Nachhaltigkeit muss frühzeitig mitgedacht werden
Forschungsteam der TU Chemnitz, der TU Dresden und der TU Bergakademie Freiberg veröffentlichten richtungsweisende Studie zur Produktentwicklung im „Journal of Cleaner Production“
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Tom Hunger und Prof. Dr. Marlen Gabriele Arnold haben an der publizierten Studie mitgewirkt. Foto: BWL - Betriebliche Umweltökonomie und Nachhaltigkeit
Ein Forschungsteam der drei sächsischen Technischen Universitäten hat im renommierten „Journal of Cleaner Production“ eine umfassende kritische Analyse veröffentlicht, die sich mit der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in den frühen Phasen der Produktentwicklung beschäftigt. Die Studie trägt den Titel „Integrating sustainability facets into the early stages of new product development using multi-criteria tools – a critical review“ und beleuchtet systematisch die Herausforderungen und Chancen, nachhaltige Kriterien bereits frühzeitig in der Konzeptions- und Designphase neuer Produkte wirksam zu verankern. „Nachhaltigkeit darf nicht erst am Ende gedacht werden – sie muss bereits ganz am Anfang eines Entwicklungsprozesses systematisch berücksichtigt werden“, erklärt Erstautor Tom Hunger von der Professur BWL - Betriebliche Umweltökonomie und Nachhaltigkeit der Technischen Universität Chemnitz.
Die Autorinnen und Autoren – Tom Hunger, Prof. Dr. Marlen Gabriele Arnold (TU Chemnitz), Prof. Dr. Sven Engesser (TU Dresden) und Prof. Dr. K. Gerald van den Boogaart (HZDR/TU Bergakademie Freiberg) – kritisieren in ihrer Studie, dass bestehende Methoden wie die Multi-Criteria Decision Analysis (MCDA) bislang kaum in frühen Produktentwicklungsphasen genutzt werden, um Nachhaltigkeit ganzheitlich zu integrieren. Insbesondere soziale, kulturelle und politische Dimensionen würden in frühen Entwicklungsphasen oft vernachlässigt, obwohl gerade sie für eine tragfähige Produktentwicklung im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele zentral seien.
Aktuelle Relevanz der Studie
Die Ergebnisse der Studie sind hochaktuell: Neue gesetzliche Rahmenbedingungen wie die EU-Ökodesign-Richtlinie (2024/1781), das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und der digitale Produktpass rücken die vollständige Transparenz von Produktdaten – etwa zur Herkunft, Reparierbarkeit oder Recyclingfähigkeit – ins Zentrum der Produktentwicklung. Die aktuelle Studie liefert dafür praxisnahe Handlungsempfehlungen. Beispielhaft zeigt die Forschung auf, wie ein ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansatz frühzeitig zu besseren Entscheidungen führen kann, etwa bei der Auswahl von Materialien oder der Gestaltung modularer Produktkonzepte, die Reparatur und Wiederverwendung erleichtern.
Impulse für Forschung und Industrie
Die Autorinnen und Autoren plädieren für die Entwicklung neuer, softwaregestützter Entscheidungstools, die verschiedene Nachhaltigkeitskriterien integriert abbilden. Sie fordern eine stärkere Verknüpfung von Nachhaltigkeit, Innovationsforschung und Produktentwicklung. Zudem stellen sie eine Forschungsagenda zur Verfügung, der konkrete Schritte für Wissenschaft und Wirtschaft beschreibt. Prof. Dr. Marlen Gabriele Arnold betont: „Ein zukunftsfähiges Produktdesign verlangt, dass wir technologische Innovationen mit gesellschaftlicher Verantwortung verbinden. Die frühe Integration von Nachhaltigkeit ist der Schlüssel zu resilienten, wettbewerbsfähigen und ökologisch tragfähigen Produkten und Geschäftsmodellen.“ Mit diesem neuen Denkanstoß zielt die Studie darauf ab, Nachhaltigkeit umfassender und weitsichtiger zu denken und nicht an starren Mustern festzuhalten. „In einer von Komplexität gekennzeichneten Welt gilt es die Nachhaltigkeit strukturiert anzugehen und zukünftige Auswirkungen frühzeitig mitzudenken“, so Arnold abschließend.
Kontakt: Tom Hunger, BWL - Betriebliche Umweltökonomie und Nachhaltigkeit der TU Chemnitz, E-Mail: tom.hunger@wiwi.tu-chemnitz.de
Publikation: Hunger, T., Arnold, M.G., Engesser, S., van den Boogaart, K.G. (2025). Integrating sustainability facets into the early stages of new product development using multi-criteria tools – a critical review. Journal of Cleaner Production. https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2025.145834
Mario Steinebach
13.06.2025