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Geldanlage - elf Regeln für eine gute Bauchentscheidung

Prof. Dr. Friedrich Thießen, Professor für Finanzwirtschaft an der TU Chemnitz, stellt elf neue Regeln für die Anlage von Geld auf

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Prof. Dr. Friedrich Thießen Foto: Christine Kornack

"Die Finanzmärkte verändern sich mit rasanter Geschwindigkeit. Das führt dazu, dass Handlungen, die sich früher einmal bewährten, jetzt besser unterlassen werden sollten. Andere längst überkommen geglaubte Verhaltensregeln erfahren eine Renaissance", beobachtet Prof. Dr. Friedrich Thießen, Inhaber der Professur Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der TU Chemnitz. Viele Anleger würden aus dem Bauch heraus entscheiden, stellt er fest. "Das ist gar nicht zu kritisieren, denn alle Faktoren kann ohnehin niemand korrekt berücksichtigen", so der Finanzexperte. Trotzdem hat er elf Faustregeln aufgestellt, die Anleger auch einer Bauchentscheidung zugrunde legen sollten.

1. Kaufen Sie keine modischen Produkte
"Produkte werden heute auf aktuelle Marktstimmungen hin getrimmt", beobachtet Prof. Dr. Friedrich Thießen. Das Ökolux-Zertifikat komme beispielsweise genau dann, wenn in der öffentlichen Diskussion Öko-Themen dominieren, und der Chinafonds, wenn über Ostasien geredet wird. Diese modischen Produkte versprechen Chancen, die im Lichte gerade aktueller Diskussionen glaubwürdig erscheinen. Aber: "Letztlich bleibt oft nur der Kostennachteil überteuerter Produkte übrig", warnt der Chemnitzer Finanzexperte. "Der einzige Nutzen für den Anleger besteht meist darin, eine gewisse Zeit das gute Gefühl gehabt zu haben, ein schickes Produkt zu besitzen. Wer damit zufrieden ist, sollte zeichnen." Allen anderen aber rät er, bei der Geldanlage nicht mit der Mode zu gehen.

2. Kaufen Sie nur Produkte, die Sie verstehen
"Wenn Sie irgendetwas nicht verstanden haben, greifen Sie nicht zu", warnt Prof. Thießen. Der Grund ist einfach: "Sie sind nicht der Einzige, der nicht alles versteht und es sich erklären lassen muss. Die meisten Anleger vermeiden es aber, bei ihren Fragen in die Tiefe zu gehen oder nachzubohren. Produkte können deshalb speziell auf die Verständnisunfähigkeit der Anleger hin kreiert werden. Versteckte Kosten und Risiken werden dort eingebaut, wo der Kunde erfahrungsgemäß nicht weiter recherchiert", stellt Prof. Thießen fest. Der Anleger hat zwei Möglichkeiten: Entweder er arbeitet sich intensiv in das Produkt ein oder er lässt die Finger davon.

3. Bevorzugen Sie im Zweifel langfristige Strategien mit geringem Umschlag
Wer kein überlegenes Marktwissen hat, muss versuchen, wenigstens die durchschnittliche Marktrendite zu verdienen. "Dazu dürfen Sie nicht laufend kaufen und verkaufen, denn die Marktrendite wird vor Transaktionskosten berechnet", erklärt Prof. Thießen. Diese Transaktionskosten könnten den ganzen Gewinn auffressen, deshalb sollten Anleger langfristige Strategien bevorzugen, auch wenn sie nur mit geringen Gewinnen locken. Der Tipp des Chemnitzer Professors: "Führen Sie ein Buch, in das Sie alle Käufe zuzüglich Kosten und alle Verkäufe abzüglich Kosten eintragen. Wenn sich Ihre Strategien dann noch rechnen, können Sie weitermachen."

4. Vorsicht bei Zertifikaten, die zu Preisen um die "100" angeboten werden
"Passen Sie auf, was ein Produkt wirklich wert ist: Wenn 100 draufsteht, ist oftmals nicht 100 drin", warnt Prof. Thießen. Viele Produkte werden mit Preisen oder Kursen um die 100 Euro angeboten. Dieser Wert hat einen guten Ruf, der historisch gewachsen ist. "Viele Anleger achten nicht auf die Preiswürdigkeit, sondern halten alles, was zu 100 angeboten wird, auch für 100 Euro wert. Sie sollten der Magie der runden Zahl nicht trauen. Lassen Sie sich zeigen, wo der faire, finanzmathematisch korrekte Wert der Titel liegt", rät der Professor für Finanzwirtschaft. Denn oft sei ein Produkt, das 100 Euro koste, nur 95 Euro wert.

5. Produkte, die eine Risikominderung versprechen, sind oft überteuert
"Vorsicht, wenn Produkte mit dem Argument einer Risikominderung verkauft werden", warnt Prof. Thießen. Viele Anleger seien für gänzlich risikofreie Titel empfänglich, die eine Kapitalgarantie versprechen. "Solche Titel lohnen sich nicht immer, trotzdem hat sich eine Vorliebe für zumindest risikogeminderte Produkte gehalten. Aber Vorsicht: Man sollte genau aufpassen, wie viel Risikominderung man für welchen Preis bekommt", legt Prof. Thießen dar. Denn Verwaltungsgebühren der Fondsanbieter würden häufig den erzielten Gewinn vernichten.

