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Team Plastic Components and Tribology
Team Plastic Components and Tribology

Rückblick 1. Fachkolloquium 2013

Bilder von der Veranstaltung

In Fördersystemen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sind Förder- ketten aus Kunststoffen schon viele Jahre im Einsatz. Aber auch in der Fahrzeugtechnik und deren Zulieferindustrie sowie im Maschinenbau kommen diese zunehmend zur Anwendung, da sie sich u.a. durch den schmierungsfreien Betrieb, eine geringe Eigenmasse und die effiziente Fertigung auszeichnen. Der Wunsch nach steigender Leistungsfähigkeit und nach energieeffizienten Förderanlagen erfordert dabei ständig verbesserte mechanische und tribologische Eigenschaften der Ketten bzw. der Gesamtsysteme.

Am 24.04.2013 folgten mehr als 60 Fachleute aus 5 Ländern der Einladung der Professur Fördertechnik der TU Chemnitz zur Teilnahme am 1. Fachkolloquium "Kunststoff-Gleitketten und Tribologie in der Fördertechnik".

Die Gäste aus renommierten Unternehmen der Kunststoff- und Kettenbranche, der Fördersystemhersteller sowie aus namhaften Forschungseinrichtungen diskutierten Fragen der Entwicklung und Anwendung von Transportketten, Gleitschienen und anderen fördertechnischen Bauelementen aus Kunststoff sowie der entsprechenden Förderanlagen. Im Vordergrund standen dabei die Notwendigkeit einer anwendungsorientierten Grundlagenforschung und die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Unternehmen untereinander sowie mit Forschungseinrichtungen. Den fachlichen Rahmen dafür bildeten 7 Vorträge zum aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik.

