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„Wir müssen es schaffen, eine Brücke der Verständigung zwischen unterschiedlichen Werten und Ansichten zu schlagen“

Prof. Kay Herrman befasst sich in seinem neuen Sachbuch mit der Realität – Im Interview spricht er über sein persönliches Interesse daran und wie er den Einfluss von Fake News- und Fake Science-Argumenten für die öffentliche Debatte einschätzt

Prof. Dr. Kay Herrmann forscht und lehrt am Institut für Pädagogik der Technischen Universität Chemnitz. Kürzlich ist sein Sachbuch „Was außerhalb meines Geistes ist und was ich davon wissen kann“ erschienen, in dem es um das Verhältnis von Subjektivität und Objektivität geht – oder ganz einfach gesagt um die Frage: Wie kann ich mir gewiss sein, dass es eine Realität gibt, die außerhalb von mir selbst existiert? Im Interview für TUCaktuell vertieft er wesentliche Aspekte seiner Forschungsarbeit und gibt persönliche Einordnungen und Einschätzungen zu aktuellen Herausforderungen wie dem zunehmenden Druck auf die demokratische Debattenkultur durch u. a. Fake News und Fake Science.

Herr Professor Herrmann, in Ihrem neuen Sachbuch geht es um die Frage, wie wir uns der Realität gewiss sein können. Machen wir einen Schritt zurück: Gerade führen wir dieses Gespräch – woher wissen wir eigentlich, ob das jetzt gerade real ist?

Nehmen wir zum Beispiel das berühmte Gedankenexperiment von Hilary Putnam: Was, wenn das Universum nur aus Apparaten besteht, die einen Tank voller Gehirne und Nervensysteme kontrollieren und allen eine kollektive Halluzination vorgaukeln? Das ist eine absurde Vorstellung, aber kann man sie widerlegen? Oder in Putnams Worten: „Wie kannst du wissen, dass du nicht in dieser verzwickten Lage steckst?“ Anders formuliert: Wie kann ich ‚reale äußere Objekte‘ von einer perfekten Simulation unterscheiden? Zunächst können wir diese Frage so beantworten: Wenn die Simulation perfekt ist, können wir nicht getäuscht werden. Das Problem weist vielmehr darauf hin, dass wir die Außenwelt nicht als eine Art ‚Behälter‘ betrachten sollten, der real existiert und in dem wir uns befinden. Eine solche Vorstellung ist naiv.

Was schlagen Sie stattdessen vor?

Wir sollten uns von der Vorstellung eines realen Außenraums, der außerhalb von uns existiert, verabschieden. Die Neurowissenschaften haben zeigen können, dass die raumzeitliche Dingwelt – die wir als ‚Außenraum‘ erleben –durch das Gehirn erzeugt wird. Erst das Gehirn erzeugt ein ‚Drinnen‘ und ein ‚Draußen‘. Das Räumlich-Dingliche existiert also nur in unserer Innenwelt. Auch das Gehirn, das der Neurologe untersucht, existiert nur in seiner Innenwelt.

Welches Verständnis von Realität hat man heute zumeist?

Unter Realismus versteht man heute allgemein die Auffassung, dass die Wirklichkeit unabhängig von subjektiven, geistigen Leistungen und Fähigkeiten wie Denken, Erkennen oder Sprache besteht. Für den Realisten existiert der Mond unabhängig davon, ob wir ihn sehen oder nicht.

Welche Sichtweisen gibt es noch?

Der Konstruktivist würde mit einer Antwort auf die Frage zögern, ob der Mond existiert. Denn für ihn ist selbst die einfachste Wahrnehmung bereits eine komplexe Konstruktionsleistung. Doch die ‚Meerenge‘ zwischen Realismus und Konstruktivismus ist wie der Weg zwischen Skylla und Charybdis.

Jetzt müssen Sie uns Ihre Gedankenwelt noch etwas öffnen. Was meinen Sie damit? 

Es handelt sich um ein Gleichnis aus Homers Odyssee. Es geht um den richtigen Weg.

Könnten Sie das anhand eines Beispiels verdeutlichen?

Wenn ich die Form und den Duft einer roten Rose wahrnehme, dann besagt die realistische Interpretation, dass die Rose auch unabhängig von meiner Formwahrnehmung und meiner Duft- und Roterfahrung existiert.