6. Meiden Sie komplexe Strategien, die Ihnen im Rahmen teurer Produkte vorgeschlagen werden
Es werden mehr und mehr so genannte strukturierte Produkte angeboten, die so konstruiert sind, dass sie mehrere Ziele des Anlegers gleichzeitig erfüllen sollen - beispielsweise eine Beteiligung am Marktwachstum bei gleichzeitiger Sicherung des Kapitals. Prof. Thießen warnt: "Oft leisten solche Produkte gar nicht genau das, was sich der Anleger vorstellt, sind überteuert oder enthalten in ihrer Komplexität versteckte Risiken." Sein Tipp: "Nehmen Sie sich die Zeit und formulieren Sie die Ziele, die Sie wirklich verfolgen wollen, einmal genau. Dann suchen sie die einfachsten Produkte - Aktien, Anleihen oder Einlagen -, mit denen sich diese Ziele näherungsweise verfolgen lassen."

7. Meiden Sie Anlagen, die mit dem Argument "Beimischung" angeboten werden
"Mit dem Hinweis darauf, dass sich bestimmte Anlagen besonders als Beimischung zu einem bestehenden Grundportfolio eigneten, gibt es heute die verrücktesten Angebote. Beim Wort Beimischung sollten Sie hellhörig werden", empfiehlt Prof. Thießen. Beigemischt werden sollen meistens Anlagen, die ein hohes Risiko haben. Das soll dadurch entschärft werden, dass bei den Anlagen, die bereits im Portfolio enthalten sind, und denen, die beigemischt werden sollen, unterschiedliche Risiken auftreten. Das ist in vielen Fällen aber keinesfalls gesichert.

8. Trauen Sie Indexprodukten nur, wenn sie sich auf ältere Indizes beziehen
"Passen Sie auf, wenn Sie Produkte kaufen, die sich auf einen Index beziehen. Denn Index ist nicht gleich Index!", sagt Prof. Thießen. "Die älteren Indizes - wie Dow Jones, DAX, Stoxx oder Rex - haben ein hohes Image. Jeder kennt sie und kann ihnen vertrauen. Dass ein Index eine manipulierte Sache sein kann, ist noch kein verbreitetes Wissen", meint Thießen. Neue Indizes würden speziell dazu geschaffen, neue Anlagemöglichkeiten zu vermarkten. Dazu werde manchmal die Zusammensetzung nachträglich retouchiert, bei anderen Indizes sei die Schwankung der Aktienkursen und Zinsen geschönt, beobachtet Prof. Thießen und empfiehlt: "Viele moderne Indizes sind so kompliziert, dass ein Laie sie nicht verstehen kann. Trauen Sie im Zweifel nur älteren Indizes, die es seit Langem gibt."

9. Verachten Sie die klassischen Einlageprodukte nicht
"Ohne Transaktionskosten und ohne Risiken sind die klassischen Einlageprodukte auch langfristig interessante Anlagen", empfiehlt Prof. Thießen. Viele der Kapitalmarktprodukte, die jeden Monat neu auf den Markt kommen, würden hingegen schwer einschätzbare Risiken bergen, so der Finanzexperte: "Der anfängliche scheinbare Renditenachteil der klassischen Einlagen kann sich langfristig und netto gerechnet ins Gegenteil verkehren. Viele Banken überschlagen sich derzeit mit attraktiven Renditen auf Einlagen in der Hoffnung, die Anleger später für Kapitalmarktprodukte zu gewinnen. Bleiben sie einfach bei den Einlagen - mit ihnen haben Sie eine Sicherheit über die zu erwartenden Erträge", so sein Tipp.

10. Orientieren Sie sich nicht an Markowitz
Mehr und mehr Anlageberater empfehlen eine Portfoliooptimierung nach der Methode des Nobelpreisträgers Harry M. Markowitz. "Vorsicht vor solchen Vorschlägen", warnt Prof. Thießen. Markowitz habe 1952 nur zeigen wollen, dass man bei der Zusammenstellung eines Portfolios vor allem die Unterschiedlichkeit der Risiken der einzelnen Portfoliobestandteile beachten sollte. "Das ist nach wie vor richtig. Das Problem ist aber, wie man die Unterschiedlichkeit misst", urteilt Prof. Thießen. "Beim derzeitigen Stand der Kapitalmärkte führt eine Portfoliooptimierung nach Markowitz oftmals zu Investitionen, die langfristig nicht robust sind, ständig umgeschichtet werden müssen und hohe Transaktionskosten verursachen", urteilt Prof. Thießen.

11. Fühlen Sie sich nicht in jedem Fall durch neue Finanzmarktgesetze geschützt
Anlegerschutz ist zwar ein wichtiges Ziel der Regulierung des Finanzmarktes, aber in den wenigsten Fällen alleinige Richtschnur der Gesetze. "Die Gesetze stellen Spielregeln für die Branche dar. Sie werden so formuliert, dass die wichtigsten Geschäftsmodelle der Branchenplayer nicht angetastet werden. Man lässt bewusst Schlupflöcher zur Erzielung der notwendigen Margen", erläutert Prof. Thießen. Genau diese Kosten sind es aber, die sich der Bankkunde gerne erspart hätte.

Wer diese elf neuen Regeln bei seiner Geldanlage beachtet, kann auch mit einer Bauchentscheidung Erfolg haben. Aber: "Es handelt sich um allgemeine Faustregeln! Natürlich kann es im Einzelfall auch ganz anders aussehen. Es gibt phantastische Produkte, die moderne Banken heute anbieten. Und es gibt phantastische Berater, die mit viel Einsatz und Leistungswillen das Beste für jeden Kunden herausfinden", so Prof. Dr. Friedrich Thießen.

Eine ausführlichere Fassung dieser elf Regeln finden Sie unter http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl4/interessantes/NeueRegelnGeldanlage.pdf.

Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Friedrich Thießen, Professur Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, Telefon 0371 531-26190, E-Mail friedrich.thiessen@wirtschaft.tu-chemnitz.de.

Katharina Thehos
19.12.2007

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