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Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Pressemitteilungen

Pressemitteilung vom 30.06.1998

"Aber bloß keinen schwabbeligen Bauch"


Frauenringvorlesung

"Aber bloß keinen schwabbeligen Bauch!" Wie Männer und Frauen ihren Körper wahrnehmen

(Pressemitteilung 156/98)

Das waren noch Zeiten, als dick gleich schick war und wohlgerundete Hüften für Schönheit und eine robuste Gesundheit standen. Für unsere Vorfahren aus der Jungsteinzeit machten erst ein üppiger Busen, ein ausladender Po und voluminöse Oberschenkel eine richtige Frau aus. Das belegt etwa die "Venus von Willendorf", eine in Österreich gefundene Kalksteinfigur aus jener Zeit. Für Männer galt das Gleiche: "Laßt wohlbeleibte Männer im mich sein", heißt es noch bei Shakesspeare, und Karl der Dicke, deutscher Kaiser und Ur-Enkel Karls des Großen, ließ sich eigens einen Eßtisch anfertigen, in dem die Wölbung seines Bauches ausgespart war - andernfalls hätte seine Armlänge nicht mehr gereicht, die vielen kulinarischen Genüsse des Lebens in sich hineinzustopfen.

Doch diese Zeiten sind vorbei: Fitness ist angesagt. Als schön gilt nur noch, wer (als Mann) mit Waschbrettbauch und (als Frau) mit schlanken, langen Beinen daherkommt und außerdem (bei beiden Geschlechtern) einen knackigen Po vorweisen kann. Die Fitness-Studios boomen, an jedem Kiosk hängen Dutzende von Fitness-Zeitschriften.

Mittlerweile hat sich auch die Wissenschaft des Themas angenommen. Am Mittwoch, dem 1. Juli 1998 um 18.30 Uhr hält die Sportsoziologin Dr. Gabriele Sobiech an der Chemnitzer Uni, Straße der Nationen 62, Raum 375, einen Vortrag mit dem Titel "Aber bloß keinen schwabbeliggen Bauch! - Die Herstellung des sportiven Körpers". Der Vortrag richtet sich an alle Chemnitzer Bürger, der Eintritt ist frei. Die Veranstaltung ist Teil der Ringvorlesung "Literarische Weiblichkeitsentwürfe" die schon seit mehreren Semestern erfolgreich an der TU läuft. In diesem Jahr steht sie unter dem Generalthema "Männerkörper - Frauenkörper".

Warum steht unser Körper für Leistung und Erfolg? Warum arbeiten wir lebenslang an ihm und sind dabei abhängig von den Meinungen, den Wertungen, den Vergleichen Anderer? Weil unser Körper öffentlich für jeden sichtbar ist, so Frau Dr. Sobiech, und weil er unsere Eigenständigkeit nach außen deutlich machen und uns von anderen abgrenzen soll. Dabei spielen Werte wie Gesundheit, Lebensfreude und auch Entspannung eine Rolle; der Wettbewerb mit anderen ist uns dagegen weniger wichtig.

Freilich: Es gibt gewaltige Unterschiede im Körperbewußtsein von Frauen und Männern. Das macht Frau Dr. Sobiech am Beispiel des Bodybuilding deutlich. Während es Männern darum geht, sich weiter nach außen auszudehnen, noch mehr Muskeln, noch mehr Masse aufzubauen, sich gewissermaßen "breit" zu machen, ist bei Frauen das genaue Gegenteil der Fall: Sie wollen weniger werden, bis auch noch das letzte Gramm fett an ihrem Körper abgebaut ist. Manche Frauen gehen dabei so weit, daß sogar eines der Zeichen ihrer Weiblichkeit, die Monatsregel, ausbleibt. Denn die ist an Hormone und diese wiederum einen gewissen Fettgehalt im Körper gebunden.

Dabei kommen auch die dunklen Seiten des Körperbewußtseins zum Vorschein, etwa die Magersucht, oft verbunden mit anschließenden Freßattacken. Diese gefährliche Krankheit, bei der freilich die Familienverhältnisse eine wichtige Rolle spielen, kann im Extremfall zum Tode durch verhungern führen.

Verantwortlich für dies alles, so Frau Dr. Sobiech, sind unsere gesellschaftlichen Leitbilder für das, was "typisch" weiblich und was "typisch" männlich ist. So spielt bei Männern immer noch das Durchsetzungsvermögen und die Anpassungsfähigkeit eine große Rolle, während bei Frauen - auch von sich selbst aus betrachtet - häufig das Aussehen im Mittelpunkt steht. Und das führt dann nicht selten dazu, daß etwa Gewichtheberinnen als "Walküren" bezeichnet werden oder mehr über Farbe und Schnitt des Höschens einer Tennisspielerin berichtet wird als über ihre sportlichen Leistungen. (Autor Hubert J. Gieß)

Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Philosophische Fakultät, Thüringer Weg 11, 09107 Chemnitz, Dr. Margarete Hubrath, Tel. (03 71) 5 31-29 26, Fax (03 71) 5 31-29 20, E-mail: margarete.hubrath@phil.tu-chemnitz.de