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Bachelor und Master zwischen Unsicherheit und Optimismus

Vertreter von Unternehmen und Hochschulen beteiligten sich an einer Podiumsdiskussion zum Thema "Was bedeuten die neuen Bachelor-/Masterabschlüsse für die Industrie?"

Über zehn Jahre ist die Entscheidung her, dass in 29 europäischen Staaten ein einheitliches Hochschulwesen eingeführt werden soll. Für Deutschland bedeutete dies die Abschaffung der bisher üblichen Studienabschlüsse Diplom und Magister und die Einführung der neuen international gängigen Abschlüsse Bachelor und Master. Doch im vergangenen Jahr protestierten deutschlandweit Studenten gegen den Bologna-Prozess. Und die Skepsis machte sich nicht nur bei den Studenten breit - auch Unternehmen fragen, ob die neuen Abschlüsse überhaupt sinnvoll und zweckmäßig seien. Auf Grund dieser Unsicherheiten und um grundsätzliche Fragen zum Thema zu beantworten, veranstaltete das Kompetenzzentrum Maschinenbau Chemnitz / Sachsen e.V. (KMC e.V.) am 12. Oktober 2010 eine Podiumsdiskussion zum Thema "Was bedeuten die neuen Bachelor-/Masterabschlüsse für die Industrie?". Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Hans J. Naumann, Geschäftsführender Gesellschafter von NILES SIMMONS Industrieanlagen GmbH und Präsident des KMC e.V., der zu Beginn seiner Ausführungen die Bildungssysteme der großen Industriestaaten verglich und feststellte, dass Europa gegenüber China, Japan und den USA zwar hinterher hänge, aber der Abstand nicht mehr allzu groß sei. Er betonte, dass die Jugend Perspektiven brauche, um die Bundesrepublik Deutschland voran zu bringen und die Ungleichheiten in der Bildung wett zu machen.

Neben Naumann stellte sich auch Prof. Dr. Bernd Platzer, Prodekan für Lehre und Ausbildung der Fakultät für Maschinenbau an der TU Chemnitz den Fragen der anwesenden Unternehmer aus dem südwestsächsischen Raum. Er begrüßt die Umstellung auf Bachelor und Master und betonte die Vielseitigkeit dieser Studienabschlüsse. Er erläuterte, dass der Bachelor Maschinenbau zusammen mit dem Master Maschinenbau gleichwertig seien, wie der ehemalige Abschluss Diplom-Ingenieur. Jedoch bestehe heute die Möglichkeit, im Master noch einmal einen völlig anderen Einblick in ein artverwandtes Fach zu gewinnen, was beim Diplomstudiengang so nicht möglich war. Zudem müsse nicht jeder den Master absolvieren. Es bestehe auch die Möglichkeit, nach dem Bachelor auszusteigen und ins Berufsleben zu starten. Sollte ein Student allerdings eine höhere Stelle anstreben oder in der Forschung und Entwicklung arbeiten wollen, könne er den Master in Angriff nehmen und sich so auch auf einem weiteren Gebiet spezialisieren. Damit seien Studenten in der Lage, auf Wünsche der Industrie einzugehen und sich entsprechend ausbilden zu lassen. Für Platzer muss ein Bachelor berufsbefähigend sein, jedoch sollte für ihn der Master auf jeden Fall in Erwägung gezogen werden.

Ein weiterer Teilnehmer der Podiumsdiskussion war Prof. Dr. Friedrich Albrecht, Rektor der Hochschule Zittau/Görlitz. Er berichtet, dass an seiner FH nicht alle Studiengänge auf das Bachelor-Master-System umgestellt wurden. Nach wie vor können Studierende in vier Studiengängen den Diplom-Abschluss (FH) erlangen. Dazu gehören Energie- und Umwelttechnik, Maschinenbau, Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen. "Wir wissen, dass in allen Ländern bis 2010 die Diplomreform durchgeführt werden musste, jedoch besitzt Sachsen die Freiheit, die Übergangsphase weiter zu nutzen. Deshalb können die Studenten in Zittau/Görlitz wählen, welchen Abschluss sie erlangen möchten", sagte Albrecht. Seiner Ansicht nach spiele der Diplomabschluss im deutschlandweiten Vergleich heute nur noch eine untergeordnete Rolle. In der Bundesrepublik seien gerade noch 2,4 Prozent der Studiengänge auf einen Diplomabschluss ausgelegt. Sachsen besitze jedoch eine Sonderrolle. Hier seien zwölf Prozent der Universitätsstudiengänge und 24 Prozent der Fachhochschulstudiengänge für einen Diplomabschluss befähigt. Jedoch betont Albrecht die vielen Vorteile des Bachelor-Master-Systems. Gerade im Drei-Länder-Eck, in dem sich die Hochschule Zittau/Görlitz befindet, könnten mit den international einheitlichen Studiengängen verschiedene Kooperationen geschlossen werden. Zum Beispiel könne an in Zittau/Görlitz ein Bachelorabschluss und anschließend in Liberec/Tschechien der Masterabschluss erworben werden. Die Hochschule Zittau/Görlitz strebe einen Masteranteil von 30 Prozent an.

