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Sensationeller Fund beflügelt Wissenstransfer von Chemnitz nach China

Chinesische Übersetzung von Agricolas Hauptwerk „De re metallica libri XII“ aus dem Jahre 1640 in der Bibliothek von Nanjing entdeckt - Chemnitzer Historiker stellte Agricolas Lebenswerk in Peking vor

Unlängst wurde 8.300 Kilometer von Chemnitz entfernt in der Bibliothek von Nanjing eine chinesische Übersetzung des Hauptwerkes des Chemnitzer Bürgermeisters, Universalgelehrten und Arztes Georgius Agricola, „De re metallica libri XII“, mit dem Titel „Kunyu gezhi“ (坤輿格致) aus dem Jahre 1640 entdeckt. Das Hauptwerk selbst erschien 1556 in lateinischer Sprache, also ein Jahr nach Agricolas Tod, 1557 auch in einer deutschen Übersetzung. Dieses nahezu 500 Seiten umfassende Buch mit zwölf speziellen Kapiteln markiert den Beginn der Montanwissenschaften und bildete zwei Jahrhunderte lang das Standardwerk für die wissenschaftliche Behandlung des Berg- und Hüttenwesens sowie der Metallverarbeitung. Sein Wissen erwarb Agricola vor allem auf empirischem und pragmatischem Wege, indem er Bergmänner und Hüttenleute vor Ort bei ihrer Arbeit im sächsischen und böhmischen Erzgebirge studierte. Aber er verwertete auch zahlreiche zeitgenössische und antike Schriften. Beeindruckend sind die 292 Holzschnitte, die detailgetreu die gesamte Technologie des Bergbaus im 16. Jahrhundert, beginnend mit der Suche und Erkundung von Lagerstätten bis zu den Technologien der Verhüttung, dokumentieren.

„Für Historiker und Montanwissenschaftler ist die Entdeckung der Übersetzung von Agricolas Hauptwerk in der Bibliothek der Hauptstadt der ostchinesischen Provinz Jiangsu ein sensationeller Fund“, sagt der Chemnitzer Wissenschafts- und Technikhistoriker Prof. Dr. Friedrich Naumann, der bis 2005 an der TU Chemnitz tätig war und noch heute als Forscher im In- und Ausland unterwegs ist. „Offensichtlich gelangte das weltbekannte Buch von Agricola bereits Anfang des 17. Jahrhunderts durch die Jesuiten über Portugal nach China und wurde hier vom Jesuitenmissionar Johann Adam Schall von Bell ins Chinesische übersetzt. Auf diese Weise gelangte die sächsische Bergbaukunst bis ins ferne China und konnte so für das Land verfügbar gemacht werden“, berichtet Naumann.

Das Auffinden der chinesischen Übersetzung des „De re metallica libri XII“ war für das Deutsch-Chinesische Wissenschaftszentrum in Peking Veranlassung, am European Centre for Chinese Studies (ECCS) der Pekinger Universität vom 28. März bis 3. April 2019 eine internationale Konferenz zum Thema „Transfer of Scientific and Technical Knowledge between Europe and China during the Early Modern Period“ durchzuführen, an der zahlreiche Sinologen verschiedener Länder teilnahmen. Naumann, der als Referent eingeladen wurde, sprach zum Thema „The Saxon scientist Georgius Agricola (1494-1555) and the foundation of mining sciences”, wobei auch die Geschichte des sächsischen Bergbaus Berücksichtigung fand. Einen besonderen Höhepunkt bildete der Besuch der National Library of China, wo zahlreiche europäische Bücher aus der Ming-Zeit – darunter das lateinische Original des „De re metallica libri XII” von 1556, aber auch Schriften von Nicolo Tartaglia, Lazarus Ercker, Vannoccio Biringuccio u.a. – präsentiert wurden.

„Es ist schon beeindruckend, dass das Deutsch-Chinesische Wissenschaftszentrum in Peking diese sensationelle Entdeckung, die auch für das frühe chinesische Montanwesen der Ming-Zeit von Bedeutung war, zum Anlass einer speziellen Konferenz nahm und Wissenschaftler mehrerer Länder dazu einlud“, sagt Naumann; „so war es mir auch möglich, die Konferenzteilnehmer mit den jüngsten Forschungsergebnisse zu Agricola und der Arbeit des Agricola-Forschungszentrums Chemnitz bekannt zu machen“.

Zur Person: Georgius Agricola

Georgius Agricola, 1494 in Glauchau geboren und 1555 in Chemnitz gestorben, gilt als Vater der Mineralogie und Begründer der Montanwissenschaften. Der Renaissance-Gelehrte von überregionaler Bedeutung beschäftigte sich darüber hinaus mit Medizin, Pharmazie und Pädagogik wie auch mit Politik, Wirtschaft, Kunst und Religion. Viermal hatte er in Chemnitz das Bürgermeisteramt inne: 1546, 1547, 1551 und 1553, vertrat die Stadt aber auch auf den Landtagen sowie im Auftrag von Herzog/Kurfürst Moritz.

Mario Steinebach
12.04.2019

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