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Bei behördenübergreifender Zusammenarbeit im Haus des Jugendrechts Leipzig zeigen sich Erfolge, aber auch Herausforderungen

Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen legt Abschlussbericht zur Erreichung selbstgesteckter Ziele des ersten sächsischen Hauses des Jugendrechts sowie Handlungsempfehlungen vor

Das Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen e. V. (ZKFS), ein An-Institut der Technischen Universität Chemnitz, hat seinen Abschlussbericht zur Evaluation des Hauses des Jugendrechts Leipzig veröffentlicht. Der Bericht ist im Tectum Verlag erschienen und liegt ab sofort im Open-Access-Format kostenfrei als PDF zum Download vor.

Das Forschungsteam des ZKFS um Projektleiterin Rowenia Bender untersuchte im Rahmen der Evaluation, ob die selbstgesteckten Ziele seit dem Start des Hauses 2015 erreicht wurden. Im Rahmen der Einrichtung des Hauses des Jugendrechts Leipzig formulierten die drei beteiligten Behörden – die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Jugendhilfe im Strafverfahren – innerhalb einer Kooperationsvereinbarung Ziele, die durch die behördenübergreifende Kooperation unter einem Dach erreicht werden sollen. „Insgesamt wurden fünf Ziele definiert, von denen wir drei hinsichtlich ihrer Erfüllung überprüft haben“, so Rowenia Bender.

Die überprüften Ziele lauten:

  • Gemeinsame Arbeit „unter einem Dach“ zur Optimierung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit zwischen den Kooperationspartnern; infolgedessen soll eine erhebliche Verkürzung der Verfahrensdauer (Erhöhung der Durchlaufzahlen) erreicht werden.
  • Sichern eines einheitlichen Qualitätsstandards durch transparente Arbeitsabläufe
  • Positive Signalwirkung des Projekts auf die Bevölkerung

Um auch die beiden weiteren formulierten Ziele zu evaluieren („Erhöhung der präventiven Wirkung im Ermittlungsverfahren durch Einbindung aller Kooperationspartner in einem frühen Verfahrensstadium – frühzeitige Hilfen und Leistungsangebote“ und „Verhinderung bzw. Abbruch im Ansatz befindlicher ‚krimineller Langzeitkarrieren‘“), hätte das Projekt deutlich umfangreicher ausfallen und länger laufen müssen. Im Rahmen des Evaluationsprojekts hat das Forschungsteam aus pragmatischen Gründen davon abgesehen.

„Unsere nun vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die bei der Einrichtung des Hauses 2015 gesetzten und von uns untersuchten Ziele nur zum Teil erreicht wurden. Auf Basis unserer Auswertung unterbreiten wir Vorschläge für Verbesserungen, die insbesondere die Kommunikation zwischen den beteiligten Institutionen betreffen“, fasst Prof. Dr. Frank Asbrock, Direktor des ZKFS, zusammen.

Mehrere Perspektiven geben umfassenderes Bild auf die Arbeit des Hauses des Jugendrechts Leipzig

„Die Ziele haben wir mithilfe von verschiedenen Forschungsmethoden in drei Schwerpunkten untersucht: die Perspektive der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses des Jugendrechts Leipzig, die Perspektive der jungen Menschen, deren Verfahren im Haus bearbeitet werden, sowie die statistische Datenanalyse“, sagt Rowenia Bender.

Für die Evaluation wurden statistische Daten von Polizei, Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht Leipzig ausgewertet. So zeigen die Daten hinsichtlich der durchschnittlichen Verfahrensdauer bei der Polizei seit der Einrichtung des Hauses eine um rund fünf Wochen signifikant kürzere Verfahrensdauer. Die Verfahrensdauer bei der Staatsanwaltschaft und für das Verfahren insgesamt hat sich jedoch seit Start des Hauses nicht signifikant verkürzt. Im Jahr 2022 betrug die durchschnittliche Dauer eines Verfahrens vom Tag der Einleitung des Ermittlungsverfahrens bis zur Erledigung durch die Staatsanwaltschaft im Haus des Jugendrechts Leipzig 5,7 Monate.

