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Die Telemedizin vorantreiben

Studie unter Beteiligung der TU Chemnitz untersucht Rolle von digitalen Anwendungen in Europas Krankenhäusern – Veröffentlichung im renommierten „Journal of Management Information Systems“

Von der Telemedizin profitieren Patientinnen und Patienten vor allem in strukturschwachen Regionen und aktuell unter dem Eindruck der Pandemie vor allem dort, wo es um die Reduzierung des Infektionsrisikos oder die digitale Erstellung von Patientinnen- und Patientenakten geht. Dennoch fehlt oftmals eine geeignete digitale Infrastruktur, etwa in Krankenhäusern oder Kliniken. Mit der Folge, dass telemedizinische Anwendungen noch nicht überall verbreitet sind. Eine aktuelle Studie unter Beteiligung der Technischen Universität Chemnitz untersucht nun die Frage, welche Faktoren dazu führen können, dass mehr Krankenhäuser in Europa auf Telemedizin-Anwendungen zurückgreifen.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass digitale komplementäre Ressourcen in Krankenhäusern – etwa Videokonferenzsysteme – die Einführung von telemedizinischen Anwendungen stärker beeinflussen als das regulatorische Umfeld. Dieses Ergebnis der Studie ist auch vor dem Hintergrund des 2020 in Kraft getretenen Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) interessant, das nun in die Umsetzungsphase startet und unter anderem auch den Einsatz telemedizinischer Lösungen aufgreift.

An der Publikation haben Prof. Dr. Stefan Hüsig, Inhaber der Professur für Innovationsforschung und Technologiemanagement an der Technischen Universität Chemnitz sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) sowie der Universität Regensburg mitgewirkt. Die Studie mit dem Titel „The Relative Role of Digital Complementary Assets and Regulation in Discontinuous Telemedicine Innovation in European Hospitals“ ist im renommierten „Journal of Management Information Systems“ erschienen.

„Grundsätzlich reiht sich diese Veröffentlichung in unser Forschungsprogramm zu diskontinuierlichen und disruptiven Innovationen ein, welches sich insbesondere mit Kontexten beschäftigt, die von Digitalisierungseffekten betroffen sind. Die umfassenden Daten zu telemedizinischen Applikationen in einem stark regulierten Umfeld boten eine sehr gute Gelegenheit, bisher von mir in der Telekommunikationsbranche entwickelte Theorien zum Verhältnis von Regulation und Disruption in einem anderen service-dominierten Umfeld zu testen sowie weiterzuentwickeln. Dabei konnte insbesondere der vielfältige Einfluss von Regulation auf den Umgang von etablierten Gesundheitsorganisationen mit diskontinuierlichen Innovationen repliziert und weiter differenziert werden. Dies stellt neben der besser verstandenen Rolle der digitalen komplementären Ressourcen einen wesentlichen theoretischen Beitrag dar“, sagt Stefan Hüsig.

„Während der COVID19-Pandemie besitzt die Frage, wie die Digitalisierung des Gesundheitswesens gelingen kann, mehr Relevanz denn je“, sagt Studienmitautorin Prof. Dr. Claudia Doblinger, Professorin für Innovation and Technology Management am TUM Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit (TUMCS). Noch hinkten viele etablierte Gesundheitsorganisationen bei der Einführung von Telemedizin hinterher.

Gute Versorgung in strukturschwachen Regionen

Generell verfolgt die Telemedizin unter anderem das Ziel, die Patientenversorgung zu verbessern, etwa auf dem Land oder in Gebieten mit einer geringen Fachärztedichte. „Telemedizinische Anwendungen können sowohl die räumliche Distanz zwischen Patienten und Leistungserbringern als auch zwischen verschiedenen Leistungserbringern wie Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten überbrücken“, erläutert Studienleiterin Dr. Dr. Stefanie Steinhauser vom Lehrstuhl für Innovations- und Technologiemanagement an der Universität Regensburg. Auch in strukturschwachen Regionen müssten die Menschen medizinisch gut versorgt werden, heißt es beim Bundesgesundheitsministerium: „Hier kann Telemedizin eine Lösung sein.“

Bei ihrer Untersuchung von mehr als 1.750 Krankenhäusern in 30 europäischen Ländern hat das Forschungsteam herausgefunden, dass insbesondere digitale komplementäre Ressourcen der Krankenhäuser – beispielsweise elektronische Gesundheitsakten, Videokonferenzanwendungen oder Bildarchivierungs- und Kommunikationssysteme – einen wichtigeren Beitrag zur Adoption von Telemedizininnovationen (Teleradiologie, Telemonitoring und Telekonsultation) leisten als regulatorische Maßnahmen.

Regulatorische „Sandboxes“ schaffen

„Unsere Ergebnisse untermauern die Bedeutung von kontinuierlichen Investitionen in die begleitende Infrastruktur, um digitale Innovationen verwenden zu können“, sagt Claudia Doblinger. „Und die Ergebnisse legen nahe, dass das regulatorische Umfeld anwendungs- und geschäftsmodellspezifische Effekte auf die Einführung von Telemedizinanwendungen haben kann“, berichtet Stefanie Steinhauser. „Hier könnten regulatorische ‚Sandboxes‘ – wie sie mitunter während der COVID19-Pandemie geschaffen wurden – helfen, um die spezifischen Auswirkungen verschiedener Arten von Regulierung zu testen und adäquate Regulierungen zu entwerfen.“

Publikation: Stefanie Steinhauser, Claudia Doblinger and Stefan Hüsig: The Relative Role of Digital Complementary Assets and Regulation in Discontinuous Telemedicine Innovation in European Hospitals. Journal of Management Information Systems; 2020, Vol. 37, No. 4, 1155–1183; DOI: https://doi.org/10.1080/07421222.2020.1831778

Matthias Fejes
15.04.2021

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