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Studie der TU Chemnitz weist Zusammenhang zwischen Migrationsstatus und Impfbereitschaft nach

Ein Forschungsteam der TU Chemnitz zeigt geringere Impfbereitschaft europäischer Migrantinnen und Migranten auf und findet Einflussfaktoren wie Aufenthaltsdauer, Religiosität, Medienkonsum und politisches Vertrauen

Es hat sich im Zuge der COVID-19-Pandemie gezeigt, dass Migrantinnen und Migranten eine besonders gefährdete Gruppe sind. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Jochen Mayerl, Inhaber der Professur Soziologie mit dem Schwerpunkt Empirische Sozialforschung an der Technischen Universität Chemnitz, sowie seinem Wissenschaftlichen Mitarbeiter Manuel Holz, Erstautor der nun vorgestellten Studie, wollte herausfinden, ob diese Gruppe die Impfung nutzt, um sich zu schützen. Und falls nicht, welche Gründe dafür ausschlaggebend sind. Darüber hinaus wollten sie wissen, ob es Unterschiede zu Deutschen ohne Migrationshintergrund gibt.

Laut den Ergebnissen gaben 17,3 Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund an, sich eher nicht impfen zu lassen. Unter Migrantinnen und Migranten der ersten Generation lag diese Tendenz bei 27,4 Prozent. Zudem war die Unentschlossenheit in der Gruppe der Befragten mit Migrationshintergrund mit 19 Prozent höher im Vergleich zu denjenigen ohne Migrationshintergrund (12,1 Prozent). Grundlage war die Auswertung einer Online-Befragung aus dem Jahr 2021, an der etwa 1.000 Befragte teilnahmen. Die ausgewertete Stichprobe beinhaltete ausschließlich Migrantinnen und Migranten der ersten Generation sowie Deutsche ohne Migrationshintergrund. Der Großteil der Befragten mit Migrationshintergrund stammte aus Polen, Russland, Rumänien, Italien sowie aus der Türkei und der Ukraine.

Deutschkenntnisse hatte das Team vorausgesetzt. Daher ist die Stichprobe verzerrt, worauf die Forscherinnen und Forscher in der Diskussion der Ergebnisse in der Studie auch hinweisen. So ging das Team aufgrund früherer Erkenntnisse davon aus, dass Personen mit geringen Sprachkenntnissen beziehungsweise mit eingeschränkten Möglichkeiten, sich selbstbestimmt im institutionellen Alltag des Ziellandes zu bewegen, seltener geimpft beziehungsweise dazu bereit sind.  

Die Studie mit dem Titel „How Does Migration Background Affect COVID-19 Vaccination Intentions? A Complex Relationship Between General Attitudes, Religiosity, Acculturation and Fears of Infection“ ist im Fachmagazin „Frontiers in Public Health“ erschienen.

Komplexes Zusammenspiel von Einflussfaktoren: Bildung und Aufenthaltsdauer haben großen Einfluss

Die Dauer des Aufenthaltes hat einen großen Effekt auf die Impfbereitschaft – die Forscherinnen und Forscher sprechen von „Jahren seit der Einwanderung“ (JSE). So sind Menschen mit Migrationshintergrund eher zur Impfung bereit, wenn sie bereits mehrere Jahre in Deutschland leben. Die Dauer des Aufenthaltes hat wiederum Einfluss auf weitere Einflussfaktoren wie zum Beispiel den Medienkonsum. Verkürzt kann man sagen: Je mehr JSE desto mehr Medienkonsum aus Deutschland und desto größer der Einfluss auf eine Impfentscheidung. Dieser Faktor hatte wiederum Einfluss auf das politische Vertrauen, stärkte das Gesundheitsbewusstsein und resultierte in einer größeren Impfbereitschaft.

Der Bildungsstand allein hatte einen sehr großen Einfluss auf die Impfbereitschaft – je höher der Bildungsstand desto größer die Impfbereitschaft. Konkret fragten die Forscherinnen und Forscher, ob die Befragten das Abitur bzw. die Fachhochschulreife hatten oder keinen Abschluss bzw. über einen Volksschul-, Hauptschul- oder Realschulabschluss verfügten. Bildung hatte ebenfalls Einfluss auf die Religiosität von Migrantinnen und Migranten, wobei diese eher diffuse Effekte auf die Impfbereitschaft zeigte.

Diffuse Effekte von Religiosität

Religiosität zeigte sowohl positive wie negative Effekte. So könne eine hohe Religiosität zu höherer wahrgenommener Verantwortung für andere führen und damit zu einer höheren Impfbereitschaft. Das Team beobachtete aber auch den gegenteiligen Effekt – dass eine hohe Religiosität die Angst vor Ansteckung und Impfbereitschaft senken können.

„Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass Migrantinnen und Migranten in Deutschland durch die insgesamt niedrigere Impfbereitschaft einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, sich mit Corona anzustecken und Schäden durch schwerere Verläufe zu nehmen“, sagt Holz. Darüber hinaus sollten „alle Arten von Gesundheitsinformationen in den Zielsprachen wie Russisch, Polnisch, Arabisch, Türkisch, Farsi oder Kurmandschi angeboten werden, insbesondere auf offiziellen Regierungs-Websites.“ Zudem sollten religiöse Lehren thematisiert und der kollektive Nutzen von Impfungen betont werden. Das können zum Beispiel Hinweise in Impfkampagnen sein, dass die Gesundheitsvorsorge konform mit Forderungen religiöser Werte ist. „Die Ergebnisse spiegeln auch die häufigen Forderungen von Wissenschaftlern im Bereich der öffentlichen Gesundheit wider, dass Impfkampagnen auf die Merkmale und Prädispositionen der Zielbevölkerung zugeschnitten sein müssen.“

Hintergrund: 5C-Modell

Ihrer Studie zu Grunde legte das Team das sogenannte „5C-Modell“. Dieses geht davon aus, dass Individuen Krankheiten vermeiden wollen und erwarten, dass bestimmte Maßnahmen Krankheiten verhindern. Dabei gibt es fünf Grundannahmen – sogenannte „Antezedenzien“ – mittels derer die Forscherinnen und Forscher die Entscheidung für oder gegen die Impfung erklären. Bei diesen fünf Antezedenzien handelt es sich um

1) Vertrauen (Confidence)

2) Risikowahrnehmung (Complacency)

3) Barrieren in der Ausführung (Constraints)

4) Ausmaß der Informationssuche (Calculation)

5) Kollektive Verantwortung (Collective responsibility)

Publikation:  Holz, Manuel et al. How Does Migration Background Affect COVID-19 Vaccination Intentions? A Complex Relationship Between General Attitudes, Religiosity, Acculturation and Fears of Infection. Frontiers in Public Health 10, 2022. DOI: 10.3389/fpubh.2022.854146      

Weitere Informationen erteilt Manuel Holz, Telefon +49 371 531-34360, E-Mail manuel.holz@hsw.tu-chemnitz.de.

(Autor: Matthias Fejes)

Mario Steinebach
23.05.2022

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