1,4 Millionen Euro für Kreislaufwirtschaft und Strukturwandel
TU Chemnitz startet gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern Recycling-Projekt KIKORECO in der Lausitz und entwickelt innovative Kindersitz-Kopfstütze
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Ein innovativer Technologiedemonstrator des Projekts KIKORECO ist eine aus rezyklierten Carbonfasern und thermoplastischen Polymeren gefertigte Kopfstütze für Kindersitze. Sie ist leicht, ressourceneffizient und crashsicher. Das Bauteil vereint neuartige Faserarchitekturen mit einem integrierten Partikelschaum-Verbundaufbau. Grafik: MERGE
Der Forschungscluster MERGE an der Technischen Universität Chemnitz hat im April 2025 gemeinsam mit der Professur Textile Technologien und der Cetex Institut gGmbH das Forschungsprojekt KIKORECO („Kindersitzkomponenten aus rezyklierten kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen“) gestartet. Mit einer Förderung von rund 1,4 Millionen Euro aus dem Just Transition Fund der Sächsischen Aufbaubank wollen die Partnerinnen und Partner neuartige, nachhaltige Kindersitzkopfstützen auf Basis recycelter „grüner“ Carbonfasern entwickeln, die mechanisch hoch belastbar und ressourceneffizient sind.
Technologischer Funktionsdemonstrator einer Kindersitz-Kopfstütze
Im Zentrum von KIKORECO steht die Entwicklung einer Kindersitz-Kopfstütze aus gerichteten recycelten Carbon-Vliesstoffen (grCV). Hierfür kombiniert und erforscht das Team neuartige Verarbeitungstechnologien für thermoplastische faserverstärkte Rezyklate: Durch innovative Verfahren wie das Partikelschaum-Verbundspritzgießen (PVSG) sowie die Kombination von Dry Fiber Placement (DFP) und Tailored Fiber Placement (TFP) sollen erhebliche Gewichts- und CO₂-Einsparungen erzielt werden. Beim Dry Fiber Placement werden trockene Faserbänder automatisiert in vorgegebenen Bahnen verlegt, während Tailored Fiber Placement lastpfadgerechte Verstärkungsstrukturen aus Faserrovings erlaubt, die exakt entlang der Kraftflüsse aufgestickt sind. Nach der präzisen Vorformung erfolgt die Herstellung des Bauteils durch das Partikelschaum-Verbundspritzgießen (PVSG). Hierbei wird ein aufgeschäumtes Polymer in die Preform eingespritzt, wodurch im Inneren des Bauteils ein energiedämpfendes Schaumgerüst entsteht, das die Belastung bei einem Aufprall aufnimmt und so die Crashperformance deutlich verbessert.
Praktisch soll daraus ein industriell übertragbarer Funktionsdemonstrator entstehen, der gegenüber heutigen Lösungen eine Gewichts- und CO₂-Reduktion von rund 25 bis 30 Prozent ermöglicht und sich perspektivisch auf andere Sitzkomponenten oder Leichtbauteile übertragen lässt.
Neue TFP-Anlage für großformatige Rezyklate
Ein Herzstück des Projekts ist die Anschaffung einer hochmodernen Tailored Fiber Placement-Anlage, die großformatige Halbzeuge mit einem Durchmesser von bis zu 1,80 Meter verarbeitet. Speziell auf rezyklierte Carbongarne ausgelegt, bietet die Maschine automatische Materialwechsel und eine KI-gestützte Pfadüberwachung, um fehlerfreie Legeprozesse sicherzustellen. Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme an der TU Chemnitz wird die neue TFP-Anlage perspektivisch an den Forschungsstandort der Carbon LabFactory in Boxberg verlagert und dort als „Leuchtturm“ für nachhaltige Faserverbundtechnik etabliert.
Beitrag zum Strukturwandel in der Lausitz
Mit KIKORECO leistet die TU Chemnitz damit einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Diversifizierung im Strukturwandelgebiet Lausitz. Die Integration der TFP-Anlage in die Carbon LabFactory Sachsen – der neuen im Aufbau befindlichen Außenstelle der Universität – stärkt die sächsische Innovationsstrategie im Bereich Kreislaufwirtschaft und Leichtbau und schafft eine regionale Infrastruktur zur Verarbeitung von CF-Verschnittresten und CFK-Rezyklaten.
„Mit KIKORECO betreten wir technologisches Neuland: Wir bringen recycelte Hochleistungsfasern in alltagstaugliche Produkte und verbinden ressourcenschonende Werkstoffe mit industriellen Großserientechnologien. Damit schaffen wir nicht nur Innovationen, sondern auch Perspektiven für Strukturwandel und Nachhaltigkeit“, so Prof. Dr. Lothar Kroll, Koordinator des Forschungsclusters MERGE.
Das dreijährige Vorhaben läuft von April 2025 bis März 2028. Gefördert werden neben der TFP-Anlage der Aufbau einer demonstratorischen Fertigungskette für Recycling-Verbundbauteile sowie umfassende F&E-Arbeiten in den Bereichen Leichtbau, Textile Technologien und Kreislaufwirtschaft.
Hintergrund: Carbon Labfactory Sachsen
Die Carbon LabFactory Sachsen in Boxberg/Oberlausitz ist eine neue Außenstelle der TU Chemnitz und eines der Leuchtturmprojekte im sächsischen Strukturwandel. Sie wurde 2023 als Teil der Kampagne „Hier wird was!“ des Sächsischen Staatsministeriums für Regionalentwicklung ins Leben gerufen und gehört zu fünf initialen Strukturwandelprojekten in der Lausitz. Das Forschungszentrum legt seinen Fokus auf die ganzheitliche Erforschung „grüner“ Carbonfasern über die gesamte Wertschöpfungskette vom Molekül bis zum Hochleistungsbauteil. Zukünftig sollen am neuen Forschungscampus pilotmaßstäbliche Fertigungslinien – etwa die geförderte TFP-Anlage – aufgebaut werden, um zukunftsweisende Leichtbautechnologien zu erforschen. Langfristig versteht sich die Carbon LabFactory Sachsen als Nukleus für Firmenansiedlungen und Innovationsprojekte in der Lausitz, um gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft die klimafreundliche Transformation der Region zu gestalten.
Weitere Informationen zum Projekt KIKORECO erteilt Prof. Dr. Lothar Kroll, Koordinator des Forschungsclusters MERGE, Telefon +49 (0)371 531-139100, E-Mail merge@tu-chemnitz.de, Homepage https://www.tu-chemnitz.de/MERGE
(Autorin: Sylvia Decker)
Mario Steinebach
21.05.2025