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Verborgene Schätze der Universitätsbibliothek

Mehr als 38.000 Bände umfasst der wissenschaftliche Altbestand der Universitätsbibliothek Chemnitz – darunter sind auch besonders wertvolle Stücke

"Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen“, wusste schon Benjamin Franklin. Mit über einer Millionen Bücher Gesamtbestand stellt die Universitätsbibliothek (UB) der TU Chemnitz deshalb auch pro Studierenden fast 100 mit Wissen gefüllte Bücher zur Verfügung. Was aber von den meisten im Laufe ihres Studiums unbemerkt bleibt: Neben dieser aktuellen Literatur verfügt die UB auch über einen wissenschaftlichen Altbestand, in dem besonders schützenswerte Exemplare von kulturhistorischem Wert unter großem Aufwand vor dem Verfall bewahrt werden. „Original ist einfach Original“, ist sich Joachim Stemmler, Fachreferent an der UB, der seit Kurzem für den wissenschaftlichen Altbestand verantwortlich ist, sicher. Zwar sei der Inhalt dieser Werke mittlerweile digital gesichert, doch ginge durch die Digitalisierung auch etwas vom Buch verloren. „Spätestens seit dem Bibliotheksbrand in Weimar, weiß man die Bedeutung der alten Kulturwerke wieder höher zu schätzen.“ Bei dem schweren Brand wurden im Jahre 2004 fast 70.000 wertvolle Bücher zerstört oder schwer beschädigt. Seitdem wird deutschlandweit auf den Erhalt dieser oft vernachlässigten Schätze verstärkt hingewiesen und dieser auch eingefordert.

Von den rund 25.000 Monografien und etwa 13.000 Zeitschriftenbänden des Chemnitzer Altbestandes stammen die meisten Bände aus den Anfängen der UB, also aus dem 19. Jahrhundert. Es finden sich dort aber auch einzelne Schriften, die bis ins 16. Jahrhundert datiert werden können. Eine kleine Auswahl herausragender Einzelstücke soll hier exemplarisch vorgestellt werden.

Eines der ältesten und bedeutendsten Bücher des Altbestandes ist das Hauptwerk des Chemnitzer Bürgermeisters, Universalgelehrten und Arztes Georgius Agricola, „De Re Metallica“. Das 1556 kurz nach seinem Tod in Latein erschienene Werk rund um die Metallverarbeitung wurde ein Jahr darauf auch in deutscher Übersetzung veröffentlicht – ein Exemplar dieser ersten Auflage ist seit einigen Jahren im Besitz der UB. Es gilt als Anfang der Bergbauwissenschaften und war zwei Jahrhunderte lang das Standardwerk für die wissenschaftliche Behandlung des Bergbaus und der Metallverarbeitung. Sein Wissen erwarb Agricola vor allem auf empirischem und pragmatischem Wege, indem er Bergmänner und Hüttenleute vor Ort bei ihrer Arbeit studierte. Beeindruckend sind die 273 Holzschnitte, die detailgetreu die Technologie des Bergbaus im 16. Jahrhundert wiedergeben. Interessant ist zudem, dass der spätere US-Präsident Herbert Hoover im Jahre 1912 gemeinsam mit seiner Frau die erste englischsprachige Übersetzung des Buchs anfertigte und veröffentlichte. Normalerweise lagert dieser kostbare Foliant unter klimatisierten und lichtgeschützten Bedingungen im Bibliotheksmagazin, zur Zeit ist er aber ans smac, das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz, im Rahmen einer Kooperation verliehen und kann dort noch bis Ende Dezember bewundert werden.

Noch etwas älter als Agricolas Werk und damit das älteste Buch der Universitätsbibliothek ist die „Ars Grammatica“, ein über 460 Jahre altes grammatisches Handbuch des römischen Sprachlehrers Flavius Sosipater Charisius, der im vierten Jahrhundert lebte. Ursprünglich diente es dazu, den griechischsprachigen Bewohnern im Osten des Römischen Reiches die lateinische Sprache zu vermitteln. Die vom gebürtigen Chemnitzer Epigraphiker und Humanisten Georgius Fabricius 1551 verfasste Neuauflage umfasst 429 Seiten und wurde vor 16 Jahren von der UB erworben. Bemerkenswert sind der reliefverzierte Einband und die kunstvoll geschmückten Initialen am Anfang eines jeden Kapitels. Metallklammern schützen das über 2.000 Euro wertvolle Werk vor dem versehentlichen Aufblättern.

