcomputare mit einem eigenen Cluster, der auf ihre Bedürfnisse hin angefertigt wurde und mit dem sich mehrere Tausend statt Hundert Atome berechnen lassen. Weitere Unterschiede zum CHiC sind die fehlende Wasserkühlung und der wesentlich geringere Umfang des Clusters. Im Gegensatz zum CHiC steht der Hochleistungsrechner des Spin-Off Unternehmens auch nicht in einer Halle, sondern in einem kleinen Raum, in dem die Rechner und bis zu zwei Personen Platz haben. "Allerdings unterscheidet sich die Clustertechnik zum wissenschaftlichen Rechnen nicht", führt der Geschäftsführer eine der wesentlichen Gemeinsamkeiten auf.

Ob CHiC oder firmeneigener Cluster, am Erfolg des Unternehmens änderte sich nichts. Zu den festen Kunden von AQcomputare zählen der Chiphersteller Globalfoundries und Volkswagen, die ihr Material auf atomarer Ebene untersuchen lassen. Neben einigen Universitäten ist die AQcomputare der einzige Anbieter auf diesem Gebiet. Die Materialberechnung wird jedoch in Zukunft immer wichtiger, denn Stähle und Kunststoffe werden immer komplexer. "Was die Zukunft bringt, wissen wir nicht, aber stehen bleiben dürfen wir nicht. Es ist wichtig, sich stetig weiterzuentwickeln", gibt Plänitz zu bedenken. Wie die Rechentechnik muss sich auch sein Unternehmen immer neuen Herausforderungen stellen und entwickeln. "Das macht unsere Arbeit so interessant, aber es ist auch witzig, wenn man am Computer ein beliebiges Material herstellt und dazu fast jedes Atom austauschen kann", meint Plänitz erfreut, während der Lärm der Rechnerbelüftung durch den Raum schallt.

(Autorin: Sandra Edel)

Noch bis zum 9. September 2012 zeigt das Sächsische Industriemuseum Chemnitz in einer Sonderausstellung die Entwicklung von der Rechenmaschine zum Supercomputer - weitere Informationen: http://www.saechsisches-industriemuseum.de

Katharina Thehos
20.06.2012

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