Mix aus schriftlicher Befragung und Interviews

Weiterhin bieten schriftliche Befragungen sowie Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung Einblicke in die Erfahrungen und Einschätzungen der Beschäftigten. „Durch die Perspektive der Beschäftigten des Hauses konnten wir insbesondere Erkenntnisse bezüglich der Erfolge und Herausforderungen der behördenübergreifenden Kooperationsarbeit gewinnen“, so Projektleiterin Rowenia Bender. Die Ergebnisse zeigten zum Beispiel, dass alle drei Behörden grundsätzlich zufrieden mit ihrer Arbeit sind, es jedoch Unterschiede hinsichtlich der Bewertung der Kooperation gab. Die Polizei bewertete die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft mit der Schulnote 1,6 und mit der Jugendhilfe im Strafverfahren mit 3,5. Die Jugendhilfe vergab für die Kooperation mit der Polizei die Note 4,2 und mit der Staatsanwaltschaft 2,6. Die Staatsanwaltschaft vergab die besten Noten: die 1,3 für die Kooperation mit der Polizei und die 2,3 mit der Jugendhilfe im Strafverfahren.

Auch Jugendstrafgefangene befragt: Gemischter Eindruck hinsichtlich der Arbeit unter einem Dach

Des Weiteren wurden Interviews mit sechs Jugendstrafgefangenen geführt, deren Verfahren im Haus des Jugendrechts Leipzig bearbeitet wurden. „Die Perspektive der jungen Menschen zu erfassen, war uns in der Studie ein besonderes Anliegen, da sie die Zielgruppe des Hauses des Jugendrechts ist und ihr Interesse bei der Konzeption berücksichtigt werden sollte“, so Rowenia Bender. Durch die Gespräche mit den jungen Menschen zeigte sich, dass sich etwa die Hälfte kritisch äußerte, während sich die andere Hälfte in ihrer Haltung eher unsicher war, zum Teil jedoch auch positive Aspekte an der gemeinsamen Unterbringung der drei Behörden nannte.

Einblicke in die gesellschaftliche Wahrnehmung von Häusern des Jugendrechts bot schließlich die Analyse von Daten aus der deutschlandweit repräsentativen „Panelstudie zur Wahrnehmung von Kriminalität und Straftäter:innen (PaWaKS)“. Unter 5.129 Befragten in Deutschland bzw. unter 436 Befragten in Sachsen wusste nur jede zehnte Person, was ein Haus des Jugendrechts ist.

Handlungsempfehlungen abgeleitet

Aus diesen und vielen weiteren im Evaluationsbericht dargestellten Ergebnissen leiteten die Autorinnen und Autoren Handlungsempfehlungen für die zukünftige behördenübergreifende Kooperationsarbeit im Leipziger Haus des Jugendrechts ab und gaben Hinweise für die Errichtung weiterer Häuser. So empfehlen die Forscherinnen und Forscher unter anderem die Entwicklung eines Leitfadens, der die behördenübergreifende Kooperation klarer regelt und dabei unter Einbeziehung der Erfahrungen und Bedürfnisse der Beschäftigten insbesondere eindeutige Zuständigkeiten, gegenseitige Erwartungen und die Kommunikation adressieren soll.

Hintergrund: Haus des Jugendrechts Leipzig

Das Haus des Jugendrechts Leipzig ist das erste Haus des Jugendrechts in Sachsen, inzwischen wurden weitere Häuser in Görlitz (2021) und Bautzen (2022) errichtet. Deutschlandweit gibt es über 40 Einrichtungen. In Häusern des Jugendrechts arbeiten Jugendhilfe im Strafverfahren, Polizei und Staatsanwaltschaft unter einem Dach. So sollen Abläufe wie die behördenübergreifende Kommunikation erleichtert und damit die Effektivität beim Vorgehen gegen bzw. der Prävention von Jugendkriminalität optimiert und verbessert werden.

Hintergrund: Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen (ZKFS)

Das Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen (ZKFS) ist die erste selbstständige Forschungseinrichtung zur Kriminologie in Ostdeutschland und führt grundlagen- und praxisorientierte kriminologische Forschung mit einem sozialwissenschaftlichen Schwerpunkt durch. Es wird finanziert durch Mittel auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts. Seit Dezember 2021 ist das ZKFS An-Institut der Technischen Universität Chemnitz und somit die erste sozialwissenschaftliche Einrichtung, die diesen Status erhalten hat.

Publikation: Bender, R., Krumma, A., Neubert, J., Hoffmann, A., Bolesta, D., Führer, J., & Asbrock, F. (2023). Eine Evaluation des Hauses des Jugendrechts Leipzig. Tectum. https://doi.org/10.5771/9783828851177

Weitere Informationen erteilen die Projektleiterin M.Sc. Rowenia Bender, Telefon +49 371 335638-32, E-Mail rowenia.bender@zkfs.de, sowie der Direktor des ZKFS, Prof. Dr. Frank Asbrock, Telefon +49 371 531-31678, E-Mail frank.asbrock@zkfs.de.

Mario Steinebach
16.11.2023

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