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„Der strategische Wettbewerb im und um den Weltraum findet über unseren Köpfen längst statt“

Dr. Antje Nötzold, Expertin für Sicherheitspolitik von der Professur Internationale Politik der TU Chemnitz, hat den ersten deutschsprachigen Sammelband zum Weltraum seit über 30 Jahren herausgegeben

Der Weltraum ist mittlerweile zur vierten Domäne der menschlichen Zivilisation – nach Land, Wasser und Luft – geworden. „Wirtschaftlich ist ein rasch expandierende kommerzieller Raumfahrtsektor unter dem Schlagwort NewSpace entstanden und auch sicherheitspolitisch ist das Thema alles andere als in fernen Dimensionen, sondern brisant und hochaktuell, wie die neue Dimension des Weltraums im Krieg in der Ukraine und die zunehmenden geopolitischen Spannungen zwischen den Großmächten im Weltraum verdeutlichen“, sagt  Dr. Antje Nötzold, Privatdozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur Internationale Politik der TU Chemnitz. Der Weltraum sei kritische Infrastruktur aller modernen Industrienationen und obwohl bisher kaum im öffentlichen Bewusstsein komme jeder von uns alltäglich mehrfach mit dem Weltraum in Berührung. Satelliten ermöglichen Kommunikation und Navigation, sie liefern Bilder und exakte Zeitsignale und sind somit nicht nur für jeden Staat von strategischer Bedeutung, sondern essentiell für unser tägliches Leben. „Gleichzeitig kann der Weltraum – insbesondere das erdnahen Orbit – nicht mehr als unbegrenzte Weiten charakterisiert werden, sondern ist geprägt durch Verdichtung, Internationalisierung, Kommerzialisierung und Versicherheitlichung. Der strategische Wettbewerb im und um den Weltraum findet über unseren Köpfen längst statt“, so Nötzold. Sie ist eine der deutschlandweit noch sehr wenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zu Sicherheit, Konflikten und Rivalität im Weltraum forschen, sowie Non-Resident Fellow am American-German Institute (AGI) an der Johns Hopkins University, Washington DC, Associate Fellow am CASSIS (Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies) der Universität Bonn und Mitglied im Forschungsnetzwerk SichTRaum (Sicherheit und Technologie im Weltraum).

Gemeinsam mit drei weiteren Kolleginnen und Kollegen hat sie kürzlich das Buch „Strategischer Wettbewerb im Weltraum: Politik, Recht, Sicherheit und Wirtschaft im All“, den ersten deutschsprachigen politikwissenschaftlichen Sammelband zum Weltraum seit dem Ende des Kalten Krieges herausgegeben. Ziel dieser Publikation ist, das grundsätzliche Bewusstsein für gegenwärtige Entwicklungen in der Raumfahrt und im Weltraum zu fördern und die gesellschaftliche, wirtschaftliche als auch militärische immanente Bedeutung des Weltraums aufzuzeigen – sowohl hinsichtlich der sich daraus ergebenden Chancen als auch der möglichen Risiken. „Weltraumbasierte Infrastruktur im Erdorbit erfüllt vielfältige und überaus wichtige Aufgaben, welche zum Funktionieren aller hochmodernen Industriegesellschaften unabdingbar geworden sind und Weltraumpolitik ist Teil der vollen Bandbreite internationaler Beziehungen im 21. Jahrhundert, getrieben von hochinnovativen Technologien, gesellschaftlichen Veränderungen, wirtschaftlicher Vernetzung, ökologischen Umwälzungen, aber auch von einem immer offener ausgetragenen strategischen Wettbewerb zwischen den großen Mächten“, sagt Nötzold.

Der Sammelband bildet die aktuellen Aktivitäten, rechtlichen Rahmenbedingungen, politischen und militärischen Konfliktlinien und Kooperationsräume sowie weiterführender Trends und Herausforderungen im Weltraum ab. Zum einen werden die rechtlichen, militärischen, wirtschaftlichen und technologischen Perspektiven auf den Bedeutungszuwachs dieser strategischen Domäne analysiert und zum anderen Handlungsfähigkeit und -bedarf ausgewählter Weltraummächte, ihre Kooperationsmöglichkeiten und Konfliktpotenziale sowie der internationale politische Regulierungsbedarf herausgearbeitet. Um sich diesem umfassenden, mehrdimensionalen Thema zu nähern ist der Sammelband in vier Bereiche strukturiert: Nach einer Bestandsaufnahme der Weltraumaktivitäten verschiedener Akteure werden Technologien, Trends und geopolitischen Konfliktlinien im Weltraum analysiert, gefolgt von einer Auseinandersetzung mit den Reaktionen westlicher Akteure auf die Bedeutungsverschiebung des Weltraums und einem abschließenden Blick auf multilaterale Regulierung von Weltraumaktivitäten und Notwendigkeiten der Weiterentwicklung.

Der fast 900-seitige Sammelband bringt 58 Autoren und Autorinnen aus Forschung und Praxis zusammen, wobei Dr. Anna Christmann (Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt im BMWK) einen politischen, Matthias Wachter (Geschäftsführer der BDI-Initiative NewSpace) einen wirtschaftlichen, Generalmajor Michael Traut (Kommandeur des Weltraumkommandos der Bundeswehr) einen militärischen und Anders Fogh Rasmussen (ehem. NATO-Generalsekretär sowie Premierminister von Dänemark) einen international-strategischen Blick auf den Wettbewerb im Weltraum und seinen Implikationen für Deutschland in ihren Vorworten einbringen.

„Die Beiträge dieses Sammelbands verdeutlichen, dass die deutsche und europäische Abhängigkeit von weltraumbasierter Infrastruktur für Kommunikation, Datenerfassung und Krisenreaktion in absehbarer Zukunft noch weiter steigen wird, während gleichzeitig die Anzahl der im Weltraum aktiven Staaten und kommerziellen Akteure ebenso wie die aus den Entwicklungen resultierenden Konflikte zunehmen werden“, schätzt Nötzold ein und ergänzt: „Angesichts dieser komplexen und weitreichenden strategischen Entwicklung müssen sich Deutschland und Europa auf ein umstrittenes und potentiell konfliktreicheres sicherheitspolitisches Umfeld im Weltraum vorbereiten und gilt es, der gerade in Deutschland vorherrschenden Weltraumblindheit zu begegnen.“

Veröffentlichung: Nötzold u.a. (Hrsg.): Strategischer Wettbewerb im Weltraum. Politik, Recht, Sicherheit und Wirtschaft im All, Springer VS, Wiesbaden 2024, https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-42602-6.

Multimedia:

Weitere Informationen erteilt PD Dr. Antje Nötzold, Professur Internationale Politik, Telefon 0371 531-35570, E-Mail antje.noetzold@phil.tu-chemnitz.de.

Mario Steinebach
06.06.2024

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