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Portugal in einem besonderen Fokus

An der TU Chemnitz wurde Portugal im Rahmen einer Tagung erstmalig aus einer deutsch-deutschen Perspektive betrachtet

  • Mann steht und spricht vor den sitzenden Zuhörern
    Die Agrarreform als Utopie der deutschen Linke: Michael Vester von der Universität Hannover beim Vortrag. Foto: Ana Troncoso

Anlässlich des Jubiläums der Nelkenrevolution, mit der vor 45 Jahren die Dikatatur in Portugal endete, lud die Professur Kultureller und Sozialer Wandel der Technischen Universität Chemnitz vom 4. bis 6. Dezember 2019 zur Tagung „Portugal im deutsch-deutschen Fokus“ ein. Die durch das Camões-Institut und die Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützte Konferenz war ein erster Schritt, die wissenschaftliche Aufarbeitung ost- wie westdeutscher Einflüsse auf die portugiesische Geschichte von der Diktatur und dem Kolonialkrieg über die Revolution hin zur Demokratie zusammenzuführen. Im Konferenzsaal des Zentrums für Materialien, Architekturen und Integration von Nanomembranen (MAIN) kam es in insgesamt fünf Panels sowie zwei Diskussionsrunden zu einem intensiven Austausch zwischen Sozial- und Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern mit Portugalschwerpunkt und deutsch-deutschen Protagonistinnen und Protagonisten, die sich in Portugal auf vielfältige Weise engagierten.

Kontakte und Einflussnahme im Kontext des Kalten Krieges

Nach der Begrüßung durch die Organisatoren der Tagung, Thomas Weißmann (TU Chemnitz) und Antonio Muñoz Sánchez (Instituto das Ciências Sociais Lissabon), referierte Hermann Wentker (Berliner Abteilung des Instituts für Zeitgeschichte) über die Westeuropapolitik der DDR, zu der auch die wissenschaftlich bisher kaum aufgearbeiteten Beziehungen der DDR zu Portugal zählen. Im Anschluss sprach Michael Dauderstädt, der langjährig in Portugal für die Friedrich-Ebert-Stiftung tätig war, über den westdeutschen Beitrag zur Europäisierung der portugiesischen Wirtschaft.

Im folgenden Panel thematisierte Nils Schliehe (Universität Hamburg) die massive bundesdeutsche Unterstützung des portugiesischen Kolonialkriegs, während Thomas Weißmann den Fokus auf die Kontakte der DDR zu der im Untergrund agierenden kommunistischen Partei Portugals legte und Antonio Muñoz Sánchez die Grundzüge der 1974 stattfindenden Nelkenrevolution skizzierte. Diesen Vortrag griffen im Anschluss Bernd Rother (Willy-Brandt-Stiftung) sowie Gert Peuckert (ehemaliger Mitarbeiter der DDR-Botschaft in Portugal) auf und erklärten anschaulich, wie beide deutsche Staaten auf die Nelkenrevolution reagierten und diese letztendlich in ihrem Verlauf von den Mechanismen des Kalten Krieges entscheidend beeinflusst wurde.

Ein weiteres Panel brachte durch Vorträge von Michael Vester (Universität Hannover) und Regina Grajewski (Thünen-Institut Braunschweig) die portugiesische Agrarreform auf die Tagesordnung, die bei parteiungebundenen bundesdeutschen Linken auf große Sympathie stieß. Die anwesenden Mitglieder ehemaliger Solidaritätsgruppen aus Bielefeld und Hamburg bereicherten die Diskussion mit lebendigen Berichten über ihr eigenes Engagement im Portugal der 1970er und 80er Jahre.

Zum Abschluss standen Kontaktzonen im Vordergrund, wobei Uwe Optenhögel (Foundation for European Progressive Studies) deutsche Einflüsse auf die Entwicklung der portugiesischen Gewerkschaften skizzierte, Svenja Länder (Bucerius Law School Hamburg) die portugiesische Migration in die Bundesrepublik thematisierte und Thomas Weißmann auf die Rolle des Sportes in den Portugal-DDR-Beziehungen einging.

Durch das Lissabon der sechziger und siebziger Jahre

Abgerundet wurde die Tagung durch eine Diskussion über das revolutionäre Portugal mit Henry Thorau (Universität Trier), Michael Vester sowie Rainer Bettermann (Universität Jena), der als Lektor für die Associação Portugal-RDA (Freundschaftsgesellschaft Portugal-DDR) arbeitete. Eine weitere Zeitzeugenschaft stellte der Vortrag des Geographen Bodo Freund dar, der auf 54 Jahre Portugalerfahrung zurückblickte und die Anwesenden unter anderen auf einen Spaziergang durch Nordportugal sowie das Lissabon der sechziger Jahre mitnahm.

Am Ende der Tagung zog Thomas Weißmann eine positive Bilanz: „Knapp 30 Jahre nach Ende der deutschen Zweistaatlichkeit war es möglich, über ein ideologisch höchst sensibles Thema in angenehmer Atmosphäre zu diskutieren. Für mich als Nachwuchswissenschaftler, aber auch für die damaligen Protagonistinnen und Protagonisten war es besonders erkenntnisreich, portugiesische Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten.“

Weitere Informationen erteilt Thomas Weißmann, Telefon 0371 531-34343, Mail thomas.weissmann@phil.tu-chemnitz.de

(Autor: Thomas Weißmann)

Mario Steinebach
10.12.2019

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