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Erstes Handbuch zu „digitalen Alltagswelten“ auf dem deutschen Markt erschienen

Herausgeberteam der Professur Interkulturelle Kommunikation und der Juniorprofessur für Interkulturelle Kompetenz der TU Chemnitz vereint auf 490 Seiten Grundlagentexte von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Fachgebieten

  • Buch steht auf einem schwarzen Tisch, dahinter ist eine farbige Wand zu sehen.
    Fotomontage: Miriam Schreiter (Hintergrund: Nick Hughes Flood 2, Quelle: https://www.flickr.com/photos/enhues/6126950513/)

Prof. Dr. Heidrun Friese, Inhaberin der Professur Interkulturelle Kommunikation an der Technischen Universität Chemnitz, ihr Wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Marcus Nolden und die Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Miriam Schreiter sowie Dr. Gala Rebane, Juniorprofessorin für Interkulturelle Kompetenz an der TU, haben das erste Handbuch auf dem deutschen Markt zu „digitalen Alltagswelten“ herausgegeben, das unlängst im Springer-Verlag erschien.

Zum Hintergrund: Das digitale Zeitalter hat unseren Alltag grundlegend verändert, es stellt dringliche Fragen nach dem Verhältnis von Gesellschaft, Kultur und Technik. Techniken entstehen ja nicht aus sich selbst heraus, sondern sind immer Teil historischer Dynamiken. Die Generierung von Wissen, technische Entwicklungen und ihre Anwendungen sind auch und gerade gesellschaftlich verortet.

Mit der Entwicklung des Web 2.0. haben digitale Medien und Netzwerke Anteil an gesellschaftlichen Veränderungen und den Prozessen, die als Transformationen von der Produktionsgesellschaft zur Informationsgesellschaft, dem Informationszeitalter (Manuel Castells) oder der postindustriellen Gesellschaft (Daniel Bell) beschrieben worden sind. Sie sind auch Teil zunehmender weltweiter Mobilität (John Urry), globaler, transnationaler Netzwerke und sich verändernder gesellschaftlicher Organisation, die auf „networking“ beruht. Von Facebook und Twitter zu YouTube, Tic Toc, WeChat oder Blogspot: Soziale, kulturelle, religiöse, ökonomische und politische Räume entwickeln sich mittlerweile auch im weltumspannenden Netz, erlauben die Verständigung über die gegenwärtige Situation und lassen die einstige Unterscheidung zwischen „online und offline-Welten“, dem „virtuellen“ und dem „realen, physischen“ Raum obsolet werden. Diese digitalen Räume werden inzwischen nicht mehr als abgegrenzt betrachtet, sondern vielmehr als Kontinuum sozialer Felder verstanden, die von unterschiedlichen Praktiken und transnationaler Kommunikation gekennzeichnet sind.

Auch ist deutlich geworden, dass wir es mit unterschiedlichen digitalen und algorithmischen Kulturen zu tun haben, die in ökonomischen, politischen und soziokulturellen Beziehungen eingebettet sind und diese kenntlich machen. Auch digitale Räume sind lokalisiert und kulturalisiert. Damit konnte auch in den Blick kommen, dass und wie unterschiedliche Netze und lokale digitale Praktiken entstanden die aus einer Vielzahl von verknüpften, interagierenden, sich aufeinander beziehenden, „glokalisierten“ Medien bestehen.

Zugleich werden diese Entwicklungen kontrovers diskutiert. Während dem ersten Enthusiasmus folgend, emphatisch einmal Freiheit, die Auflösung von starren Hierarchien, unbeschränkte Kreativität und demokratisierte, rhizomatische weltumspannende Kommunikation (Clay Shirky) in Aussicht gestellt wurden, folgte die Ernüchterung auf dem Fuße. Die „Dark Side of Internet Freedom“, von Evgeny Morozov in „The Net Delusion“ (2011) beschworen, und die „Filter Bubble“ kamen in das Blickfeld. Der Terror von Algorithmen, Big Data, Tracking, biometrische Erkennung, die bislang ungeahnte Möglichkeiten weltumspannender Kontrolle jedes einzelnen, der zunehmende Optimierungsdruck, dem Menschen nicht nur im Hinblick auf Gesundheit, Schönheitsideale und Selbstdarstellung ausgesetzt sind, die Auflösung herkömmlicher Grenzen zwischen öffentlich und privat sowie die Veränderung politischer Kulturen werden intensiv debattiert. Zugleich entstehen neue Grenzen, die durch Überwachung, Zensur und ungleiche Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten (digital divide) markiert sind, die lokale und globale Asymmetrien fortführen. Diskutiert wurden zugleich Entortung und (vermeintliche) De-Materialisierung, aber auch Hierarchisierungen, Asymmetrien und Ungleichheiten im Hinblick auf Zugang und Ausschluss, Alter, Gender, Klasse und Rasse.

Das bilinguale Handbuch reagiert auf diese Entwicklungen und versammelt erstmalig im deutschen Raum Grundlagentexte international renommierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Kultur- und Sozialwissenschaften, der Politikwissenschaft, den Gender Studies, der Medienwissenschaft, der Geschichte, der Philosophie, der Pädagogik und dem internationalen Recht. Es verzichtet jedoch bewusst auf die sonst übliche Einteilung in Fachdisziplinen. Vielmehr soll die transdisziplinäre Breite der Beschäftigung mit digitalen Praktiken und Räumen deutlich werden.

Das Handbuch zeigt den „state of the art“ digitaler Forschungen in den Kultur- und Sozialwissenschaften und dient damit nicht nur Studierenden als Grundlage im Forschungsfeld digitale Medien, Praktiken und Alltagswelten, sondern auch und gerade als Grundlage informierter öffentlicher Diskussionen.

(Autorinnen: Prof. Dr. Heidrun Friese, Dr. Miriam Schreiter)

Bibliographische Angaben: Friese, Heidrun/Nolden, Marcus/ Rebane, Gala/ Schreiter, Miriam (2020) (Hg.): Handbuch Soziale Praktiken und Digitale Alltagswelten. Wiesbaden: Springer. 490 Seiten, ISBN 9783658083564

Hinweis der Universitätsbibliothek: Dieses Buch ist an der TU Chemnitz campusweit auch als E-Book verfügbar.

Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Heidrun Friese E-Mail sekretariat.hfriese@phil.tu-chemnitz.de

Mario Steinebach
26.09.2020

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