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Erste Ergebnisse der „DRadEsel-Studie“ zur Verkehrssicherheit liegen vor

Forschungsgruppe Allgemeine und Arbeitspsychologie der TU Chemnitz führt weitere Feldbeobachtungen im öffentlichen Verkehrsraum durch und startet im April 2021 eine Online-Befragung

Die Forschungsgruppe Allgemeine und Arbeitspsychologie der Technischen Universität Chemnitz unter Leitung von Prof. Dr. Josef Krems untersuchte 2020 die Verkehrssicherheit von Radfahrenden an urbanen Knotenpunkten in Karlsruhe, Chemnitz und Wiesbaden. Während die kommende Erhebung pandemiebedingt ausschließlich Beobachtungen vorsieht, wurden Radfahrerinnen und Radfahrer in den ersten beiden Erhebungswellen des vergangenen Jahres in den drei Städten interviewt und beobachtet. Erste Untersuchungsergebnisse liegen nun vor: Insgesamt wurden 1.233 Interviews mit Radfahrenden geführt, wovon die meisten sowohl im Winter als auch in der sonstigen Zeit des Jahres 2020 ihr Fahrrad überwiegend täglich nutzten. Die knappe Mehrheit der Befragten war männlich (58 Prozent) und im Mittel 44 Jahre alt.

Der Fokus der „DRadEsel-Studie“ liegt auf der Erfassung sicherheitskritischer Situationen von Radfahrenden. Dazu beobachtete und befragte die Forschungsgruppe Radfahrende vor Ort an ausgewählten Verkehrsknotenpunkten. Die befragten Personen berichteten einen etwa zehn Mal höheren Anteil an gerade erlebten sicherheitskritischen Situationen im Interview (17,2 %) als die Forschungsgruppe an den ausgewählten Verkehrsknotenpunkten tatsächlich beobachten (1,5 %) konnte. In Bezug auf die Art und den Ablauf der berichteten sicherheitskritischen Situationen zeigen sich große Übereinstimmungen zwischen den Angaben der Radfahrenden und denen der Forschungsgruppe.

Gefährlich: Geringe Abstände beim Überholen und blockierte Radverkehrsanlagen

Der überwiegende Anteil dieser Situationen entstand unter der Beteiligung mindestens einer weiteren Verkehrsteilnehmerin bzw. eines weiteren Verkehrsteilnehmers – in den meisten Fällen eines Pkw. Ursächlich waren hauptsächlich zu geringe Abstände beim Überholen oder blockierte Radverkehrsanlagen. Um Zusammenstöße zu vermeiden, wurde meist stark gebremst oder ein Ausweichmanöver seitens der Radfahrenden durchgeführt. Die Analysen der bisher erhobenen Daten zeigen, dass an einigen Infrastrukturen deutlich häufiger sicherheitskritische Situationen sowohl berichtet und als auch beobachtet wurden. So war die Wahrscheinlichkeit, eine sicherheitskritische Situation zu beobachten, an Radfahrstreifen in Mittellage sechsmal höher als an getrennten Fuß- und Radwegen. Allerdings lassen sich hieraus keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Gefahr für Radfahrende beim Durchfahren dieser Infrastruktur im Vergleich zu einem derartigen Knotenpunkt ohne spezielle Radinfrastruktur ableiten. Dafür sollen in einem nächsten Schritt vergleichbare Infrastrukturen ohne Radverkehrsführungen untersucht werden.

Unterschiedlich: Die gefühlte Sicherheit in Chemnitz, Karlsruhe und Wiesbaden

Vergleicht man die Häufigkeit der erfassten verkehrskritischen Situationen in den verschiedenen Städten, fällt auf, dass die Radfahrenden selbst etwa gleichermaßen oft von kritischen Situationen berichten, dagegen jedoch derartige Situationen in Karlsruhe etwa doppelt so häufig beobachtet wurden wie in Wiesbaden und Chemnitz. Nicht auszuschließen ist, dass Unterschiede im infrastrukturellen Aufbau der untersuchten Knotenpunkte über die Städte hinweg dazu geführt haben könnten. Bezüglich des Alters und Geschlechts der Radfahrenden sowie der zeitlichen Merkmale der berichteten und beobachteten Situationen wurde keine Systematik in den Daten gefunden.