Fachvorträge

V01Kunststoff-Gleitketten und Tribologie - Bedeutung und Möglichkeiten einer anwendungsorientierten Forschung
Dr. Jens Sumpf, Technische Universität Chemnitz, Institut für Fördertechnik und Kunststoffe (ifk)
Die in der Fördertechnik zunehmende Bedeutung von Transportketten und Gleitschienen aus Kunststoff ist vor allem auf die effiziente Fertigung und den sauberen und wartungsfreien Betrieb ohne zusätzliche Schmierung zurückzuführen. Materialbedingt müssen jedoch insbesondere die im Vergleich zu Stahl geringere Festigkeit und Steifigkeit sowie die Wärmeempfindlichkeit beachtet werden.
Anhand einer sechsstufigen Entwicklungs- und Prüfstrategie für Ketten und Fördersysteme
  1. Grundlagenuntersuchungen / Materialentwicklung
  2. Konstruktion und Berechnung der Ketten
  3. Werkzeugbau und Fertigungsverfahren
  4. Bauteilprüfung
  5. Systemprüfung unter realen Bedingungen
  6. Berechnungs- und Dimensionierungsgrundlagen
wurden Möglichkeiten aufgezeigt, wie Unternehmen durch anwendungsnah arbeitende Forschungs- einrichtungen sinnvoll unterstützt werden können. Die wichtigsten Ansatzpunkte dafür sind neben den mechanischen und tribologischen Grundlagenuntersuchungen die Schaffung vergleichbarer Testmethoden unter möglichst praxisnahen Bedingungen sowie die Entwicklung von Berechnungsgrundlagen, die eine umfangreiche Analyse komplexer Förderanlagen ermöglichen.
V02Kunststoffe für tribologische Anwendungen in der Investitionsgüterindustrie
Jens Korte, Röchling Engineering Plastics KG, Haren
Einer der wichtigsten Einsatzbereiche von Kunststoffen in Fördersystemen sind Gleitelemente, die in Kontakt mit den Kunststoff- oder Stahlketten sowie den Fördergütern stehen. Dazu zählen z. B. Gleitschienen, in denen die Kunststoff- oder Stahlketten oder auch das Fördergut geführt werden, Förderschnecken oder -sterne für den Transport von Flaschen und Dosen in der Getränkeindustrie oder Laufrollen. Hierfür werden vorzugsweise Polyethylene oder Polyamide verwendet, deren Eigenschaften speziell auf den Gleitpartner und die vorherrschenden Belastungs- und Umgebungsbedingungen abgestimmt sein sollten.
Der Einsatz von Kunststoffen erstreckt sich jedoch nicht nur auf die Fördertechnik, sondern auch auf viele andere Bereiche des Maschinen- und Anlagenbaus. Als Beispiele wurden hier interessante Anwendungen verschiedener Werkstoffe in Windkraftanlagen, in Agrar- und Textilmaschinen sowie aus den Bereichen der Lebensmittelindustrie und der Medizintechnik vorgestellt.
POM, ein überraschend vielseitiger Werkstoff
Peter Raab, Gabriel Hernandez, Qamer Zia, Ticona Engineering Polymers, Frankfurt
POM, auch bekannt als Polyacetal, zeichnet sich u. a. durch eine vergleichsweise hohe Festigkeit, geringe Wasseraufnahme, hohe Formstabilität, gute Medienverträglichkeit sowie sehr gutes Gleit- und Verschleißverhalten aus. Der thermoplastische Werkstoff kann durch Spritzguss einfach verarbeitet werden und ist das mit Abstand wichtigste Material für Transportketten.
Durch Modifikation mit verschiedenen Additiven ist es möglich, die Eigenschaften des POM, z. B. das Reibungs- und Verschleißverhalten, die Festigkeit oder die Schlagzähigkeit, gezielt zu verändern und diese genau an die Einsatzbedingungen anzupassen. Als Beispiele wurden spezielle Typen für sehr langsame bzw. sehr schnelle Gleitbewegungen vorgestellt, in denen die Stick-Slip-Neigung bzw. das Verschleißverhalten positiv beeinflusst werden konnten. Neben Förderketten werden aus POM jedoch außerdem zahlreiche anspruchsvolle Bauteile z. B. für die Sanitär- und Medizintechnik, für elektrische Geräte und Automobile oder für Spielzeug hergestellt.
V04Einsatz von Kunststoffen in Antriebs- und Förderketten
Dr. Frank Mitzschke, iwis antriebssysteme GmbH, Wilnsdorf
Neben nahezu komplett aus Kunststoff gefertigten Transportketten werden auch bei herkömmlichen Stahlketten häufig Bauteile aus Polymerwerkstoffen eingesetzt. Beispiele hierfür sind u. a. Tragrollen und Fingerschutz bei Staurollenketten sowie Buchsen, komplette Innenglieder oder Tragplatten für Rollenketten. Diese Teile dienen in erster Linie dem schmierungsfreien und damit sauberen und wartungsarmen Betrieb, der höheren Flexibilität durch Integration von Zusatzfunktionen und gezielter Anpassung des Kettendesigns an bestimmte Anwendungen sowie der Gewichtsreduktion. Infolge der gegenüber Stahl reduzierten mechanischen und thermischen Eigenschaften müssen hierbei jedoch die Anwendungsgrenzen bekannt sein.
