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Simulationsmodell für Aufschäumreaktion entwickelt

TU-Wissenschaftler realisieren simulationsgetriebenen Mehrkomponenten-Leichtbau und erschließen großes Anwendungsfeld

Polyurethan(PUR)-Schaumstoff begegnet im Alltag auf vielfältige Weise: in Polsterstühlen, Matratzen, als Dämmstoff und sogar als Baumaterial. Die Herstellung der Schäume gilt in Expertenkreisen als komplex. Verlässliche Simulationen der chemischen Aufschäumreaktion sind rar. Das ändert sich nun, denn ein Forschungsteam der Technischen Universität Chemnitz kombinierte Schaum und Textil als zukunftsweisenden Materialmix mit herausragenden Eigenschaften für den Leichtbau in einem speziellen Fertigungsverfahren. Dafür entwickelten sie erstmals gemeinsam mit einem Team des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) Kaiserslautern das Simulations-Tool „FOAM“.

Dank der Software „FOAM“ können die Forschenden nun das Aufschäumverhalten konkret simulieren und somit auch das entstehende Material verlässlich charakterisieren. Für die Hersteller von PUR-Schäumen bedeutet das in kurzer Zeit und mit wenig Aufwand verlässliche Aussagen über neue Produkte – noch vor deren eigentlicher Fertigung – treffen zu können.

Bahnbrechender Erfolg

So gelang den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der Stiftungsprofessur Textile Kunststoff- und Hybridverbunde (TKV) innerhalb der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung (SLK) der TU Chemnitz ein bahnbrechender Erfolg: Sie entwickelten neuartige Werkstoffverbunde aus PUR-Schaum mit integrierten Textilien, sogenannten „Abstandsgewirken“. Diese bestehen aus zwei textilen Flächen, die von senkrecht angeordneten sogenannten „Monofilen“ aus Polyester, ein einfädiges Garn, auf einer bestimmten Distanz zueinander gehalten werden. Durch diesen Aufbau werden die textilen Flächen um die dritte Dimension erweitert – häufig auch als „3D-Gewirke“ bezeichnet. „Unser Ziel war es, den Schaumstoff 3D-endlos mit textilen Abstandgewirken zu verstärken und dessen Fertigung zu optimieren“, erläutert Kay Schäfer vom Chemnitzer SLK-Lehrstuhl. Bisher seien nur 2D-Verstärkungen üblich, doch die neue Kombination biete bessere mechanische Eigenschaften, eine höhere Festigkeit und Steifigkeit sowie eine bessere Schadenstoleranz, zählt Schäfer auf.

Die Professur SLK führte die experimentellen Untersuchungen zur Charakterisierung der chemischen Reaktion und Schaumausbreitung durch. Das Fraunhofer-Institut war für den mathematischen Hintergrund des geschaffenen Simulations-Tools verantwortlich.

Kleine Blasen, dichter Schaum: Optimierung des Herstellungsverfahrens dank Simulations-Software

Der Fokus der Arbeiten der Chemnitzer Stiftungsprofessur TKV und des Fraunhofer ITWM lag auf der Entwicklung und Simulation des speziellen Fertigungsverfahrens. Bei diesem werden die Chemikalien Polyisocyanat und Polyolformulierung über Schläuche in einen Mischkopf geleitet und von dort in ein Formwerkzeug eingespritzt. Dieses enthält bereits ein textiles Abstandsgewirke aus Polyester-Fasern. Im Werkzeug reagieren die beiden Flüssigkeiten miteinander. Dabei entstehen ein vernetzter Kunststoff sowie Kohlenstoffdioxid, welches den Kunststoff aufschäumt. Das eingelegte Textil bildet zugleich einen Widerstand, was Auswirkungen auf die Schaumbildung und die Schaumstruktur hat. Das heißt konkret: Die Blasen werden kleiner, der Schaum dichter. Das Abstandsgewirke wird vollständig vom Schaum infiltriert und verleiht so der gefertigten Struktur ihre prägnanten Festigkeits- und Steifigkeitseigenschaften. Kay Schäfer: „Je nach Art und Härte der Schäume und Abstandgewirke können die Materialverbunde sehr unterschiedlich gestaltet werden und sind damit für vielfältige Anwendungen mit unterschiedlichsten Eigenschaften geeignet.“

Neue Anwendungsfelder dank textiler Verstärkung

PUR-Hartschaumstoffe brechen spröde, wenn es zur entsprechenden Belastung kommt. Dank der textilen Verstärkung verformen sie sich nun lediglich, brechen aber nicht mehr. Dadurch entstehen völlig neue Anwendungsfelder, beispielsweise findet der Materialverbund Einsatz im Automobilsektor: „Für einen Fahrzeugsitz dient der Schaum dann nicht mehr als Polsterung, sondern als fester und steifer Kern in einer sogenannten Sandwichstruktur, also einem geschichteten Materialverbund“, erklärt Forscher Jonas Stiller. Derartige Schaum-Textil-Tragstrukturen für bewegte Bauteile finden bereits Anwendung in Projekten, die die Chemnitzer Forscher und Forscherinnen mit Industriepartnern für Leichtbau-Anwendungen bearbeiten.

Weitere Informationen erteilt Kay Schäfer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung, Tel. +49 (0)371 531-33749, E-Mail kay.schaefer@mb.tu-chemnitz.de

(Autorin: Diana Schreiterer, Quelle: Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) Kaiserslautern: "Polyurethan-Schäume zuverlässig simulieren")

Matthias Fejes
29.11.2018

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