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Praxisnähe erleben – Maschinenbau an der TU Chemnitz macht‘s möglich

Im Gespräch: Fritz Ziems, der die Schüler- und Studierendenwerkstatt an der Fakultät für Maschinenbau leitet, erläutert, wie kreative Ideen umgesetzt werden können

  • Mann und Junge stehen an einer Fräsmaschine
    Werkstattleiter Fritz Ziems (r.) erläutert dem Schüler Henry Kretzschmar das Fräsen an einer Maschine in der Schüler- und Studierendenwerkstatt. Foto: Lili Hofmann

Marmelade kochen, Pullover stricken oder Tomaten pflanzen: Produkte selbst herzustellen gewinnt in Zeiten des Klimawandels immer mehr an Bedeutung. Warum nicht dann auch Bauteile für seinen eigenen 3D-Drucker oder einen solarbetriebenen Roboter selbst bauen? Um das möglich zu machen, hat das Projekt TU4U an der Technischen Universität Chemnitz die Idee einer Werkstatt für Schülerinnen, Schüler und Studierende entwickelt und gemeinsam mit der Fakultät für Maschinenbau umgesetzt. Material, Know-how und Software bietet heute Fritz Ziems, der die Werkstatt leitet und ebenfalls beim Projekt TU4U angestellt ist, seit Mai 2019 in der Halle F auf dem Uni-Campus. Der Masterstudent im Fach Maschinenbau weiß aus eigener Erfahrung, dass es genug Ideen gibt, es bei den Studierenden aber oftmals an fehlenden Möglichkeiten scheitert. Was die Schüler- und Studierendenwerkstatt daran ändern kann, erzählt er im Interview.

Welches Ziel hat die Schüler- und Studierendenwerkstatt?

Zum einen wollen wir Schülerinnen und Schüler auf die Möglichkeiten an der TU Chemnitz aufmerksam machen und sie für technische Studiengänge interessieren. Zum anderen ermöglichen wir den Studierenden, dass sie ihr technisches Wissen aus der Vorlesung praktisch umsetzen können und lernen, eigene Ansätze zu entwickeln. Die Schüler- und Studierendenwerkstatt ist ein Ort, um seine eigenen Ideen und Projekte zu verwirklichen – egal, ob im Rahmen einer Vorlesung oder aus privatem Interesse.

Was kann man in der Werkstatt machen – was kann man nicht machen?

Es ist schon ziemlich viel möglich. Wir bieten die Grundlagen jeglicher mechanischer Bearbeitung: Wer zu uns kommt, kann hier drehen, fräsen, löten und bohren. Wir haben alles an analogen Werkzeugen da, was das Herz begehrt. Außerdem haben wir bis jetzt zwei 3D-Drucker, und es kommen noch mehr. Was man bei uns noch nicht machen kann, aber geplant ist, ist das Laserstrahlschneiden. Und die Bearbeitung von Blechen ist auch etwas schwierig. In diesem Bereich arbeiten wir aber eng mit den anderen Werkstätten und Professuren der Universität zusammen und ergänzen unsere technischen Möglichkeiten so. Außerdem laufen gerade die Renovierungsarbeiten für das benachbarte Schweißlabor, was zukünftig auch mitgenutzt werden kann.

3D-Drucker und Bohrmaschine – das klingt nach Innovation versus Tradition. Wie verbindet man alte und neue Techniken?

Es gibt verschiedene Dinge, die man mechanisch nicht bearbeiten kann und für die man dann den 3D-Drucker braucht. Wenn es um Metallbearbeitung geht, dann sind die Dreh- und Fräsmaschinen aber immer noch unverzichtbar. Der 3D-Drucker ist für das Prototyping essentiell: das bedeutet, zu überprüfen, ob das Werkstück, was ich mir vorstelle und konstruiere, wirklich machbar ist.

Muss ich Maschinenbaustudierender sein, um die Werkstatt nutzen zu können?

Nein. Die Schüler- und Studierendenwerkstatt ist für alle offen. Man muss keine Ahnung von Maschinenbau haben. Die Tüftler-Neugierde reicht vollkommen aus. Ich bin ja da und helfe dabei, Gesamtprojekte oder auch vage Ideen in die Realität umzusetzen.

Was wurde denn zum Beispiel in der Werkstatt schon gebaut?

Besonders beliebt unter den Studierenden ist der 3D-Drucker. Einige nutzen den 3D-Drucker, um sich Teile für ihre Projekte herzustellen. Zum Beispiel hat ein Studierender ein Pedal konstruiert, um einen Gitarren-Verstärker auch während des Spielens bedienen zu können. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Studierende können also während ihres Studiums konkrete Projekte umsetzen. Inwieweit können Schülerinnen und Schüler die Werkstatt nutzen?

Wir haben verschiedene Angebote für Schulen, die unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen. Zum Beispiel kann man in ein bis zwei Stunden einfache Schaltkreise löten, die dann zu einem „Pollino-Männchen“ zusammengesetzt werden. Ein anderes Projekt ist der Mendocino-Motor, ein magnetisch gelagerter und solarbetriebener Motor, der innerhalb von ein bis zwei Wochen hergestelllt werden kann. Also perfekt für die Ferien. Perspektivisch wollen wir auch ein Problemlösungstraining anbieten, bei dem ingenieurtechnische Denkweisen vermittelt werden sollen. Wir entwickeln unser Angebot stetig weiter.

Muss ich als Schülerin bzw. Schüler immer meine ganze Klasse mitnehmen?