Im Beitrag wurden zudem besondere Entwicklungen am Beispiel der Kunststoff-Scharnierbandketten vorgestellt. Durch die Ausrüstung der Gleitflächen mit speziellen Oberflächenstrukturen sowie die Verwendung neuartiger Werkstoffmodifikationen kann das Reibungs- und Verschleißverhalten signifikant verbessert werden. Der Einsatz dieser Ketten in Förderanlagen ermöglicht deshalb einen energieeffizienten und bauteilschonenden Betrieb sowie eine höhere Transportleistung.
V05Ermittlung von Gleitreibwerten und Optimierung von Messwertaufnehmern an Stetigförderern
Dr. Gernot Keil, KHS GmbH, Bad Kreuznach
Die tribologischen Eigenschaften sind insbesondere bei Kunststoffbeteiligung sehr stark von den Belastungs- und Umgebungseinflüssen abhängig. Deshalb erfolgt die zuverlässige Messung der zur Dimensionierung benötigten Reibwerte zwischen den Transportketten und der Gleitschiene bzw. dem Fördergut direkt im Fördersystem unter möglichst praxisnahen Bedingungen. Bei der Messung in Kettenfördersystemen treten jedoch systembedingte Schwingungen auf, die die Qualität der Messwerte negativ beeinflussen. Dies können u. a. material- und lastbedingte Stick-Slip-Effekte, Polygoneffekte am Antrieb, Systemschwingungen oder auch Stöße sein, wie sie z. B. beim Anlaufen der Kettenglieder an den Gegenkörper auftreten.
Bei der digitalen Messwertaufnahme kann die Signalqualität nur durch eine sehr hohe Messfrequenz mit nachfolgender Filterung verbessert werden. Es wird deshalb die Entwicklung eines analogen Reibwertsensors mit integriertem Filter angestrebt. Mithilfe eines Simulationsmodells, welches in umfangreichen Messreihen validiert wurde, konnten die Systemverhältnisse gut abgebildet werden. Es wurde eine geeignete Filtercharakteristik gefunden, die in der Neuentwicklung aktuell umgesetzt wird.
V06Optimale Kombination von Kunststofftechnik und Rollreibung in der Fördertechnik durch Easychain
Walter Wolfer, Denipro AG, Weinfelden, Schweiz
Trotz der Entwicklung neuer, innovativer Werkstoffsysteme sind den Reibungs- und Verschleißkennwerten trockenlaufender Kunststoffgleitpaarungen Grenzen gesetzt. Die tribologischen Eigenschaften können jedoch durch die Ablösung der Gleit- durch Rollreibung signifikant verbessert werden. Dass derartige Systeme auch industrietauglich sind, zeigt die Produktreihe der "Rollenden Fördertechnik", die bereits in zahllosen industriellen Anwendungen sehr erfolgreich zur Abstützung von Förderketten in Kurven oder zur Aufnahme der Gutlast eingesetzt wird.
Eine neue Entwicklung stellt die Förderkette "Easychain" dar. An der komplett aus Kunststoff gefertigten Kette sind Rollen befestigt, die in einem speziellen Schienensystem geführt werden und einen sehr geringen Bewegungswiderstand garantieren. Antriebsstationen können an beliebigen Stellen der Transportstrecke integriert werden. Neben der hohen Transportleistung liegt der größte Vorteil darin, dass dadurch sehr lange und äußerst komplexe Förderstrecken realisiert werden können.
V07Messung und Überwachung der Kettenzugkraft in komplexen Fördersystemen
Jens Strobel, Tino Puggel, Dr. Jens Sumpf, Technische Universität Chemnitz, Institut für Fördertechnik und Kunststoffe (ifk)
Die Ermittlung der Kettenzugkraft in Förderanlagen erfolgt derzeit durch die Messung des Antriebsmomentes, wobei dies für eine umfassende Systemanalyse insbesondere bei wechselnder Transportlast nicht ausreicht. Vorgestellt wurde die Entwicklung eines Messkettengliedes, mit dem die Zugbelastung, die Beschleunigungen sowie die Temperatur in der Anlage direkt am Kettenglied ermittelt und aufgezeichnet werden kann. Die Datenübertragung erfolgt berührungslos und die erforderliche Sensorik und Elektronik wurde so in das Kettenglied integriert, dass dadurch keine Beeinflussung des Transportvorganges erfolgt.
Das Messkettenglied kann zur Analyse komplexer Fördersysteme und zur Validierung von Berechnungsmodellen verwendet werden. Beispiele dafür sind verfügbare Modelle zur theoretischen Berechnung der Kettenzugkraft sowie eine in Entwicklung befindliche Mehrkörpersimulation, mit der u. a. das Bewegungsverhalten der Ketten im System dargestellt werden kann. Perspektivisch sind jedoch auch die ständige Überwachung von industriellen Anlagen sowie zuverlässige Vorhersagen zur Kettenlebensdauer möglich.