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Nachts in der Uni: Der spannende Weg zur Entscheidung

"Election Night 2016" zur Präsidentschaftswahl in den USA - Universitätsseminar lockte mit Fachvorträgen, Podiumsdiskussion, Live Stream sowie Quiz und amerikanischem Imbiss - Donald Trump gewinnt

Was passiert in einem Jahr, das durch vier teilbar ist, am Dienstag nach dem ersten Montag im November? Die Antwort: In den USA wird gewählt, so auch am 8. November 2016. Im Mittelpunkt steht die Frage, wer das künftige Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten von Amerika wird. Ist es die Demokratin Hillary Clinton, die bereits sowohl als Secretary of State als auch als First Lady fungierte, oder der Unternehmer Donald Trump, der in der Immobilien- und Unterhaltungsbranche tätig ist und für die Republikaner ins Rennen geht? Mitgefiebert wurde weltweit bei der Präsidentschaftswahl - auch an der Technischen Universität Chemnitz, wo die Professur Europäische Regierungssysteme im Vergleich zur "Election Night" ins Hörsaalgebäude eingeladen hatte. Unterstützt wurde die Veranstaltung von der Hanns Martin Schleyer-Stiftung im Rahmen der Förder-Initiative „Dialog Wissenschaft und Praxis“.

An diesem Abend wanderte das Mikrofon von Experte zu Experte. Drei Professoren der TU berichteten aus unterschiedlicher Perspektive. Mehrere Gäste aus Frankfurt/Main, Mittweida und Chemnitz diskutierten auf dem Podium. Eine Liveschaltung zu einem Gesprächspartner in Großbritannien rundete die "Election Night" ab.

Die "Election Night 2016": Der Blick von außen

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Prof. Dr. Maximilian Eibl, Prorektor für Lehre und Internationales der TU Chemnitz, die mehr als 200 Gäste. Er berichtete aus erster Hand von seinen Eindrücken aus den USA, denn er ist seit August 2016 Visiting Scholar an der University of California in Berkeley. "Viele Amerikaner betrachten die Wahl und die Zeit danach mit einer gewissen Ratlosigkeit", so sein Eindruck. Da die Wahl in Kalifornien mit dem Sieg von Clinton bei der Vorwahl im Juni bereits entschieden wurde, habe er kaum Wahlwerbung wahrgenommen. Er wünschte allen eine spannende Wahlnacht. Im Anschluss erläuterte Prof. Dr. Stefan Garsztecki, Dekan der Philosophischen Fakultät, welche Themen im Zusammenhang mit dem Wahlausgang für ihn in einem besonderen Fokus stehen. Als Beispiele nennt er die Art der Ökonomie, das Verhältnis zu den Medien und die Auswirkungen des Wahlergebnisses auf das Verhältnis der USA zu Europa und Deutschland.

Danach begann der erste der drei Impulsvorträge: Prof. Dr. Eric Linhart von der Professur für Politische Systeme der TU Chemnitz erklärte die Grundlagen der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl. Gewählt wird heute nicht Clinton und auch nicht Trump. Gewählt werden lediglich die 538 Wahlmänner. Diese treffen sich erst in 41 Tagen zur Abstimmung. Der zukünftige US-Präsident bzw. die zukünftige US-Präsidentin braucht also nicht die Mehrheit der Wähler, sondern die Mehrheit der Wahlmänner. Es gilt das Prinzip „The Winner takes it all“. Der Kandidat, der am 19. Dezember mehr als die Hälfte, also 270 oder mehr, Wahlmännerstimmen auf sich vereint, hat gewonnen. Falls keine absolute Mehrheit erreicht wird, fällt die Entscheidung im Repräsentantenhaus.

