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„Klang der Großstadt. Chemnitz im Kaiserreich 1871 - 1918“

Zwei Historiker der TU Chemnitz wirken an Epochenausstellung zur Geschichte von Chemnitz im Kaiserreich mit, die vom 23. Oktober 2022 bis zum 26. März 2023 im Schlossbergmuseum Chemnitz zu sehen ist

Im Januar 2021 jährte sich die Gründung des Deutschen Reiches zum 150. Mal. Bis heute wird in der öffentlichen Wahrnehmung häufig der 18. Januar 1871 mit der Entstehung des Deutschen Reichs in Zusammenhang gebracht. Diese Sicht verbindet sich mit dem wirkungsmächtigen Gemälde Anton von Werners (1843-1915) „Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches“, das zwischen 1877 und 1885 in drei Fassungen entstanden war, und das jenen Moment in Szene setzte, in dem der Großherzog Friedrich I. von Baden (1826-1907) das Hoch auf den neuen Kaiser ausrief. Der tatsächliche Tag des Amtserwerbs Kaiser Wilhelms I. war hingegen der 1. Januar 1871 und die Verfassung des Deutschen Reichs trat am 4. Mai 1871 in Kraft.

Welche Auswirkungen diese Ereignisse auf die Stadt Chemnitz und ihr Umland hatten, zeigt vom 23. Oktober 2022 bis zum 26. März 2023 das Chemnitzer Schlossbergmuseum in seiner neuen Epochenausstellung „Klang der Großstadt. Chemnitz im Kaiserreich 1871 - 1918“. An der Entwicklung der ursprünglich für 2021 geplanten und dann Corona-bedingt verschobenen Epochenausstellung wie an dem sie ergänzenden, reich bebilderten Katalog war auch die Professur für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts der TU Chemnitz als langjähriger Kooperationspartner des Chemnitzer Schlossbergmuseums beteiligt. Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Inhaber der Professur, steuerte ebenso wie Dr. Hendrik Thoß als Wissenschaftlicher Mitarbeiter einen Beitrag zum Ausstellungskatalog bei. „In der Vergangenheit, ja sogar noch bis in die 2000er Jahre hinein wurde der Prozess des Hineinwachsens in das neue Reich aus der Perspektive der sächsischen Landesgeschichtsschreibung eher negativ betrachtet und als ein Bedeutungsverlust für Sachsen interpretiert. Dabei wurde jedoch übersehen, dass dies für alle deutschen Territorien galt und dass nicht wenige Vertreter der preußischen Eliten gleichermaßen das Aufgehen ihres Staates im Reich fürchteten“, so Thoß. „Tatsächlich entwickelte sich Sachsen neben dem zu Preußen gehörigen Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet zu der am stärksten industrialisierten Region Deutschlands mit dem dichtesten Städte-, Eisenbahn- und Straßennetz im Reich.“ Und Kroll weist in seinem Katalogbeitrag darauf hin, dass Sachsen, dessen Einwohnerzahl sich zwischen 1871 und 1914 nahezu verdoppelt hatte, zum „Musterbild eines aufstrebenden Industriestaates“ mit einer sich immer stärker formierenden, gewerkschaftlich und parteipolitisch (SPD) gebundenen Arbeiterbewegung wurde.

Diese vielgestaltigen und äußerst dynamischen Prozesse einer rasanten Vergrößerung und Modernisierung der Stadt Chemnitz, die auch die Stadtverwaltung vor große Herausforderungen stellte, werden in der Ausstellung im Schlossbergmuseum facettenreich präsentiert. „Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei auf Aspekten des Städtebaus, der kommunalen Bildungs- und Gesundheitspolitik aber auch des Unternehmer- bzw. unternehmerischen Mäzenatentums“, erklärt Thoß.  Darüber hinaus setzt sich die Epochenausstellung auch mit Chemnitz als Sportstadt und als Militärstandort im Deutschen Kaiserreich auseinander.

Die mehrheitlich positive Entwicklung, die sich nach 1871 in Chemnitz, in Sachsen und in Deutschland vollzogen hatte, wurde schließlich 1914 durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges abgeschlossen, dessen Ende im Jahr 1918 auch das der Monarchien in Deutschland und die Gründung des ersten demokratischen Staatswesens auf deutschem Boden nach sich ziehen sollte.

Im Rahmen der Epochenausstellung werden u. a. eine Vielzahl bislang unveröffentlichter historischer Fotografien, aufwändig bemalte Schützenscheiben, großer Damenroben und bunte Uniformen gezeigt. Sie lassen das Bild der Menschen in den Straßen der Stadt zur Zeit des Kaiserreiches wieder lebendig werden und geben bis heute ein lebendiges Zeugnis des bürgerlichen Fortschrittsdiskurses der Zeit wieder. Die Jubiläumsausstellung soll mit dem breiten Spektrum von Objekten aus der Sammlung des Schlossbergmuseums ein Stück Lebensgefühl jener Jahrzehnte wieder erfahrbar machen. Während der Laufzeit der Ausstellung stellen zudem an dem Projekt beteiligte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler spezielle Themengebiete im Rahmen von öffentlichen Vorträgen zur Diskussion.

Die Epochenausstellung entstand in Kooperation des Schlossbergmuseums Chemnitz mit dem Industriemuseum Chemnitz, dem Stadtarchiv und der TU Chemnitz.

Hintergrund: Boomtown Chemnitz

Mit 100.000 Einwohnern im Jahr 1883 überschritt Chemnitz die Grenze zur „Großstadt“ formell – bis 1900 kamen jeweils im Zehn-Jahres-Schritt weitere 100.000 Einwohner dazu. Chemnitz wurde Boomtown. Eine prächtige City entstand. Die Randbezirke wurden sowohl von dicht besiedelten Arbeiterquartieren als auch von luxuriösen Wohngebieten für die privilegierteren Schichten in Besitz genommen. Unter anderem mussten Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Infrastruktur und Architektur mit dem starken Wachstum Schritt halten. Das Kaiserreich ist somit eine der prägendsten Epochen in der Geschichte der Stadt Chemnitz – im Positiven, was die Binnenentwicklung der Stadt über mehrere Jahrzehnte anbelangt, wie auch im Negativen, denn die Folgen der Entbehrungen ausgelöst durch den Ersten Weltkrieg waren bis in jeden einzelnen Haushalt spürbar. Die Abdankung des Kaisers und die Novemberrevolution im Jahr 1918 brachten schließlich das Ende der Monarchie und die Hinwendung zu republikanisch-demokratischen Verhältnissen. (Quelle: Schlossbergmuseum Chemnitz)

Weitere Informationen erteilt Dr. Hendrik Thoß, Telefon 0371 531-32615, E-Mail hendrik.thoss@phil.tu-chemnitz.de

Mario Steinebach
14.10.2022

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