Gefragt nach sicherheitskritischen Situationen in der Vergangenheit, zeigt sich, dass die interviewten Radfahrenden durchschnittlich fünf sicherheitskritische Situationen in einer Woche erlebten, wobei Wiesbadener und Karlsruher Radfahrende bedeutend mehr sicherheitskritische Situationen in der Vergangenheit berichteten als Chemnitzer Radfahrende. Interessanterweise spiegelt sich die Häufigkeit erlebter Situationen nicht direkt im Sicherheitsempfinden der Radfahrenden im Allgemeinen wieder. In dieser Bewertung zeigen sich Unterschiede zwischen den Städten. Die Karlsruher gaben an, sich in ihrer Stadt als Radfahrende im Allgemeinen neutral bis sicher zu fühlen. Radfahrende in Chemnitz berichteten ein neutrales bis leichtes Unsicherheitsempfinden. Das allgemeine Sicherheitsempfinden der Wiesbadener war eher unsicher.

Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass sich Frauen als Radfahrende in ihrer Stadt im Allgemeinen unsicherer fühlten als Männer. Bedeutende Einflüsse des Alters der Radfahrenden und der Tageszeit bzw. Verkehrsdichte auf das Sicherheitsempfinden der Radfahrenden im Straßenverkehr zeichnen sich bisher nicht ab. Es ist bekannt, dass weitere im Projekt nicht erhobene Faktoren, wie die wahrgenommene Präsenz des Themas bzw. die Förderung des Radverkehrs in der Region, das Sicherheitsempfinden der Radfahrenden nachhaltig positiv beeinflussen können. Radverkehrsanlagen, die Interaktionen mit dem motorisierten Individualverkehr erlauben, werden tendenziell als unsicherer erlebt, obgleich die Prävalenz sicherheitskritische Situationen nicht signifikant erhöht ist. Von den insgesamt vier Beobachtungs- bzw. Befragungsstandorten, die sich in ihrer Infrastruktur für Radfahrende unterscheiden, fühlten sich die Befragten am Radfahrstreifen in Mittellage (verläuft zwischen zwei Spuren auf der Straße) in allen Städten mit Abstand am unsichersten.

Online-Befragung für Chemnitzer Radfahrende ist gestartet

Um auch potentielle jahreszeitliche Einflüsse aufzudecken, waren Befragungen und Beobachtungen ursprünglich über ein Jahr hinweg in vier Erhebungswellen geplant. Durch pandemiebedingte Verschiebungen können die Erhebungen vorerst nur in Chemnitz weiter fortgesetzt werden. Zur Minimierung des Ansteckungsrisikos wird im Weiteren auf Interviews vor Ort verzichtet und stattdessen eine Online-Variante der Befragungen geschaltet. Alle Radfahrenden sind herzlich dazu eingeladen, an dieser Befragung teilzunehmen und damit einen Beitrag zu Steigerung der Radverkehrssicherheit zu leisten. Die Angaben aller Teilnehmenden werden vertraulich und anonymisiert behandelt. Link zur Umfrage: https://bit.ly/3tgNHlt

Hintergrund: Forschungsprojekt „DRadEsel“

Das Forschungsprojekt „DRadEsel“ wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020 gefördert. Die Ergebnisse der Studie werden den jeweiligen Stadtverwaltungen rückgemeldet und können dazu beitragen, den Radverkehr in der Stadt sicherer zu machen. „Eine fahrradfreundliche Stadt mit einer sicheren Radinfrastruktur ist die Grundvoraussetzung für die Steigerung der Fahrradnutzung im Alltag“, sagt Projektmitarbeiterin Maria Kreußlein. Deshalb freue sich die Forschungsgruppe auf eine rege Beteiligung der Chemnitzer Radfahrerinnen und Radfahrer an der aktuellen Befragung.

Weitere Informationen zum Projekt „DRadEsel“: https://nationaler-radverkehrsplan.de/de/praxis/untersuchung-der-dunkelziffer und  https://www.tu-chemnitz.de/hsw/psychologie/professuren/fgaap/verkehr/DRadEsel.php

Kontakt: Sabine Springer, Telefon +49 (0) 371 531-30311, E-Mail  sabine.springer@psychologie.tu-chemnitz.de.

Mario Steinebach
13.04.2021

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