Als nächstes ergriff Prof. Dr. Klaus Stolz, Professur für British and American Cultural/Social Studies, das Mikrofon. Er ging der Frage nach „Was braucht es, Präsident zu werden?“, indem er Karriereremuster amerikanischer Präsidenten miteinander verglich. Er beleuchtete aber auch diesen Aspekt bei britischen Premierministern und deutschen Bundeskanzlern. Was fällt auf? „US-Präsidenten hatten weniger Vorerfahrungen in der Legislative und in der Exekutive“, so Stolz. Trump und Clinton repräsentieren Extrempole. "Trump hat so gut wie keine politischen Erfahrungen, stellt sich aber gern als Anwalt des einfachen Volkes dar. Clinton verfügt über acht Jahre Erfahrung im Kongress und gehört seit 20 Jahren zum Washingtoner Establishment", so die Einschätzung. Der anschließende Vortrag von Prof. Dr. Friedrich Thießen, Inhaber der Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, streift abseits vom Wahlabend das Thema „Das Silicon Valley: Kaderschmiede, Trendsetter, Weltbeherrscher?“. Skalierbare Geschäftsmodelle seien enorm wichtig: "Wer in diesem Teil der USA Erfolg haben will, muss Produkte und Leistungen anbieten, die mit minimalem Mehraufwand eine riesige Zahl zusätzlicher Kunden befriedigen können", so Thießen. "Nur dann geben Investoren Geld". Jährlich werden im Silicon Valley 15 Milliarden US-Dollar Wachstumskapital investiert.

Nach der ersten Kaffeepause begrüßte auch der Rektor der TU Chemnitz, Prof. Dr. Gerd Strohmeier, die mittlerweile mehr als 300 Gäste herzlich im Hörsaal. Zudem dankte er allen Organisatoren der "Election Night" ganz herzlich. Per Videokonferenzschaltung wurde dann Dr. Christian Schweiger von der Durham University zugeschaltet, der über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen unter Clinton oder Trump vortrug. Nach seiner Einschätzung stehe Clinton mehr in der Tradition transatlantischer Beziehungen. „Clinton würde die NATO nicht auflösen wollen, sie fordert aber ein stärkeres europäisches Engagement in Krisensituationen“, so Schweiger. Trump sei wesentlich unberechenbarer als Clinton, seine Haltung zur NATO bleibe unklar. „Trumps Einstellung zu Russlands außenpolitischer Rolle droht die EU zu spalten“, meinte Schweiger. Die größte Herausforderung sei es künftig für die europäischen Staaten, dem Attraktivitätsverlust von Europa als Sicherheits- und politischer Partner für die USA zu begegnen.

Die "Election Night 2016": Spannende Diskussion

Frisch gestärkt mit einem typisch amerikanischem Imbiss ging es weiter mit der nächsten Etappe der "Election Night 2016" an der TU Chemnitz: Markiert der aktuelle US-Wahlkampf einen der polarisiertesten und niveauärmsten in der Geschichte der Vereinigten Staaten? Die vergangenen TV-Debatten zwischen Clinton und Trump, die Berichterstattung der Print- und Onlinemedien und besonders deutlich, der Schlagabtausch über Social Media-Dienste wie Facebook oder Twitter, lassen kaum ein gegensätzliches positives Resümee zu. Diese, den gesamten Wahlkampf überschattende Aussage diente auch als Startpunkt für die Podiumsdiskussion. Prädestiniert für eine Antwort aus den Reihen der Diskussionsrunde war Sascha Aurich, Ressortleiter Newsdesk der Freien Presse, Chemnitz. „Dieser Wahlkampf war in höchstem Maße unflätig, geprägt von wenigen wirklich politischen Debatten und durchzogen von unzähligen Entgleisungen auf persönlicher Ebene. Mittlerweile teile ich wahrscheinlich mit vielen die Meinung – Lass diesen Wahlkampf endlich vorbei sein –“, zog der Journalist Bilanz. „Dieser sehr auf Polarisierung ausgelegte Wettbewerb um Wählerstimmen nützte im Endeffekt aber vor allem Trump, er hat damit die Agenda gesetzt“, ergänzt Aurich. Michael Partmann, Referent im Büro des Rektors der TU Chemnitz, fügte hierzu weiter an, dass „der Erfolg von Trump im Umkehrschluss auch einen Erfolg für die Medien darstellt. Jede Rede von Donald Trump generiert so viel mediale Aufmerksamkeit, dass als positives Resultat für die Medien hohe Auflagen und hohe Einschaltquoten die Folge sind“.

