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Wenn Experimente im Labor nicht ausreichen

Das Arbeitspferd der Theoretischen Chemie: Tony Anacker modelliert chemische Reaktionen auf dem Chemnitzer Hochleistungs-Linux-Cluster CHiC

  • Damit auch in Zukunft ausreichend Rechenpower für die Arbeit der theoretischen Chemiker zur Verfügung steht, besprechen Jun.-Prof. Dr. Joachim Friedrich (r.) und der Administrator des Hochleistungs-Rechners CHiC, René Oertel, was bei einer zukünftigen Erweiterung des Clusters beachtet werden sollte. Foto: Christian Schenk
  • Die theoretischen Chemiker um Jun.-Prof. Dr. Joachim Friedrich liefern Berechnungen, die auch Anwendungen im Chemnitzer Institut für Chemie finden - beispielsweise an der Professur Organische Chemie von Prof. Dr. Klaus Banert (r.). Foto: Christian Schenk
  • Doktorand Tony Anacker (r.) bespricht mit Jun.-Prof. Dr. Joachim Friedrich das weitere Vorgehen beim Test neuer Rechenverfahren mit Hilfe des CHiCs. Die Wissenschaftler können dabei den Rechnern an ihren Arbeitsplätzen auf den Hochleistungs-Cluster zugreifen. Foto: Christian Schenk

Was passiert während einer chemischen Reaktion? Wie verändern sich Moleküle, Reaktions- und Aktivierungsenergie? Mit diesen Fragen befasst sich Tony Anacker seit Juni 2012 an der Juniorprofessur Theoretische Chemie an der Technischen Universität Chemnitz.

Tony Anacker blieb seiner Universität treu. Im Wintersemester 2007 begann der Sachsen-Anhaltiner sein Studium der Chemie an der TU Chemnitz und schloss es erfolgreich im Mai 2012 mit dem Diplom ab. Während seines Studiums war er als studentische Hilfskraft tätig, betreute Tutorien und führte Berechnungen an Formylazid durch. Seit Juni 2012 promoviert Anacker nun in Theoretischer Chemie bei Juniorprofessor Dr. Joachim Friedrich. "Meine Arbeit an der Universität gliedert sich in zwei Teilbereiche in die Anwendung bestehender quantenchemischer Methoden in Kooperationsprojekten und in die Entwicklung neuer Methoden", erläutert er sein Arbeitsgebiet, in dem er häufig mit dem CHiC arbeitet.

Die Abkürzung "CHiC" steht für den Chemnitzer Hochleistungs-Linux-Cluster. Der Rechner befindet sich in der Straße der Nationen 62 und steht jedem Studenten sowie Mitarbeiter der Technischen Universität Chemnitz zur Verfügung. "Der CHiC ist das Arbeitspferd der Theoretischen Chemie", erklärt Anacker. Viele Studenten des Instituts für Chemie werden frühzeitig an den Cluster herangeführt, mit dem sich komplexe Berechnungen durchführen lassen. Neben Anacker arbeiten momentan zwei Bachelorstudenten für ihre Abschlussarbeiten in der Theoretischen Chemie mit dem CHiC. "Mithilfe des CHiCs habe ich für verschiedene in meiner Diplomarbeit untersuchte Strukturen die thermodynamischen und kinetischen Größen bestimmt", erinnert sich Anacker und auch heute ist der Cluster unerlässlich für seine Arbeit. Einerseits kann er chemische Fragestellungen mit quantenchemischen Methoden lösen. Bei dieser Arbeit wird zum Lösen der Fragestellungen auf einen Cluster wie dem CHiC zurückgegriffen, um beispielsweise Strukturen zu berechnen und chemische Reaktionen besser zu verstehen. Anderseits kann Anacker dank des CHiCs neue Rechenverfahren testen, die es ermöglichen, tiefer in chemische Abläufe hineinzublicken. "Da solche Rechnungen sehr aufwendig sind, sind größere Rechenkapazitäten notwendig. Günstigerweise steht der CHiC für alle Arbeitsgruppen der TU Chemnitz für Forschung und Lehre zur Verfügung, sodass ich ihn als externe Ressource für meine Berechnungen nutzen konnte", verweist der TU-Absolvent auf einen wesentlichen Vorteil des CHiCs.

