Springe zum Hauptinhalt
Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
TUCaktuell
TUCaktuell Menschen

Von der Automobilindustrie in die Forschung

Alexander Hackert und Tristan Timmel suchen nach der „optimalen Pore“ in Werkstoffverbunden

Eine ressourcenschonende und dabei gleichzeitig effiziente Produktion von Bauteilen sowie eine optimale Verbindung von Materialien sind die Merkmale der zukunftsorientierten Schlüsseltechnologie Leichtbau. Alexander Hackert und Tristan Timmel arbeiten als wissenschaftliche Mitarbeiter im Bundesexzellenzcluster MERGE an diesen Fragestellungen im interagierenden Forschungsbereich Textile- und Kunststoffbasierte Technologien (IRD C). Beide Forscher haben ihre Wurzeln in der Automobilbranche und ihre Liebe zu Fahrzeugen erfolgreich mit der Arbeit verbunden.

Aktuell nutzen Sie ihr fachliches Know-how im Forschungsprojekt „Chemnitz Car Concept“ (CCC). „Mit dem CCC haben wir eine Plattform geschaffen, die bereits jetzt einen Blick in das Auto von morgen gewährt“, erklärt Timmel. Die Zusammenarbeit verschiedener Forschungsbereiche im Projekt fördere einen effizienten Wissensaustausch und eine hervorragende Teamdynamik. Auch für Studierende biete das CCC die Möglichkeit, ihre theoretischen Kenntnisse aus Seminaren und Vorlesungen praktisch anzuwenden. Ein von den Wissenschaftlern auf den Namen „MERGE up!“ getauftes Fahrzeug (eigentlich VW up!) dient dabei als Plattform für Forschungs- und Demonstrationszwecke. Das Auto vereint erste Prototypen besonders energie- und ressourceneffizienter Bauteile für Leichtbaufahrzeuge, die mittels MERGE-Technologien umgesetzt wurden. Beispielsweise entstand so ein physiologisch optimierter Leichtbausitz im Multi-Material-Design. Ihre Forschungsergebnisse setzten die Wissenschaftler auch in weiteren prototypischen Demonstratoren um, wie dem Active Flow Control (AFC) Heckspoiler, neuartigen Werkstoffverbunden für Komponenten der Fahrwerkstruktur oder der durch wirkmedienbasiertes Umformen herstellbaren Frontklappe, wodurch sie die Erkenntnisse anschaulich in die Anwendung überführten.

Ultraleicht dank Metallschaum

„Eine Frage, die häufig diskutiert wird, ist: An welcher Stelle der automobilen Umgebung können unsere Forschungsergebnisse möglichst effizient genutzt werden?“, erklärt Hackert, Projektverantwortlicher des CCC. „Unsere Aufgabe ist es deshalb, Herstellungsweisen und Funktionssysteme zu hinterfragen und in die automobile Anwendung zu übersetzen“. Dabei gelte stets der Anspruch, Bauteile möglichst leicht und je nach Verwendungszweck intelligent herzustellen. So werden die Werkstoffverbundsysteme gezielt ausgewählt und immer dort eingesetzt, wo sie für eine besonders effiziente Funktionsweise sorgen. Bei automobilen Anwendungen kann der CO2-Ausstoß dadurch deutlich reduziert werden. Die Wissenschaftler des Chemnitz Car Concept und des IRD C haben außerdem eine Leichtbaufelge entwickelt, die Faserkunststoffverbunde und Aluminiumschaum in einer Sandwichbauweise miteinander verbindet und so ein besonders niedriges Gewicht von drei Kilogramm aufweist. Eine Referenzfelge aus Stahl wiegt dagegen rund sechs Kilogramm. Durch diese enorme Reduzierung der bewegten und ungefederten Massen wird gleichzeitig eine spürbare Verbesserung der Fahreigenschaften erreicht. Der Anspruch an die neuen Bauteile: sie sollen nicht nur leichter sein, sondern gleichzeitig auch besser in ihrer Anwendung. Die Leichtbau-Felge und weitere Produkte und Ergebnisse der Forschung am Bundesexzellenzcluster MERGE stellte die TU Chemnitz unlängst sowohl im Rahmen eines Parlamentarischen Abends in Dresden als auch auf der Hannover Messe vor.    

Der Fokus der aktuellen Forschung des IRD C liegt auf Technologien und der Prozessoptimierung hinsichtlich Großserientauglichkeit, Flexibilität und Reproduzierbarkeit in der Leichtbauforschung. „Wir wollen die Werkstoffe effektiv kombinieren, um neue Werkstoffsysteme zu gewinnen. Wir suchen also nach der optimalen Pore in Kernverbunden“, erläutert Hackert im Hinblick auf die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Promotion. Langfristig wird im Bundesexzellenzcluster MERGE eine sogenannte „Bivalente Ressourcen-Effizienz“ verfolgt. Dabei werden großserientaugliche Basistechnologien verschmolzen, um eine ressourceneffiziente Herstellung von Leichtbaustrukturen mit hoher Leistungs- und Funktionsdichte zu gewährleisten.

