Wodurch englische Kochrezepte eine persönliche Note bekommen
Sprachwissenschaftliche Studie der TU Chemnitz zeigt, dass Personalpronomen in englischen Kochrezepten häufiger sind als gedacht – und oft persönliche Geschichten erzählen
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Wer Kochrezepte ansprechend präsentieren möchte, bebildert sie nicht nur. Von Vorteil ist auch eine verständliche und emotionale Beschreibung. In englischen Kochrezepten wird häufig eine persönliche Beziehung der Autorinnen und Autoren zu einem Rezept deutlich – unterstützt durch Personalpronomen. Foto: Bildarchiv der Pressestelle und Crossmedia-Redaktion/Uwe Meinhold (https://uhiesig.blogspot.com/)
Christina Sanchez-Stockhammer, Professorin für Englische und Digitale Sprachwissenschaft an der Technischen Universität Chemnitz, hat in einer Studie die Sprache in englischen Kochrezepten untersucht. „Eigentlich würde man erwarten, dass englische Kochrezepte überhaupt keine Personalpronomen wie ‚I‘ oder ‚you‘ enthalten“, erläutert die Linguistin. Schließlich heißt es darin zum Beispiel "Add potatoes and cover with salted water" – und nicht „YOU add potatoes and cover THEM with salted water”. Das liege daran, dass Aufforderungssätze das mitgedachte „you“ am Satzanfang weglassen und englische Kochrezepte beim Wiederaufgreifen einer Zutat wie „potatoes“ auf das sonst übliche „them“ ebenfalls verzichten. „Doch wenn man englische Kochrezepte aus dem Internet systematisch untersucht, findet man darin immerhin etwa halb so viele Personalpronomen wie sonst in der Sprache“, stellt die Linguistin für sie überraschend fest. Dabei hat „it“ oft eine grammatische Funktion, zum Beispiel in „It takes a bit of time, but it’s worth it“.
In ihrer Korpusstudie ermittelte die Wissenschaftlerin auch, wie oft die Personalpronomen in den einzelnen Teilen der 280 untersuchten englischen Kochrezepte vorkamen. In der Zutatenliste (die alle Rezepte hatten) gab es kaum welche, doch in der Einleitung (die es in 99,3% der Rezepte gab), war der Anteil an Personalpronomen sogar noch höher als in der englischen Sprache insgesamt. Ein Grund dafür: die Einleitung in englischen Kochrezepten erzählt häufig die persönliche Beziehung der Autorinnen und Autoren zu einem Rezept – wie die Geschichte von der eigenen Großmutter, die früher immer diesen besonderen Kuchen gebacken hat. „Nicht umsonst beklagen diverse englischsprachige Online-Foren, man müsse sich oft durch regelrechte Romane durchlesen, um zum eigentlichen Rezept vorzudringen“, sagt Sanchez-Stockhammer. Doch diese persönliche Gestaltung von Kochrezepten sei kein neues, von Koch-Blogs inspiriertes Phänomen des Internet-Zeitalters: So ermittelte die Studie unter anderem, dass ein australisches Kochbuch bereits 1864 bei Apfelklößen ins Schwärmen geriet („we hardly know anything better“).
Sanchez-Stockhammer bringt es auf den Punkt: „Kochrezepte stecken voller Emotionen. Sie sind nun einmal keine reinen Gebrauchsanweisungen – zumindest im englischen Sprachraum. Wer ein Kochrezept ins Internet stellt, möchte die Freude am Geschmack teilen und anderen Menschen ermöglichen, ein leckeres Gericht nachzukochen. Bei dieser Kommunikation über Zeit und Raum hinweg helfen Personalpronomen, eine Beziehung zwischen allen Beteiligten herzustellen.“
Eine unterhaltsame Zusammenfassung der Kochrezept-Studie mit den Geschichten hinter der Forschung erzählt die Sprachwissenschaftlerin in ihrem Wissenschaftspodcast „Linguistics Behind the Scenes“.
Podcast-Folge hören auf YouTube (https://www.youtube.com/watch?v=smYb0pm-1x8), Spotify (https://open.spotify.com/episode/4OGU0cbQqp9MjisAnySBJA) und Apple Podcasts (https://podcasts.apple.com/us/podcast/are-cooking-recipes-about-you-and-me-cookbook-linguistics/id1799779038?i=1000729402104).
Weitere Informationen zum Podcast „Linguistics Behind the Scenes“: https://www.tu-chemnitz.de/phil/english/sections/edling/sciencecommunication/podcast.php
Aufsatz kostenlos lesen: Christina Sanchez-Stockhammer. 2025. The linguistic functions of personal pronouns in online cooking recipes. Anglistik 36(2). 129-156. DOI: https://doi.org/10.33675/ANGL/2025/2/10
Fragen beantwortet Prof. Dr. Christina Sanchez-Stockhammer, Telefon +49 (0)371 531-32444, E-Mail christina.sanchez@phil.tu-chemnitz.de.
Stichwort: Englische Personalpronomen
Zu den englischen Personalpronomen zählen I, you, he, she, it, we, they (Subjektpronomen) sowie me, you, him, her, it, us, them (Objektpronomen). Sie werden im Englischen als Subjekt (handelnde Person) oder Objekt (Person oder Sache, auf die sich die Handlung bezieht) verwendet. „You“ kann sowohl als Singular als auch als Plural fungieren, während "it" sich auf Dinge, Tiere oder unpersönliche Objekte bezieht.
Mario Steinebach
02.10.2025