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Wenn weniger mehr ist: Das helle Leuchten im Nanometerbereich

Erfolgreiches Trilat-Projekt vereint Forschende aus der Ukraine, Russland und Deutschland - Professur Halbleiterphysik der TU Chemnitz ist dabei ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt

“Wir kennen keine Probleme, nur Herausforderungen.” Mit diesem Motto führt Prof. Dr. Dietrich RT Zahn seit nun mehr als 25 Jahren die Professur Halbleiterphysik an der Technischen Universität Chemnitz. In dieser Zeit wurde er nicht nur ein international anerkannter Forscher auf dem Gebiet der Nanophysik, auch seine Arbeitsgruppe ist Anziehungspunkt für talentierte junge Forscherinnen und Forscher aus dem Ausland und für internationale Kooperationen. Ein herausragendes Beispiel für eine solche Zusammenarbeit ist das trilaterale Projekt “New functionalities of semiconductor nanocrystals by controllable coupling to molecules”, das von der VolkswagenStiftung gefördert wird (2016-2019). Das sogenannte Trilat-Programm wurde von der VolkswagenStiftung zu dem Zeitpunkt initiiert, als die Spannungen in den Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland zunahmen. Es zielt insbesondere auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus beiden Ländern mit Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und deren Integration in den europäischen Wissenschaftsraum.

Unter Chemnitzer Führung fokussiert das Trilat-Projekt darauf, die Eigenschaften extrem kleiner Halbleiter-Nanokristalle (Durchmesser < 5 nm, d. h. < 1/10.000 Haardurchmesser) und die Wechselwirkungen von Licht mit Materie auf der Nanoskala aufzudecken. Das Konsortium aus 16 Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, darunter fünf Studierende und Doktoranden, hat eine ganze Reihe neuartiger Nanokristalle mit vielversprechenden Eigenschaften entwickelt. Nanokristalle finden z. B. Anwendung in licht-absorbierenden und -emittierenden Bauelementen wie Solarzellen und Leuchtdioden sowie in chemischer Katalyse und als Biomarker.

In Halbleiter-Nanokristallen sind typisch 50 Prozent der Atome oder mehr an der Kristalloberfläche und diese müssen durch Moleküle, sogenannte Liganden, abgesättigt werden, um zu verhindern, dass die Nanokristalle zu größeren Mikrokristallen zusammenkleben. Die Liganden passivieren nicht nur die Nanokristalloberfläche sondern verleihen den Nanokristallen neue Funktionalität und verändern die Wechselwirkung mit Licht und der Umgebung. Die wissenschaftliche Idee des Projekts liegt in der Optimierung der Doppelrolle der Liganden, nämlich als Stabilisatoren der Nanokristalle und als Verbindungselemente zwischen Nanokristallen und anderen Elementen in zukünftigen Bauelementen. Die Liganden, die vom Trilat-Team eingesetzt werden, erlauben es, die Nanokristalle umgehend in Herstellungsprozessen z. B. von Solarzellen einzusetzen. Ein interessantes Ergebnis der Trilat-Forschung sind Liganden-stabilisierte ultrakleine Halbleiter-Nanokristalle mit einer erstaunlichen Effizienz von über 50 Prozent für die Licht-Emission. Das gilt sogar für intrinsisch defektreiche Verbindungen wie Ag-In-S, die in ihrer Volumenform kaum Licht emittieren. Die sorgfältige Auswahl der Liganden erlaubt es darüber hinaus, die Nanokristall-Synthese in wässriger Lösung durchzuführen, und somit die Umweltbelastung, die mit den sonst üblichen Synthesen einhergeht, zu vermeiden. Die Synthese-Ansätze werden auch genutzt, um stark Licht-absorbierende Nanokristalle aus quaternären Verbindungen wie Cu2ZnSnS4 herzustellen, die unkompliziert und skalierbar in der Form druckbarer Tinten für Solarzellen, Thermoelektrik oder Energiespeicherung der nächsten Generation eingesetzt werden können. Auch auf dem Gebiet der Charakterisierung von Nanokristallen wurden im Trilat-Projekt enorme Fortschritte gemacht und in optischer Spektroskopie Verstärkungsfaktoren im Bereich von 106 und laterale Auflösung im Nanometerbereich erreicht, so dass einzelne Nanokristalle untersucht werden können. Die sogenannte Raman-Spektroskopie ist zwar eine Methode der chemischen und strukturellen Analyse, die vielfältige Einsatzbereiche von Materialwissenschaften über Halbleitertechnologie bis zu Forensic, Kunst und Medizin hat, aber die bei der Untersuchung von Nanoobjekten durch das optische Aufösungsvermögen begrenzt ist. Dem Trilat-Team ist es gelungen, diese Grenze zu überwinden und neue Wege in der Charakterisierung von Nanoobjekten zu beschreiten. In Erinnerung an den berühmten Physiker Richard Feynman und seine Vorlesung “There's Plenty of Room at the Bottom: An Invitation to Enter a New Field of Physics" können die Chemnitzer Forscherinnen und Forscher nun durch die neuen Ansätze im Trilat-Projekte sagen: “We have made light to shine brighter at the bottom of the nanoscale.”