Neben Büchern umfasst das zur UB gehörige Universitätsarchiv auch Kartensammlungen, grafische Werke und Gegenstände. Der wohl wertvollste davon ist das sogenannte Thomas Arithometer von 1865. Von diesen mechanischen Rechenmaschinen produzierte der Erfinder Charles Xavier Thomas de Colmar in seiner Werkstatt etwa 1.200 Stück. Davon erhalten sind neben dem Chemnitzer Modell nur wenige andere Exemplare, die in renommierten Einrichtungen wie dem Deutschen Museum in München oder dem Science Museum in London zu finden sind. Das Stück holte damals Adolf Ferdinand Weinhold, Namensgeber des gleichnamigen Baus an der Reichenhainer Straße, nach Chemnitz. Er war Lehrer für Physik an der Höheren Gewerbschule, wie die heutige TU damals genannt wurde, und zudem begeisterter Techniknutzer. Das Gerät kann alle vier Grundrechenarten rasch durchführen und wurde zur Zeitersparnis im Geschäftswesen entwickelt. Sein heutiger Wert lässt sich nicht genau bestimmen, da es keinen richtigen Markt für dieses Sammlerstück gibt. Da es Teil des Universitätsarchivs ist, ist es aber ohnehin nicht für den Verkauf vorgesehen.

Eine weitere Kostbarkeit ist der Atlas von Matthäus Daniel Pöppelmann, königlicher Oberlandbaumeister unter August dem Starken und eine der prägenden Gestalten des Dresdner Barocks. Der 1729 erschienene Foliant ist eines von elf in deutschen Bibliotheken erhaltenen Exemplaren und enthält zahlreiche Kupferstiche des Architekten zu seinem berühmtesten Werk, dem Dresdner Zwinger. Mit der Herausgabe folgte er dem Beispiel anderer bedeutender Architekten seiner Zeit, um sein Schaffen über die Region hinaus bekannt zu machen und so für seinen eigenen Nachruhm zu sorgen. Neben den realisierten Plänen enthält das Werk auch Entwürfe, die nie umgesetzt wurden. Aus zeitlichen wie finanziellen Gründen scheiterte das Vorhaben, noch weitere Bauten des mit 76 Jahren verstorbenen Architekten abzubilden, zu denen neben den Schlössern Pillnitz und Großsedlitz auch die Neugestaltung des Jagdschlosses Moritzburg gehört. So blieb es bei jeweils einem Kupferstich zum Japanischen Palais und zum 238.000 Litern fassenden Riesenfass der Feste Königstein. Das wertvolle Buch wurde im Rahmen des Buchpatenprojekts der Universitätsbibliothek Chemnitz aufwendig restauriert und bleibt so der Nachwelt erhalten.

Viele Exemplare des Altbestandes sind jedoch noch immer vom Verfall bedroht. Um sie davor zu schützen, werden Mittel benötigt, die den zur Verfügung stehenden Etat deutlich übersteigen. Daher ist für die Erhaltung und Konservierung dieser kostbaren, teilweise einmaligen, Stücke Hilfe von Dritten unabdingbar. Mit einer Buchpatenschaft haben private Förderer und Gönner die Möglichkeit, die Restaurierungskosten eines Buches ganz oder teilweise zu tragen. Auf der entsprechenden Internetseite können sich Interessierte die bedrohten Druckwerke exemplarisch ansehen und zugleich etwas über die notwendigen Restaurierungsmaßnahmen und die dazugehörigen Kosten erfahren. So benötigt beispielsweise das vom deutschen Chemiker Otto Damman herausgegebene Lexikon zur Lebensmittelüberwachung unter anderem eine Falz- und Einbandrestaurierung, um es für die Nachwelt zu erhalten. Das Buch ist 127 Jahre alt und war das erste Nachschlagewerk für den damals neuen Bereich der staatlichen Nahrungsmittelüberwachung. Die Kosten für die sachgemässe Restaurierung betragen knapp 400 Euro. Stemmler bringt die Problematik auf den Punkt: „Alte Bücher sind kostbar, aber sie kosten eben auch.“

(Autor: Sebastian Muckelbauer)

Weitere Informationen zu Buchpatenschaften: https://www.tu-chemnitz.de/ub/projekte-und-sammlungen/projekte/buchpaten/buchpatenschaften.html

Mario Steinebach
01.12.2014

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