Gerade mit Blick auf die zukünftige Regierungsfähigkeit der Administration stellte Moderatorin Janine Schütze die Frage, wie sich eine „geteilte Regierung“, also z.B. ein demokratisches Staatsoberhaupt und ein republikanischer Senat, auswirken würde. „Es würde wahrscheinlich absolute Behinderung herrschen“, entgegnete Dr. Melanie Kintz. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für British and American Cultural/Social Studies der TU Chemnitz fügte außerdem hinzu: „Sollte Hillary Clinton Präsidentin werden, stünden ihr unter einem republikanisch dominierten Senat harte Zeiten bevor“. Eine Einschätzung aus der Sicht einer gebürtigen US-Amerikanerin über den Kampf Clinton gegen Trump lieferte Marcia MacHarg. Die Partnerin im Ruhestand und Beraterin im Frankfurter Büro der Kanzlei Debevoise & Plimpton LLP sagte hierzu nüchtern: „Beide Kandidaten versuchen, mit aller Macht so viele Stimmen wie möglich zu sammeln. Die entscheidende Zahl ist die 270. Genau so viele Stimmen aus dem Wahlmännergremium oder Electoral College muss ein Kandidat auf sich mindestens versammeln, um zu siegen.“ Besonders mit Hinblick auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa ist im Vorfeld viel prognostiziert worden. Christoph Neuberg von der Industrie- und Handelskammer Chemnitz zeigte sich vor allem aus unternehmerischer Sicht skeptisch. „Egal ob Clinton oder Trump, der Freihandel zwischen den USA und Europa würde unter beiden Regierungen einen schweren Stand erleben“, äußerte sich der Geschäftsführer für Industrie und Außenhandel. Prof. Dr. Volker Tolkmitt, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Mittweida, schloss sich dieser Meinung an und erklärte, dass „der aufkommende Protektionismus in wirtschaftlichen Belangen bei beiden Kandidaten sehr ausgeprägt ist. Dem Außenhandel würde es sprichwörtlich die Sprache verschlagen“. Neuberg erwähnte aber auch, dass die US-Industrie ein stetes Interesse an Produkten aus der Region Sachsen hat und sich dies durch große Nachfrage äußert. „Die USA sehen bei uns viel Potenzial, besonders im Fokus sind Produkte aus den Bereichen Infrastruktur, Maschinenbau, Umwelttechnik etc.“, erläuterte er. Die entscheidende und abschließende Frage stellte Moderatorin Janine Schütze an das gesamte Plenum: „Wer wird der nächste Präsident der Vereinigten Staaten?“. Bis auf einige wenige Ausnahmen standen die Teilnehmer geschlossen hinter Hillary Clinton.

Als letzter Programmpunkt auf der Agenda der "Election Night 2016" stand ein Quizspiel für alle Teilnehmer, bei dem zum Beispiel abgefragt wurde, welches die Symbolfiguren der demokratischen und republikanischen Partei sind, in welchen Bundesstaaten traditionell demokratisch oder republikanisch gewählt wird und wann das erste TV-Duell zwischen welchen Präsidentschaftskandidaten stattfand. Danach begann die Übertragung der CNN-Wahlnacht mit einer Live-Kommentierung durch Michael Partmann. Bis kurz vor 3 Uhr waren noch etwa 40 Zuschauer im Hörsaal, danach leerte sich der Raum.

Hat Donald Trump gegen Hillary Clinton gewonnen?

Um 6 Uhr war noch immer nicht klar, wer künftig ins Weiße Haus einzieht. Nur ein Trend zeichnete sich deutlich ab: Hillary Clinton war als klare Favoritin in den Wahlabend gegangen - inzwischen hatte sich das Rennen aber grundlegend verändert. Die Schlüsselstaaten Florida, Ohio und North Carolina gehen wohl an Donald Trump, weitere Erfolge könnten für ihn folgen. Der mögliche Sieg Trumps sendete Schockwellen durch die Finanzmärkte. Kurz nach 8 Uhr: Nachdem auch Pennsylvania mehrheitlich für den Republikaner gestimmt hat, fehlen Trump nur noch wenige Stimmen zum Sieg. Gegen 8.30 Uhr ist klar: Donald Trump gewinnt die Wahl. Er wird der 45. Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika.

Das Programm der „Election Night“ auf einen Blick: https://www.tu-chemnitz.de/phil/politik/eur/forschung/election-night-2016.php (Hinweis: Das Ende der "Election Night" ist davon abhängig, wie knapp die Hochrechnungen in den einzelnen Bundesstaaten ausfallen.)

Mehr aktuelle Informationen: US-Präsidentschaftswahl im Live-Stream der ARD und auf CNN.

(Autoren: Mario Steinebach, Lars Meese)

Mario Steinebach
09.11.2016

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