Mit den umweltfreundlich hergestellten Nanomaterialien am unteren Ende der Nanometerskala trägt das Trilat-Team wesentlich zum globalen Technologietrend hin zu weiterer Miniaturisierung von Bauelementen und nachhaltigen Herstellungsprozessen bei. Als Trendsetter werden die Veröffentlichungen des Konsortiums zunehmend zitiert und Mitglieder des Trilat-Teams zu Vorträgen eingeladen. Die wissenschaftlichen Erfolge des Deutsch-Russisch-Ukrainischen Forschungskonsortiums und das hohe individuelle Niveau der Trilat-Mitglieder wird nicht nur von internationalen Experten anerkannt sondern auch auf nationaler Ebene gewürdigt. So erhielt der ukrainische Projektleiter, Dr. Sci. Volodymyr Dzhagan, den Staatspreis der Ukraine in 2018 und der russische Projektleiter, Prof. Alexander Milekhin, wurde zum Vizepräsidenten zuständig für Forschung an seinem Akademieinstitut in Novosibirsk gewählt. Zudem zählten die Trilat-Ergebnisse zu den wenigen ausgewählten, die vom Präsidenten der russischen Akademie der Wissenschaften, Professor Alexander Sergejev, vor kurzem auf der Jahrestagung der Akademie in Moskau vorgestellt wurden.

Das Trilat-Projekt ist eine solide Basis für die Stärkung und den Ausbau der existierenden trilateralen Kooperation. Frühere Mitglieder der Teams aus Kiew und Novosibirsk, Oleksandr Selyshchev und Ilya Milekhin, sind inzwischen Doktoranden in der Professur Halbleiterphysik an der TU Chemnitz. Angeregt durch die Trilat-Kooperation wurden Kontakte zu weiteren Kollegen geknüpft wie Dr. Evgenii Havryliuk und Prof. Serhey Kondratenko, beide aus Kiew, deren Forschungsaufenthalte in Chemnitz durch den DAAD finanziert wurden. Zudem konnte auf Basis der Trilat-Ergebnisse erfolgreich ein DFG-Projekt eingeworben werden.

Die Zusammenarbeit zwischen der Halbleiterphysik und den Halbleiterinstituten, A.V. Rzhanov Institute of Semiconductor Physics of Russian Academy of Sciences und V. Lashkaryov Institute of Semiconductor Physics of the National Academy of Sciences of Ukraine, besteht seit Jahrzehnten. Die Gründe für das stetige Wachstum der wissenschaftlichen Kooperation liegen in der Ähnlichkeit der Denkansätze, dem Finden von geeigneten Kompromissen, dem Verständnis der wissenschaftlichen Partnerschaft als Schlüssel zum Erfolg. Das Trilat-Team ist der VolkswagenStiftung dankbar, dass sie das Potential des Konsortiums durch die Förderung dieses aktuellen und spannenden Forschungsthemas anerkannt hat.

Vom 13. bis 15. Mai 2019 veranstaltete die VolkswagenStiftung ein Statusmeeting des Trilat-Programms in Radebeul bei Dresden, an dem alle 37 Trilat-Projekte teilnehmen und ihre Ergebnisse und Erfahrungen mit dem Trilat-Programm austauschen und die VolkswagenStiftung über die Weiterführung des Trilat-Programms entscheiden wird.

(Quelle: Trilat-Team Chemnitz)

Mario Steinebach
15.05.2019

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