Als dritter Teilnehmer der Podiumsdiskussion stand Dr. Dieter Fischer, Projektmanager bei SITEC Industrietechnologie GmbH Rede und Antwort. Er bemängelte die Einführung und Umsetzung der neuen Bachelor-Master-Abschlüsse. Seiner Ansicht nach kommen praktische Arbeiten in der neuen Studienordnung viel zu kurz. "Im Diplomstudium hatten Studenten ein halbes Jahr Praktikum zu absolvieren. Im neuen Bachelorabschluss seien es nur noch 300 Arbeitsstunden, was weniger als acht Wochen bedeutet", sagte Fischer und verwies weiter auf den zeitlichen Umfang der Bachelorarbeit. Eine 90-seitige Abschlussarbeit in weniger als drei Monaten zu verfassen, sei seiner Ansicht nach nicht machbar und weit an der Realität vorbei. Jedoch bestätigt auch er die Meinung von Prof. Platzer, dass der wissenschaftliche Nachwuchs eine höhere Mobilität aufweisen müsse. Aus diesem Grund befürwortet er grundsätzlich die weitgefächerten Bachelor- und Masterabschlüsse, jedoch seien in der Umsetzung massive Fehler gemacht worden. Seiner Ansicht nach hätte die Schulbildung in allen EU-Ländern auf einen einheitlichen Stand gebracht werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, wäre keine einheitliche Hochschullandschaft möglich. Zudem bemängelte er das Alter der Absolventen. "Die Deutschen sind bei ihren Abschlüssen im EU-Vergleich am ältesten", sagte Fischer und fügte hinzu: "Die Industrie braucht kein Diplom mit viereinhalb Jahren Studienzeit. Drei Jahre Ausbildung, wie es beim Bachelor möglich ist, reichen für bestimmte Jobs völlig aus." Er erläuterte außerdem, dass gerade einmal 20 Prozent der Studierenden die Mobilität des Bachelor-Master-Systems nutzen könnten. 80 Prozent seien damit überfordert. Denn laut seiner Überzeugung wisse ein Student zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht, wo er einmal arbeiten wird bzw. welche Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden. Ein weiterer Kritikpunkt sei für ihn die Vereinheitlichung der Bachelor- und Masterabschlüsse. Universität, Fachhochschule und Berufsakademie seien, was die Abschlüsse angeht, gleichgeschalten. Demnach könne zum Beispiel ein FH-Bachelor-Absolvent an einer Universität seinen Master absolvieren. Deshalb sei es für die Industrie schwierig zu beurteilen, von welcher Bildungseinrichtung ein Masterabsolvent kommt und wie seine Ausbildung gewesen ist. Denn laut Fischer bestehen nach wie vor Unterschiede zwischen Uni, FH und BA.

Kritisch zum Bachelor-Master-System äußerte sich der Personalmanger der NILES-SIMMONS Industrieanlagen GmbH, Dr. Fred Meinhold. Er besuchte als Zuschauer die Podiumsdiskussion im Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU. "Wir vermissen den gut ausgebildeten Diplomer, denn wir möchten keinen Bachelorabsolventen in der Forschung und Entwicklung haben", sagte Meinhold. Denn seiner Ansicht nach seien die Erfahrungen mit dem neuen System zu gering, um die Arbeitsleistung der Studierenden einschätzen zu können. NILES-SIMMONS rekrutiere seinen Nachwuchs aus Diplom-Ingenieuren und dies werde wohl auch in naher Zukunft weiter so sein. Diesem Einwurf entgegnete Prof. Albrecht, dass der Bachelor für bestimmte Aufgaben durchaus Sinn mache, jedoch benötige man für höhere Bereiche den Master. Der Masterabschluss eigne sich hervorragend, um sich in einem weiteren Bereich zusätzlich zum Bachelor ausbilden zu lassen und so sein Profil zu stärken und breiter aufgestellt zu sein. Fischer ergänzte, dass die Unsicherheit, was die neuen Abschlüsse anbelangt, noch länger andauern werde, da hinter dem Bachelor-Abschluss das Kürzel BA, FH oder Uni fehle. Seiner Ansicht nach könne man so nicht mehr einschätzen, aus welcher Einrichtung der Absolvent komme. Abschließend fasste Naumann die Podiumsdiskussion zusammen. Er sagte: "Der Kommunikationsprozess ist nicht so verständlich abgelaufen, dass jeder das neue System nachvollziehen und verstehen kann." Und: "Es ist nicht wichtig, welches Kürzel hinter dem Namen steht, sondern der Mensch ist wichtig."

(Autorin: Jana Tröger)

Katharina Thehos
18.10.2010

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