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"Entweder man ist Hamlet oder nicht"

"A Carrot is a Fruit": Studierende der Anglistik/Amerikanistik führten ein Gespräch mit Bogdan Koca und René Schmidt über den neuen "Hamlet" im Schauspielhaus Chemnitz

  • Studierende des Masterstudiengangs Anglistik/Amerikanistik erhielten im Schauspielhaus von Regisseur Bogdan Koca (nicht im Bild) und Dramaturg René Schmidt Einblicke in die Praxis, die weltberühmte Tragödie und vor allem den Charakter des Hamlet auf die Bühne zu bringen. Foto: Max-Otto Mattern

Studierende des Masterstudiengangs Anglistik/Amerikanistik kehrten am Freitag, dem 7. Februar 2014 zusammen mit Prof. Dr. Cecile Sandten der Theorie des Seminars "Hamlet in Adaptation" den Rücken zu: Im Schauspielhaus standen Regisseur Bogdan Koca (für eine Stunde) und Dramaturg René Schmidt den Studierenden mit ihren kritischen Fragen Rede und Antwort und gaben Eindrücke aus der Praxis, die weltberühmte Tragödie und vor allem den Charakter des Hamlet auf die Bühne zu bringen.

Und das sei alles andere als einfach: Hamlet als Charakter sei faszinierend, ihn "richtig" umzusetzen aber quasi unmöglich. "Entweder man ist Hamlet oder nicht", erklärte Regisseur Bogdan Koca, der an der Warschauer Theaterakademie studierte und 20 Jahre lang im australischen Sydney als Regisseur tätig war, bevor er nun in Chemnitz am Schauspielhaus Station macht. Wer könne sich schon wirklich in Hamlets Lage hineinversetzen, wo ein Mensch heutzutage nicht einmal ein Prozent der Dinge erleben würde, mit denen sich Hamlet schon konfrontiert gesehen habe? So würde Koca selbst diese Rolle nie spielen wollen. Schauspieler Stefan Migge, der den Hamlet spiele, sei daher für den Regisseur eine Kostbarkeit, die man selten finde. "Migge ist sehr speziell. Er denkt während er spielt und seine Darstellung ist eine permanente Suche", sagte der Regisseur.

Und so sei das auch mit den Proben bis hin zur Premiere der Fall: Das Umsetzen des Stückes vergleicht er mit einem Stein auf der Bühne, den er erst in seine Einzelteile zerschlagen müsse, um ihn dann als Ganzes erkennen zu können. "Für mich ist der Text Hamlet nur Inspiration", erläutert Koca. Die Interpretations- und Umsetzungsmöglichkeiten seien offen: "Wenn ich sage: `Ich liebe Dich´, dann steckt da viel dahinter und hat je nach Kontext unterschiedliche Auswirkungen." Das Drama entstehe dadurch, wie man diese Aussage erkläre, wie man die "neue" Realität des Stückes umsetze. Und so wie Hamlet selbst nie Antworten parat habe, sondern ständig neue Fragen aufwerfe, sollen auch der Prozess der Umsetzung sowie das Stück selbst als Kommunikation verstanden werden. "Es ablehnen, es lieben, es hassen, darüber nachdenken - der Moment, in dem du das Stück siehst, ist nur ein einzelner Moment deines Lebens", sagte Koca. "Er wird nie wieder in der Form kommen. Er gibt Input für jeden Einzelnen, über sich selbst nachzudenken." Jede Aufführung sei daher einzigartig, finde sie doch immer wieder vor einem anderen Publikum und mit einer neuen Dynamik statt, auf Seiten der Zuschauer wie auch der Schauspieler.

So wichtig wie die Menschen im Saal, sind aber auch diejenigen hinter der Bühne: "Das Besondere an Bogdan ist, dass er nichts durchinszeniert, viel erklärt, aber die Schauspieler auch loslassen kann und diese im Entstehungsprozess miteinbezogen sind", erklärte Dramaturg René Schmidt. Da kann es auch schon einmal passieren, dass der Regisseur eine von einem Schauspieler spontan durchgeführte Handlung oder Gestik so speziell findet, dass diese kurz vor der Premiere noch mit eingebaut werden muss. Generell werde das Stück eine moderne Komponente tragen: "Eine zentrale Frage wird sein, wie wir uns mit den Aufgaben, die wir im Leben übernehmen müssen, verändern", erklärt der Dramaturg. So werde die Ophelia im Stück zum Beispiel als eine 16-Jährige dargestellt, die dem Strudel der Macht nicht entkommt und bei der sich diese Überforderung am Ende als jugendliche Revolte manifestiert. Auch, dass Claudius im selben Alter ist wie Hamlet, ferner sein Jugendfreund und Kommilitone in Wittenberg und nach Regisseur Koca nicht für den Tod an Hamlets Vater verantwortlich ist, und der Geist des Vaters als Konzept in Hamlets Kopf entspringt, gibt grundlegend neue Interpretationsmöglichkeiten. Der Chemnitzer "Hamlet" arbeitet übrigens mit der zeitgenössischen, eher kargen, Übersetzung von Elisabeth Plessen, der einige eigene Elemente hinzugefügt werden. Warum nun die Karotte in Zukunft nicht mehr Gemüse, sondern Obst ist, wie Koca seine Ausführungen zum neuen "Hamlet" eröffnete, liegt in der neuen EU-Verordnung begründet. Seiner Ansicht nach weist diese absurde Bestimmung einmal mehr auf die in diesem Fall willkürliche Festschreibung von Dingen in der Welt hin. Einem solchen Ansatz stehe sein "Hamlet" entgegen.

Am 1. März wird das Stück im Schauspielhaus Premiere feiern, und obwohl das Meiste schon in seinen Grundzügen feststeht wird bis dahin noch viel am "neuen Hamlet" passieren: "Der Prozess bis dahin ist eine Reise, die ich genieße", meint Bogdan Koca.

(Autorinnen: Anna Scholaske und Lisa Kühnert)

Katharina Thehos
10.02.2014

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