Während Anackers Forschung gerade erst begonnen hat, veröffentlichte die Juniorprofessur Theoretische Chemie Anfang dieses Jahres zwei wissenschaftliche Publikationen, die eng mit dem CHiC verknüpft sind. Im Februar 2012 veröffentlichte Dr. Friedrich, Leiter der Juniorprofessur, zusammen mit Prof. Andreas Gansäuer von der Universität Bonn einen Beitrag zur Aktivierung von Wassermolekülen für den Wasserstoffatom-Transfer im Journal "Angewandte Chemie". "Es wurde ein revidierter Mechanismus zur Übertragung eines Wasserstoffatoms auf ein Kohlenstoffradikal formuliert", fasst Tony Anacker den Projektinhalt kurz zusammen. Der ursprüngliche Mechanismus zur Aktivierung von Wassermolekülen für den Wasserstoffatom-Transfer war falsch und wurde mit verschiedenen experimentellen Techniken und den Werkzeugen der Computational Chemistry untersucht. Viele der notwendigen Rechnungen, die durchgeführt wurden um schließlich einen zuverlässigen Mechanismus vorzuschlagen, wurden auf dem CHiC durchgeführt. Ebenfalls in der "Angewandte Chemie" - einem der wichtigsten Journale der Chemie - erschien im März 2012 unter dem Titel "Experimentelle und theoretische Untersuchungen der Synthesen, spektroskopischen Daten und Reaktionen des Formylazid" eine Publikation, an der Prof. Dr. Klaus Banert (Professur Organische Chemie an der TU Chemnitz) sowie Prof. Dr. Guntram Rauhut (Universität Stuttgart) und Jun.-Prof. Friedrich beteiligt waren. "In dieser Arbeit wurde das sehr instabile Formylazid experimentell und theoretisch charakterisiert. So konnten durch quantenchemische Berechnungen bisher nicht zuordenbare Signale in einem Infrarot-Spektrum erklärt werden und die Substanz damit eindeutig identifiziert werden. Auch die Frage nach dem Reaktionsweg möglicher Reaktionen des Formylazids konnte durch quantenchemische Rechnungen erklärt werden", beschreibt Anacker Ziele und Ergebnisse des Projektes, das in der Rubrik "Hot Paper" erschienen ist. In dieser Rubrik erscheinen Artikel mit besonders hohem Interesse für die Wissenschaft.

Zukünftig plant die Juniorprofessur, weitere Forschungen mit dem CHiC durchzuführen. Anacker möchte ihn beispielsweise nutzen, um Dichtefunktionaltheoretische-Rechnungen für seine Dissertation durchzuführen und auch die Computational Chemistry wird weiterhin Anwendung finden. Damit auch zukünftig komplexe Rechnungen durchgeführt werden können, wünscht sich der ehemalige TU-Student einen noch leistungsfähigeren Computer. "Aufgrund der schnellen Veränderungen der Hardware sind moderne Rechner relativ schnell veraltet und müssen durch neue leistungsfähigere Computer ersetzt werden", gibt er zu bedenken. Ende 2011 lief die Garantie des seit 2006 existierenden CHiCs aus, womit eine Erneuerung unausweichlich ist. "Vielleicht ist es 2014 so weit, aber bis dahin muss ein Konzept gefunden werden und Ausschreibungen müssen stattfinden", erklärt René Oertel, Administrator des CHiCs. "Die Arbeitsgruppe Theoretische Chemie ist an einer Erneuerung des CHiCs interessiert, um auch in Zukunft quantenchemische Rechnungen auf höchstem Niveau durchführen zu können. Aus diesem Grund ist Dr. Friedrich an dem Antrag auf eine Erneuerung des CHiC beteiligt", sagt Anacker, der wie viele andere Mitarbeiter und Studenten von einem leistungsstarken Cluster wie dem CHiC profitieren.

(Autorin: Sandra Edel)

Noch bis zum 9. September 2012 zeigt das Sächsische Industriemuseum Chemnitz in einer Sonderausstellung die Entwicklung von der Rechenmaschine zum Supercomputer - weitere Informationen: http://www.saechsisches-industriemuseum.de

Katharina Thehos
25.07.2012

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