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Vom 30.7. bis 01.08.2004 treffen sich am Stausee Rabenstein am Stadtrand von Chemnitz wieder Tausende HipHop- und Reggae-Fans beim "Splash!"-Festival, das mittlerweile auch Sprachwissenschaftler interessiert. Foto: TU Chemnitz/Uwe Meinhold

TUCaktuell Forschung

"Von der Szene für die Szene"

Sprachwissenschaftler untersuchen Europas größtes HipHop-Festival "Splash!"

Das "Splash!"-Festival, das am kommenden Wochenende zum siebten Mal in Chemnitz veranstaltet wird, gilt als eines der größten Musik-Festivals in Deutschland und als publikumsreichstes HipHop- und Reggae-Festival in Europa: Etwa 25.000 Besucher folgten im vergangenen Jahr der Einladung der Veranstalter, um 100 Musiker aus neun Ländern auf den Bühnen am Stausee Oberrabenstein zu sehen.

Der Chemnitzer Sprachwissenschaftler Stephan Habscheid erforscht seit mehr als einem Jahr gemeinsam mit seinem Kollegen Jannis Androutsopoulos aus Hannover die Kommunikation rund um das "Splash!"-Festival. Gemeinsam widmen sich die beiden Linguisten insbesondere der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit der "Splash!"- Organisatoren. Sie analysierten unter anderem Werbeplakate, Radio-Spots und Festivalguides, besuchten Pressekonferenzen und führten Interviews mit Besuchern des Festivals durch.

"Das besondere am 'Splash!'", so Habscheid, "ist, dass anders als bei anderen großen Musikereignissen, wie zum Beispiel bei 'Rock am Ring', die Organisation nicht bei einer großen Konzertagentur liegt, sondern hier Macher aus der Chemnitzer HipHop-Szene ein Event für Gleichgesinnte inszenieren." Es habe sich - wie in anderen Jugendszenen - in der Chemnitzer HipHop-Szene eine Funktionselite herausgebildet, die in der Lage ist, auch Großereignisse zu organisieren. Gerade bei einem Szene-Event wie dem "Splash!", das sich an HipHop-begeisterte Jugendliche wendet, sei dieser organisatorische Hintergrund von großer Bedeutung, da es helfe, die Glaubwürdigkeit der Veranstaltung zu wahren und diese vor allzu offensichtlicher Kommerzialisierung zu schützen.

"Nun ist aber klar, dass eine Veranstaltung mit 25.000 Besuchern sich nicht mehr nur an den Kern einer Szene wendet, sondern auch Jugendliche anspricht, die nur entfernt mit dieser Szene in Verbindung stehen", macht Habscheid deutlich. Die Event-Werbung greife auf allgemein bekannte Stilelemente und Symbole der HipHop-Szene zurück, wie die Analyse von Plakaten aus sechs Jahren "Splash!" zeige: Dies sind z.B. riesige Lautsprechertürme, Schrifttypen und Logos im Graffiti- Stil, die Farbkombination rot-gelb-grün, junge Afro-Amerikaner als Plakatmotive und szenetypische Anglizismen. "Es geht hierbei sicher auch ein bisschen darum, allseits bekannte Stereotypen über HipHop zu nutzen, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen und so den Erfolg der Veranstaltung sicherzustellen."

Insgesamt transportiere die Werbung für das Festival HipHop-Werte wie "Leistung und Erfolg, Coolness und Style, Körperlichkeit und sinnliche Erfahrung". Gerade diese Elemente sind aber mit dem allgemeinen Werbediskurs eng verknüpft: "Hier zeigt sich, dass ein gemeinsamer Nenner gesucht wird zwischen dem Szene-Kern und den eher allgemein jugendkulturell orientierten Mitläufern. Kritischere Themen des HipHop wie soziale Ungleichheit, Protest und politische Anteilnahme werden in der Werbung für das 'Splash!'-Festival eher ausgeblendet", so Habscheid. Eben diese "Hyperstilisierung des HipHop" sei einer der Erfolgsfaktoren des Chemnitzer Festivals. Vom Szene-Kern werde diese stilisierende Inszenierung des HipHop zwar wahrgenommen und zuweilen auch kritisiert, insgesamt aber akzeptiert.

Hohe Kompetenz bescheinigt Habscheid den "Splash!"-Organisatoren bei der Öffentlichkeitsarbeit: "Die Macher des 'Splash!' sind sich ihrer Position als Funktionselite bewusst. Sie wissen, dass sie ihre Szene nach außen repräsentieren." Dies werde deutlich, wenn man verschiedene Pressekonferenzen besucht: "In der Pressekonferenz vor lokalen Medien werden eher Themen angesprochen, die allgemein die Organisation eines Großereignisses betreffen" - die Müllbeseitigung zum Beispiel, notwendige Straßensperrungen oder eine mögliche Lärmbelästigung. "In der Pressekonferenz während des Festivals hingegen, wenn eher Musikjournalisten anwesend sind, geht es mehr um die auftretenden Bands", erklärt Habscheid.

Interessant sei aber, so der Sprachwissenschaftler weiter, dass neben die Repräsentation der Szene in der Öffentlichkeit regelmäßig eine weitere Aufgabe auf die "Splash!"-Organisatoren warte: Sie müssen auch die Position der Öffentlichkeit in der Szene klar machen. "Neben die Inszenierung des Events tritt mitunter auch eine erzieherische Funktion gegenüber den Festival-Besuchern", führt Habscheid aus. So werde das Müllkonzept eben auch den Gästen erklärt oder es werden - wie in einem Text aus dem Festivalguide - die Besucher aufgefordert, rechtzeitig ihr Zelt aufzubauen. "Insgesamt erfüllen die Organisatoren des 'Splash!'-Festivals damit eine Mittler-Funktion zwischen der Szene und der breiteren Öffentlichkeit. Die besondere Schwierigkeit dabei ist, in alle Richtungen glaubwürdig zu bleiben. Aber das gelingt den 'Splash'-Machern bisher sehr gut", schätzt Habscheid ein. Insgesamt zeigten die Untersuchungen, dass durch die Vermittlung der Chemnitzer Festival-Veranstalter eine Veränderung in der Szene stattfinde: "Die jugendliche Musikkultur wird im Zuge der 'Eventisierung' von außen und von innen her transformiert."

Weitere Informationen erteilt PD Dr. Stephan Habscheid, TU Chemnitz, Germanistische Sprachwissenschaft, E-Mail stephan.habscheid@phil.tu-chemnitz.de, Telefon (03 71) 5 31 - 40 50.

Informationen zum "Splash!"-Festival: http://www.splash-festival.com

Mario Steinebach
26.07.2004

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