MERGE zieht an

Hackert und Timmel haben beide KFZ-Technik in Zwickau studiert und so ihren Weg in die Automobilindustrie gefunden. Die Ingenieure haben sich in einem Chemnitzer Unternehmen kennengelernt, das sich vorrangig mit Maschinen- und Bergbau sowie mit der Elektromobilität beschäftigt. Durch das Chemnitz Car Concept ist Hackert schließlich an die Technische Universität Chemnitz gekommen und hat 2013 an der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung angefangen, als das Bundesexzellenzcluster MERGE einen Fachmann speziell für die Betreuung des CCC-Projektes suchte. „Prof. Lothar Kroll, der Koordinator von MERGE, hat uns quasi aus der Industrie in die Forschung geholt“, erklärt Hackert. Zwei Jahre später ist Timmel ihm gefolgt und im Juli 2015 direkt bei MERGE eingestiegen. „Die TU Chemnitz hat es mit MERGE geschafft, das einzige Exzellenzcluster auf dem Gebiet der Erforschung und Entwicklung zukunftsträchtiger Schlüsseltechnologien für Leichtbaustrukturen nach Chemnitz zu holen“, erläutert der 32-Jährige. „Es war daher eine einmalige Gelegenheit für mich, Teil dieses außergewöhnlichen und einzigartigen Projektes zu werden. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen“. Hackert und Timmel wollten die wissenschaftliche Seite der Ingenieurbranche kennen lernen. So entschlossen sie sich auch, den Master-Studiengang Leichtbau an der TU Chemnitz zu absolvieren. Beide können nun ihre mehrjährige Erfahrung als Entwicklungsingenieure in der Industrie in ihre Arbeit im Bundesexzellenzcluster MERGE einbringen.

„Es ist ein Unterschied zwischen dem Ingenieurdasein in der Industrie im Vergleich zur Forschung. Man muss Sachen einfach ausprobieren und schauen, ob sie funktionieren. Kurz gesagt: Man muss auch mal was kaputt machen“, meint Hackert und schmunzelt. Genau dieses Ausprobieren sei an einer Universität möglich im Gegensatz zur Industrie. Dort traue man sich häufig nicht, neue Werkstoffe einzusetzen, entweder aus Kostengründen oder weil der Kunde es nicht möchte.

Hobby und Beruf verbinden

Die zwei Wissenschaftler haben es geschafft, ihr Hobby mit der Arbeit zu verbinden. Timmel begeistert sich für alles, was mit Fahrzeugen zu tun hat, vor allem Motorsport. Seit einigen Jahren tüftelt er zudem an Vertikalachswindturbinen. „Alternative Energie- und Materialkonzepte interessieren mich enorm“. Er verbringt aber auch gern Zeit damit, Chemnitz und das Erzgebirge zu erkunden. „Familienausflüge mit meiner Frau und meinem Sohn gehören zu den schönsten Aktivitäten in meiner Freizeit“, sagt er lächelnd. Auch Hackert hegt eine große Leidenschaft für Fahrzeuge, besonders Young- und Oldtimer. Der Vater von zwei Söhnen schraubt in seiner Freizeit gern an klassischen Fahrzeugen. Außerdem ist er ein großer Fan der Automobilgeschichte sowie der Design- und Formensprache. „Ich bin ein bisschen Design verrückt“, sagt er und lacht.

Die gebürtigen Chemnitzer sind bis heute tief mit ihrer Heimat verbunden. „Ich habe mich ganz bewusst dazu entschieden, meiner Heimatstadt treu zu bleiben, um den neuen Bundesländern eine Chance zu geben“, sagt Timmel. Viele junge Studierende zieht es seiner Einschätzung nach direkt nach ihrem Abschluss in den Westen Deutschlands, um dort zu arbeiten. Dabei ist sich Timmel sicher, haben sie besonders in Chemnitz gute Chancen in die Automobilindustrie einzusteigen. „Die TU Chemnitz ist als Standort noch sehr zurückhaltend. Das muss sie aber gar nicht sein“, ist er überzeugt. Die Universität biete den Studierenden mit ihrem Technologiecampus eine praxisnahe Lernplattform. Sie können sich ausprobieren, selbst neue Ideen in Forschungsprojekte einbringen und erhalten so ein sehr gutes Verständnis für Herstellungsprozesse und Nachhaltigkeit. „Wir haben die Motivation, den Studenten Ideen und Fertigkeiten mitzugeben, die sie in den Unternehmen auch anwenden können“, erläutert Hackert. „Durch die Verbundenheit von Wissenschaft und Wirtschaft ist Chemnitz ein wettbewerbsfähiger Technologiestandort mit Erfolgsbranchen wie Automobilzulieferindustrie, Maschinenbau und Textilindustrie geworden“, schließt Timmel. (Autorin: Melissa Martinelli)

Weitere Informationen:

Der Bundesexzellenzcluster MERGE der TU Chemnitz

MERGE ist ein Forschungscluster an der Technischen Universität Chemnitz auf dem Gebiet der Leichtbauforschung. Erforscht werden materialwissenschaftliche und technologische Grundlagen für die großserientaugliche und ressourcenschonende Herstellung von Leichtbauverbundstrukturen. Die TU Chemnitz will den Exzellenzcluster MERGE mit neuen Ideen und Konzepten fortführen und einen Antrag auf Förderung im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern gestellt.

Prof. Dr. Lothar Kroll, MERGE-Sprecher, präsentiert die Leistungsfähigkeit des Exzellenzclusters im neuen Video-Format „TUCtalk“ der TU Chemnitz: http://bit.ly/TUCtalk_3

Matthias Fejes
21.06.2017

Alle „TUCaktuell“-Meldungen
Hinweis: Die TU Chemnitz ist in vielen Medien präsent. Einen Eindruck, wie diese über die Universität berichten, gibt der Medienspiegel.