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"Meine Eltern sind aus allen Wolken gefallen, als ich sagte, ich will Mathematik studieren"

Dr. Sybille Handrock erzählt von Vorteilen und Vorurteilen, die mit dem Beruf der Mathematikerin einhergehen

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Dr. Sybille Handrock unterrichtete 40 Jahre an der TU Chemnitz Mathematik. Foto: Anett Michael

Frauen können einfach nicht rechnen. Oder etwa doch? Neuen Studien zufolge finden sich Mädchen in der Welt der Zahlen genauso gut zurecht wie Jungen. Allerdings haben sie mehr Angst, Fehler zu machen und meiden daher die Mathematik. Hochschuldozentin Dr. habil. Sybille Handrock, die 40 Jahre an der TU Chemnitz Mathematik unterrichtete und in der Forschung tätig war, sah sich ebenfalls früh mit dem Vorurteil konfrontiert, Mathe sei nichts für Frauen: "Es ist sicherlich eine Frage der Tradition und auf jeden Fall eine Frage der Erziehung. Meine Eltern sind auch aus allen Wolken gefallen, als ich sagte, ich will Mathematik studieren. Sie haben mich das dann machen lassen, aber sie sagten: "Du wirst schon sehen, das wird schief gehen"." Doch sie sollten sich irren. Handrock studierte von 1963 bis 1968 erfolgreich Mathematik an der Lomonossow-Universität in Moskau. Anschließend kam sie an die Technische Universität Chemnitz - damals noch Technische Hochschule -, wo sie bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im vergangenen Jahr Mathematik lehrte. Bereut hat sie ihre Entscheidung für die Mathematik nie.

Warum Mathematikerin der ideale Frauenjob ist, weiß Sybille Handrock genau. Im Vergleich zu anderen Studienfächern wie Medizin ist die körperlichen Beanspruchung in der Mathematik sehr gering. Außerdem arbeitet man als Mathematikerin in der Regel an einem festen Ort. "Man muss - bis auf wenige Ausnahmen - nicht ständig reisen", so Handrock. Da man zum Arbeiten lediglich den Computer, seine Bücher, Papier und Bleistift braucht, kann man seinen Beruf ebenfalls gut von zu Hause aus ausüben. "Das ist auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Vorteil. Denn Physikerinnen und Chemikerinnen müssen beispielsweise im Labor arbeiten, Experimente durchführen und sich dort aufhalten bis diese abgeschlossen sind." Während man sich bei der Laborarbeit nach bestimmten Öffnungszeiten richten muss, ist man als Mathematiker in seinem Arbeitszeitmanagement deutlich unabhängiger.

Wie Erfahrungen aus DDR-Zeiten belegen, funktioniert Studieren mit Kind bei Mathematikerinnen bestens. "In der Mathematik geht auch das ziemlich problemlos, eben wegen der Spezifik, dass man nicht allzu viel braucht. Wenn man sich gesundheitlich gut fühlt, kann man sich auch während einer Schwangerschaft mit Mathematik beschäftigen. Die jungen Mitarbeiterinnen der Fakultät für Mathematik haben es vorgemacht, wie man Schwangerschaft sowie das Leben mit einem Kleinkind in den Griff bekommt und außerdem fachlich den Anschluss behält."

"Diese Vorteile sind eigentlich viel zu wenig bekannt", bedauert Sybille Handrock. Die Vorurteile gegenüber der Mathematik lassen sich dagegen nur sehr langsam korrigieren. Einen kleinen Fortschritt erkennt Handrock durch die Aktivitäten im Rahmen des 2008 veranstalteten Jahres der Mathematik. "Da hat man wirklich sehr viel gemacht, um die Mathematik allgemeinverständlich darzustellen und so darzustellen, dass man sieht, sie macht auch Freude." Um alle Voreingenommenheiten zu beseitigen, muss allerdings noch viel getan werden. "Es steckt zumindest in der älteren Generation noch drin, dass die Mathematik etwas Trockenes, etwas Abstraktes ist und etwas, was man sowieso nicht gebrauchen kann. Und das stimmt alles nicht mehr. Aber so ein Vorurteil aus den Köpfen zu bekommen, das dauert Jahrzehnte."

(Autorin: Anett Michael)

Mario Steinebach
05.08.2009

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