Motivation ist das Stichwort zum Mitmachen
Die Amnesty International Stadtgruppe Chemnitz engagiert sich seit 1990 gegen Menschenrechtsverletzungen - die Projekte wählt die studentische Initiative sorgsam aus
Sie standen vor der Mensa auf dem TU-Campus an der Reichenhainer Straße und verschenkten Äpfel. Es war März 2013 kurz vor der letzten UNO-Verhandlungsrunde über den weltweiten Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty). "Die Äpfel sahen so aus wie Granaten, denn sie waren in einem speziellen Papier gewickelt, das wir extra bestellt hatten", sagt Christian Herold und fügt hinzu: "Für Äpfel gibt es mehr Handelsbeschränkungen als für kleinkalibrige Waffen." Der 24-Jährige studiert Politikwissenschaften an der TU Chemnitz und ist seit vier Jahren Mitglied der Amnesty International Stadtgruppe Chemnitz. In der studentischen Initiative organisiert er mehrfach im Semester Aktionen gegen Menschenrechtsverletzungen.
"Wir wollen etwas innerhalb der Gesellschaft bewegen"
Die Amnesty International Stadtgruppe Chemnitz verfolgt das Ziel, auf Verstöße gegen die Charta der Menschenrechte aufmerksam zu machen. "Wir sind eine kleine Gruppe von Amnesty International und wollen etwas innerhalb der Gesellschaft bewegen. Einerseits versuchen wir, die Menschen durch Informationsveranstaltungen wachzurütteln, und andererseits zur Beteiligung an Petitionen zu motivieren", sagt Herold. Der Studenteninitiative ist es wichtig, Neutralität zu wahren und sich nicht an politische Parteien zu binden. Sie orientiert sich bei der Themenfindung stark an den Vorgaben von Amnesty International Deutschland. Zu den Aktionsformen der Stadtgruppe Chemnitz gehören: Informationsstände auf dem Campus und im Stadtzentrum, Filmabende mit anschließenden Podiumsdiskussionen oder Bildungskooperationen mit Chemnitzer Schulen und Kultureinrichtungen. Die Mitglieder profitieren von bundesweiten Workshop-Angeboten der Deutschen Sektion von Amnesty International sowie lokalen Weiterbildungsangeboten durch die sächsische Organisationseinheit. Bei ihren Recherchen können sie auf die Ergebnisse sogenannter Länder-Researcher von Amnesty International zurückgreifen.
Zu einer wichtigen Aktionsform von Amnesty International zählt Einzelfallarbeit. "Der Vorteil unserer kleinen Gruppe ist, dass wir unsere Kräfte bündeln und persönliche Themen aufgreifen können. Allerdings sind solche Einzelfallarbeiten sehr zeitaufwendig", sagt Herold. Das letzte Projekt der Studenteninitiative im Jahr 2013 fand am Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember, statt. In Kooperation mit der Volkshochschule Chemnitz organisierte sie eine Podiumsdiskussion zum Thema Justizsystem und Strafvollzug in China. "China ist aus Menschenrechtssicht immer schon ein Dauerbrenner gewesen. In dieser Veranstaltung thematisierten wir das dortige Justizsystem mit Zwangsarbeit, Folter, Todesstrafe und Zwangsorganentnahme", sagt Philipp Just. Der 23-jährige Maschinenbau-Ingenieur, der seit anderthalb Jahren in der Studenteninitiative tätig ist, initiierte das Projekt.
Erst seit Ende der 1990er-Jahre eine studentische Initiative
Die Amnesty International Stadtgruppe Chemnitz wurde 1990 im Umweltzentrum Chemnitz gegründet. Sie gehört zu den ersten Stadtgruppen der Amnesty International in den neuen Bundesländern. Ende der 1990er-Jahre wurde die Gruppe als studentische Initiative vom Studentenrat der TU anerkannt. Die derzeit zwölfköpfige Gruppe plant pro Semester fünf bis sechs Aktionen. "Wir wollen eine qualitative Stufe erreichen und nichts hinpfeffern. Als Studenten steht uns zumeist nur die Vorlesungszeit gemeinsam zur Verfügung, deshalb wählen wir unsere Projekte sorgsam aus", so Herold. Zu den Aktionen, der die Studenteninitiative nicht nachkommen kann, gehören Spendensammlungen: "Das würde uns als kleines Team in Chemnitz komplett überlasten. Zudem bewegen wir uns hier in einem studentischen Umfeld, das finanziell weniger gut gebettet ist", sagt Herold. Die Amnesty International Stadtgruppe Chemnitz ist - wie die meisten studentischen Initiativen - stets auf der Suche nach neuen Mitgliedern. Motivation sei das Stichwort zum Mitmachen, so sieht es die 22-jährige Psychologie-Studentin Sabrina Schmidt: "Ich bin seit Anfang 2013 dabei, denn mir liegt das Thema Menschenrechte sehr am Herzen. Ich finde die Strukturen der Amnesty International unterstützenswert. Man erhält hier einen festen Rahmen, um sich engagieren zu können."
(Autorin: Victoria Graul)
Mario Steinebach
23.12.2013