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Das Studium als Türöffner zu mittelalterlichen Kampfkünsten

Germanistikstudent Thore Wilkens rekonstruiert als Trainer der Blossfechter zu Chemnitz historische Kampftechniken anhand von Schriften aus dem 15. und 16. Jahrhundert

  • Gemeinsam mit Cornelius Berthold (l.) leitet Germanistikstudent Thore Wilkens die Gruppe der Blossfechter zu Chemnitz, die seit ungefähr sechs Jahren existiert. In dieser Zeit konnten sie viel über den Umgang mit den Waffen lernen und trauen sich auch schon mal ohne Fechthelme in den Kampf. Foto: Tobias Naumann
  • Im Freikampf, bei dem im Vorhinein keine Absprachen über Art und Einsatz der Kampftechniken erfolgen, greifen die Mitglieder der Blossfechter neben dem Fechthelm auch auf Schutzmaßnahmen für den gesamten Körper zurück. Foto: Tobias Naumann
  • Die beiden Trainer der historischen Fechtgruppe "Blossfechter zu Chemnitz": Thore Wilkens (l.) und Cornelius Berthold. Studium und Freizeit lassen sich für Germanistikstudent Thore Wilkens oft nicht voneinander trennen: Die Auseinandersetzung mit mittelalterlichen Schriften ist beiderseits präsent. Foto: Laura Richter
  • Viele Jahrhunderte alte Quellen liefern den historischen Fechtern die Basis ihres Kampftrainings. Hier sind Bilder aus dem Werk des Fechtmeisters Hans Talhoffer von 1467 zu sehen. Quelle: das Werk des Fechtmeisters Hans Talhoffer. Signatur: BSB Cod. Icon 394a, Bayerische Staatsbibliothek, München. Datiert auf 1467
  • Quelle: das Werk des Fechtmeisters Hans Talhoffer. Signatur: BSB Cod. Icon 394a, Bayerische Staatsbibliothek, München. Datiert auf 1467
  • In einem Special der Germanistik boten die "Blossfechter zu Chemnitz" auch beim letzten "Tag der offenen Tür" an der Uni mittelalterliche Kampfkünste zwischen Mordschlag und Straßenschlägerei und erläuterten, wie sich aus historischen Handschriften die Kenntnisse über alte Kampftechniken ableiten lassen. Foto Philip Knauth

Blitzschnell stürmt Clive Owen alias "King Arthur" im gleichnamigen Film auf Cedric den Sachsenkönig zu. Leichtfüßig, trotz eiserner Rüstung, begegnet er jedem der feindlichen Gegenschläge und seine mächtigen, weit ausgeholten Hiebe prasseln unaufhörlich auf den Kontrahenten ein. Nach kurzer dramatischer Wende holt Arthur dann letztlich in rasender Schnelligkeit zum alles entscheidenden Schlag aus und streckt Cedric am Ende mit seinem "Langschwert" nieder. Diese und ähnliche Kampfszenen, die von Hollywood für das Kinopublikum inszeniert werden, können Thore Wilkens und seine Trainingsgruppe der "Blossfechter" aus guten Gründen nicht ganz so ernst nehmen.

