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Wenn ein umfangreicher Nachlass zur Fundgrube wird

Das Leben des Chemnitzer Studenten Wilhelm Tittelbach in den 1920-er Jahren kann im Universitätsarchiv der TU Chemnitz anschaulich nachgezeichnet werden

Eine Zeitreise ganz ohne Magie: Der im November 2005 der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Teilnachlass des einstigen Chemnitzer Studenten Wilhelm Tittelbach macht die Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte der Technischen Universität Chemnitz und ihrer Vorläufereinrichtungen erlebbar. Vor wenigen Wochen sind weitere Erinnerungsstücke an die Studienzeit dieses Studenten hinzugekommen.

Richtig interessant und lebendig wird Hochschulgeschichte, wenn man statt trockener Fakten aus einer Chronik den Lebensabschnitt eines  Studenten nach fast 100 Jahren näher kennenlernen kann – beispielsweise mit Hilfe des Nachlasses des einstigen Chemnitzer Studenten Wilhelm Tittelbach im Universitätsarchiv. Es umfasst mehrere Fotoalben, zahlreiche Schülermit- und Nachschriften sowie Pläne, Risse und Zeichnungen. „Damit kann man heute das Chemnitzer Studentenleben der 1920er-Jahre sehr gut nachvollziehen“, sagt Stephan Luther, Leiter des Chemnitzer Universitätsarchivs. Im Mai 2021 hat die Familie von Wilhelm Tittelbach  Erinnerungsstücke an das Archiv übergeben, darunter Arbeitsmittel des ehemaligen Studenten, wie Ziehfedern und ein Zeichenbrett zum Anfertigen von Konstruktionszeichnungen. Bereits 2005 erhielt das Archiv umfangreiche Studienunterlagen und private Fotos aus den 1920er-Jahren.

Zwischen Vorlesungssaal und Mensur: Aus dem Leben des Wilhelm Tittelbach

Der 1905 geborene Wilhelm Tittelbach lernte von 1921 bis 1923 an der Zeichenschule Chemnitz. Im Anschluss studierte er bis 1927 an der Staatlichen Bauschule Chemnitz. Beides waren Schulen im Chemnitzer Schulverband der Technischen Staatslehranstalten, die Vorläufereinrichtungen der heutigen TU Chemnitz sind. Während seiner Studienzeit drückte Tittelbach nicht nur fleißig die Schulbank, er war abseits von Vorlesungen und Seminaren auch in der Studentenvereinigung „Saxonia Chemnitz“ aktiv. Zahlreiche Gegenstände, die von Tittelbachs Mitgliedschaft in dieser städtischen Studentenverbindung zeugen, wirken heute veraltet und nicht mehr zeitgemäß. Doch tatsächlich gehörte es für einen Chemnitzer Studenten des frühen 20. Jahrhunderts zum guten Ruf, Mitglied in einer Studentenvereinigung zu sein. Das Prinzip dahinter: Wer beitritt – ob als aktiver oder ehemaliger Student – bleibt der Vereinigung ein Leben lang treu. Damit sich die Mitglieder der Verbindung untereinander erkennen konnten, gab es bestimmte Zeichen. Bei der „Saxonia Chemnitz“ war das u. a. die Farbkombination (sogenannte „Couleur”) Grün, Weiß und Gold, die als Abzeichen, Band und Mütze zur Schau gestellt wurde. “Darüber hinaus erkannten sich die Studenten auch an dem sogenannten Zirkel, das war eine Art Wappen aus den verschlungenen Anfangsbuchstaben des Verbindungsnamens”, erklärt Luther. Wilhelm Tittelbach stellte seine Galauniform in einem Porträtfoto aus dem Jahr 1927 stolz und mit ernster Miene zur Schau.

Derartige Exponate befinden sich heute im Universitätsarchiv. Ein weiteres auffälliges und heute durchaus umstrittenes Markenzeichen der damaligen Burschenschaften fehlt auf dem Foto auch nicht: Wilhelm Tittelbach stützt sich auf einen Schläger ab, mit denen sogenannte “Mensuren” ausgefochten wurden. „Mitglieder dieser Verbindungen trafen sich in der damaligen Zeit häufig zu derartigen Fechtkämpfen“, so Luther. In der Regel war der Körper bis auf das Gesicht bei einem solchen Kampf geschützt. Entstandene Narben in diesem Bereich nannte man “Schmiss”, die von den Studenten nicht etwa mit Scham, sondern mit Stolz getragen wurden. Ob auch Tittelbach einen solchen “Schmiss” abbekam, ist auf den im Archiv vorhandenen Fotos nicht zu erkennen.

Unbezahlbares Vermächtnis im Universitätsarchiv

Stephan Luther ist immer wieder aufs Neue überwältigt von der Größe und Dichte von Tittelbachs Überlieferung: “Erinnerungsstücke aus ehemaligen Studentenverbindungen sind tatsächlich nicht so selten, denn Signien, Studentenmützen und -bänder sind meistens hübsch anzuschauen und werden seltener weggeschmissen. Aber die Studiennotizen von Tittelbach sind schon etwas sehr Besonderes und machen diesen Nachlass deshalb so bedeutend.” Wilhelm Tittelbach sowie sein Sohn Lothar waren beide begeisterte Sammler und Hobby-Archivare. So dokumentierten beide in Foto- und Schriftform die Geschichte der Familie – ein Glück für das Chemnitzer Universitätsarchiv. „Denn dank der zahlreichen Erinnerungsstücke lässt sich nicht nur Tittelbachs Engagement in der Studentenverbindung, sondern auch seine berufliche Entwicklung mit Hilfe dieses unbezahlbaren Vermächtnisses sehr gut nachverfolgen und erforschen“, so Luther. So sei beispielsweise auch die Rezeption des damals gelehrten Stoffes sehr gut möglich.

Interessierte können sich, sobald es die Corona-bedingte Lage wieder erlaubt, Wilhelm Tittelbachs umfangreichen Nachlass im Universitätsarchiv aus nächster Nähe anschauen.

Weitere Informationen erteilt der Leiter des Chemnitzer Universitätsarchivs, Stephan Luther, Telefon 0371 531-32694.

Hinweis: Informationen zum Studienalltag weiterer Studenten, die vor etwa 100 Jahren in Chemnitz studierten, sowie zu den Kleidungsgewohnheiten von Studierenden des 19. und 20. Jahrhunderts finden Interessierte in "175 - Das etwas andere Jubiläumsbuch". Das Buch ist für 17,50 Euro  erhältlich und kann über pressestelle@tu-chemnitz.de bestellt werden.

(Autorin: Isabel Möller)

Mario Steinebach
28.06.2021

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