Nein, neben den Angeboten für Schulklassen können Schülerinnen und Schüler auch selbstständig die Werkstatt nutzen. Henry Kretzschmar, der gerade hier im Labor arbeitet, absolvierte beispielsweise ein zweiwöchiges Schülerpraktikum bei uns. Für sein Kunstprojekt zum Thema Bauhaus designte er eine Verpackung im Bauhaus-Stil. Konkret entwarf er für die Spiele seiner „Nintendo-Switch Konsole“ ein speziell zugeschnittenes Verpackungssystem, das er mit Hilfe des 3D-Druckers umsetzen konnte.

Was spricht dafür, Dinge selbst zu erzeugen, zu tüfteln und zu basteln?

Die selbstgebauten Sachen haben für einen selbst einen ganz anderen Wert. Man hat Arbeit, Zeit und Überlegungen reingesteckt. Es schadet nie, neue Sachen kennenzulernen. Das ist für mich der Hauptgrund. Wir wollen auch vermitteln, dass es Spaß macht, Dinge selber herzustellen, anstatt sich darauf zu verlassen, dass irgendjemand für einen genau das produziert, was man will. Es ist teilweise auch schwer, genau das im Internet oder im Geschäft zu finden, was man sich vorstellt. Besonders, wenn es für einen spezifischen Anwendungsbereich genutzt werden soll.

Was begeistert dich an deiner Arbeit in der Werkstatt am meisten?

Mir steckt das Tüfteln irgendwie im Blut. Bereits mein Großvater war Ingenieur, meine Mutter auch und so zog sich das Tüftler-Gen durch die gesamte Familie. Da war für mich relativ früh klar, dass ich auch einen technischen Studiengang wählen würde. Während meines Maschinenbau-Studiums an der TU Chemnitz konnte ich zwar ich mein technisches Interesse ausleben, aber ich merkte auch schnell, dass mir ein Ort wie die Schüler- und Studierendenwerkstatt hier an der Fakultät für Maschinenbau, fehlte, um meine eigenen Ideen umzusetzen.

Ist es generell ein Problem von technischen Studiengängen, dass man noch zu wenig praktisch ausprobiert?

Nein. Wir haben gerade in den technischen Studiengängen an unserer Universität einen hohen praktischen Bezug. Allerdings bezieht sich die Praxisnähe meist vorrangig auf Praktika im Studium, bei denen es in manchen Fällen vorkommen kann, dass man nur als Zuschauer agiert. Hier in der Werkstatt kann man aber selber Hand anlegen und die eigenen Ideen umsetzen. Das muss dann nicht in den Vorlesungsplan passen und ist sogar fächerübergreifend.

Was wünschst du dir für die Schüler- und Studierendenwerkstatt in den nächsten zehn Jahren?

Ich wünsche mir, dass das Projekt auch nach dem Ende von TU4U (Anmerk. d. Red.: Das Projekt läuft im Dezember 2020 aus.) in die bestehenden Strukturen der Universität übergeht. Ich hoffe, dass es den Schülerinnen, Schülern und Studierenden erhalten bleibt oder noch ausgebaut wird. Alle, die bis jetzt hergekommen sind, waren begeistert, dass es die Werkstatt gibt. Der Zulauf wird auch immer größer. Also hoffe ich, dass es die Werkstatt in zehn Jahren mit einer noch größeren Vielfalt an Möglichkeiten geben wird.

Zum Schluss ein Gedankenexperiment: Was würdest du deiner kleinen Schwester sagen, wenn sie dich fragt, warum sie ausgerechnet Maschinenbau studieren sollte?

Gerade im Zeitalter von Klimawandel und Globalisierung ist es besonders wichtig, sich in technische Entwicklungsprozesse einzubringen. Der Zugang zu Technologie war noch nie so einfach und jede Idee zählt, um die Gesellschaft und unsere Umgebung zu verbessern. Davon ein Teil zu sein und in kleinen Schritten die Zukunft durch Technik mitzugestalten, hat einen besonderen Reiz. Leider gibt es in technischen Studiengängen noch viel zu wenige Frauen. Die großen Technologie-Unternehmen, vor allem die Vorstände und Chef-Etagen, werden von Männern dominiert. Daher würde ich meine kleine Schwester erst recht dazu ermuntern, einen technischen Studiengang, wie Maschinenbau, zu studieren. Nur so ist es möglich, die bisher übliche männliche Vorherrschaft in technischen Berufen zu durchbrechen. Der aufmerksame Geist der Frauen ist eine totale Bereicherung für die Branche.

Vielen Frauen scheuen sich dennoch vor dem Berufsfeld. Wie würdest du deine kleine Schwester dazu ermuntern?

Einfach ausprobieren. Es ist kein Hexenwerk.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

(Das Interview führte Lisa Eichhorst.)

Weitere Informationen: Fritz Ziems,  E-Mail  fritz.ziems@mb.tu-chemnitz.de, Telefon +49(0)371 531-36695, Homepage mytuc.org/ybzm

Hinweis: Jeder, der eine Idee hat, kann während der Öffnungszeiten von Montag bis Donnerstag, 9 bis 14 Uhr, in der Halle F hinter dem Rühlmann-Bau, Reichenhainer Straße 70, die Werkstatt nutzen. Werkstattleiter Fritz Ziems ist vor Ort. Per E-Mail können auch außerhalb der regulären Zeiten individuelle Termine vereinbart werden.

Mario Steinebach
05.12.2019

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