Realität statt Hollywood

Seit 2009 finden sich die historischen Fechter um Germanistikstudent Thore Wilkens dreimal pro Woche zu Trainingseinheiten in Chemnitz zusammen. Gemeinsam mit Cornelius Berthold, Doktorand der Arabistik an der Universität Leipzig, leitet der 27-Jährige die achtköpfige Gruppe. Überspitzte Dramatik und Zurschaustellung wie im Film sind in Bezug auf die Praktizierung der mittelalterlichen Kampftechniken Fremdworte für die Mitglieder. "Im Vordergrund steht vor allem eine sportdidaktische Sinnvermittlung. Daneben geht es aber auch darum, Kampftechniken verschiedener Epochen, insbesondere des Mittelalters, mithilfe historischen Quellenmaterials wissenschaftlich zu rekonstruieren. Dennoch können sich die Mitglieder der Gruppe natürlich ebenso nur mit der Ausübung des Fechtens befassen, wenn sie das wollen", erklärt Thore Wilkens. Die Basis des Trainings stelle jedoch das authentische Quellenmaterial dar, was in der Regel ein grundlegender Gegensatz zu den Filmszenen Hollywoods sei. Hierzu merkt der Student an: "Große Schläge, die schnell hintereinander gegen jemanden ausgeführt werden, wie man sie auch in den Filmen sieht, sind bei der realen Ausübung der Kampfkünste gar nicht notwendig und dienen eigentlich nur zur Schau." Der historische Begriff "Blossfechter", unter dem national noch weitere Gruppen tätig sind, stammt ungefähr aus dem 15. Jahrhundert und verweist darauf, dass der Fechter ohne Rüstung in den Kampf tritt. Auf mittelalterliche Kostüme verzichten die Gruppenmitglieder deshalb auch. Dennoch müssen die Blossfechter des 21. Jahrhunderts kleine Authentizitätsabstriche zugunsten der eigenen Sicherheit machen, möchte man zumindest auf den ersten Blick meinen. So müssen sie beispielsweise im Kampf mit "Zweihandschwert" oder der Kombination aus Schwert und "Bucklerschild" auf Fechtmasken zurückgreifen. Überdies sind auch die Waffen zum Schutz natürlich nicht geschärft. Thore Wilkens erklärt: "Man muss sich darüber im Klaren sein, dass überhaupt erst die Schutzausrüstung eine möglichst authentische Ausführung der Techniken erlaubt."

Die Brücke zwischen Studium und Hobby

Bevor die Kampfkünste jedoch von den Fechtern eingeübt werden können, steht zunächst die Auseinandersetzung mit den historischen Originalquellen an. Hier erweist sich Wilkens Germanistikstudium als äußerst nützlich, denn auch da müssen sich die Studenten mit mittelalterlichen Hand- und Druckschriften intensiv auseinandersetzen. Auf den Spuren der Vergangenheit gilt es, zunächst die Texte der Fechtbücher, in denen die Taktiken und technischen Aspekte des erfolgreichen Blossfechtens dargestellt werden, zu transkribieren. Dabei wird das Schriftbild aus vorwiegend frühneuhochdeutschen Werken des 15. bis 16. Jahrhunderts, wie zum Beispiel dem Codex Wallerstein, entziffert und übertragen. Danach beginnt die Übersetzung und anschließende Interpretation. Dabei sei es oft notwendig, logische Lücken zu schließen, da in den Fechtbüchern Techniken auf hohem Niveau präsentiert würden, so Wilkens. In Quellen stießen die Blossfechter beispielsweise auf die Technik des "Bandfechtens", einer möglichen Gefechtsphase mit dem "Langschwert", das auch als "Zweihandschwert" bezeichnet wird. Hier arbeiten die Kämpfer mit einem Schlag, der beim Blossfechten als "Hau" bezeichnet wird. Die bei der Technik nicht genannten Angriffe, mussten zunächst geschlussfolgert werden. Wilkens erklärt, dass hier erst durch den Stich zum Bauch und den Schlag zum Gesicht eine erfolgreiche Ausführung der Technik gelinge, bevor das Schwert dann am Hals "eingelegt" werde. Derartige Erkenntnisse werden letztendlich in Seminaren und auf großen Veranstaltungen mit deutschen oder internationalen Gruppen historischer Fechter ausgetauscht. Wie nah Studium und privates Interesse für Thore Wilkens jedoch beieinander liegen, zeigt bereits, dass er seine Bachelorarbeit über eines der Fechtbücher schrieb. Diese Begeisterung weiterzuvermitteln, versucht er als einer der beiden Trainer der Blossfechter zu Chemnitz. Wohingegen die Fechter des Mittelalters den Kampf für das Gottesurteil bestritten, geschieht dies heute zum Spaß und zur sportlichen Betätigung. Über neue Mitglieder freut sich die Gruppe der historischen Fechter in Chemnitz immer. Auch Frauen sind selbstverständlich willkommen. Überraschender Weise belegen sogar mittelalterliche Quellen, dass es bereits vor hunderten von Jahren weibliche Fechter gab.

Interessierte wenden sich an: Blossfechter@yahoo.de

(Autorin: Laura Richter)

Katharina Thehos
25.03.2013

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