Wenn wir nochmal auf Ihre vorherige Anmerkung zur Realität zurückkommen, heißt das …

…genau, dass ich nicht sagen kann, was die Rose unabhängig von ihrer Form, ihrem Duft und ihrer Farbe ist. Denn ich kann nie meine Vorstellung neben die Realität stellen, um sie miteinander zu vergleichen. Der realistische Weg führt zum Skeptizismus. Anders im Konstruktivismus: Nach konstruktivistischer Interpretation beruht die Wirklichkeit der Rose nur auf der Wahrnehmung –zum Beispiel der Form der Blume, ihrem Duft und der Farbe Rot. Aber jeder nimmt Form, Duft und Farbe anders wahr. Es gäbe also so viele Rosen, wie es Wahrnehmende gibt. Auch das ist paradox. Der konstruktivistische Weg führt zum Relativismus. Wir stehen also vor einem Dilemma: Skeptizismus oder Relativismus.

Ja. Und damit sind wir wieder am Anfang unseres Gesprächs und wissen immer noch nicht, wie wir uns der Realität versichern können. Wie kommen wir da wieder raus?

Ein Ausweg könnte ein phänomenologisch inspirierter Wirklichkeitsbegriff sein. Beispielsweise Dilthey …

ein einflussreicher deutscher Philosoph aus dem 19 Jahrhundert …

… interpretierte das Gegebensein der Wirklichkeit als ein Verhältnis von Wille und entgegenstehendem Widerstand. Wenn wir handeln, stößt unser Wille auf Widerstand. Aus der Hemmung unseres Willens schließen wir auf die Realität.  Anders ausgedrückt: Die Realität ist Ausdruck dessen, was sich unserem Willen widersetzt und was uns widerfährt.

Das heißt, etwas ist real, wenn sich mir ein Widerstand bietet. Denn man kann davon ausgehen, dass in der von mir konstruierten Welt als glatt laufen müsste?

Ja, so kann man es vereinfacht sagen. Die Realität ist Ausdruck dessen, was unserem Willen entgegensteht und was uns widerfährt. Ein Beispiel ist die unerwartete Explosion beim Mischen von Chemikalien, die uns von der Realität einer Natur überzeugt, die eben nicht nur die Dienerin unseres Willens ist. Grundsätzlich ist der Begriff 'Realität' sehr problematisch, weil er die Existenz einer vermeintlichen Totalität voraussetzt, die tatsächlich nicht vorliegt. Besser ist es, von verschiedenen Formen des Realen zu sprechen. Könnte ich die Welt frei konstruieren, sollte wohl alles glatt laufen. Genau das passiert aber nicht, weil meine Konstruktionen auf diverse Widerstände und Zwänge stoßen, durch die das Reale seinen Anspruch geltend macht.

Ist damit der Konstruktivismus widerlegt? Denn Erfahrungen des Widerstandes in verschiedenster Form machen wir sicher alle täglich.

Nicht unbedingt. Auch Konstruktionen können Widerstand leisten. Darin zeigt sich ihre Realität. Um ein Beispiel zu nennen: Intelligenz ist ein Konstrukt. Aber ein bei einer Person festgestellter IQ kann – im positiven oder negativen Sinne – spürbare Auswirkungen haben, zum Beispiel in Form von Reaktionen der Mitmenschen auf die getestete Person.

Im Zusammenhang mit Themen wie Social Media und KI erhält dieses Konzept eine besondere Brisanz. Bildgeneratoren wie DALL-E 2, Stable Diffusion und Midjourney können Bilder eines ‚perfekten‘ Menschen erzeugen. So entstehen verzerrte Ideale, die über soziale Medien wie Instagram und Co. durch beunruhigende Schönheitsvorstellungen reale Wirkung entfalten.

Die oft propagierte Gegensätzlichkeit von Realismus und Konstruktivismus ist aus meiner Sicht nicht haltbar.

Warum beschäftigen Sie sich eigentlich mit einem der komplexesten philosophischen Fragen – nämlich wie man sich der Realität gewiss sein kann?

Die Philosophie ist oft in der Lage, ihre Daseinsberechtigung immer wieder neu zu begründen. Im Gegensatz zu anderen Disziplinen ist aber ihr Nutzen weniger offensichtlich. Dennoch wird in den Einzelwissenschaften und im öffentlichen Diskurs inflationär mit Begriffen wie real, wahr, wissenschaftlich oder objektiv umgegangen. Meist bleibt aber vage, was mit diesen Begriffen gemeint ist. Die Auseinandersetzung mit diesen Begriffen ist Aufgabe der Philosophie. Indem die Philosophie hinterfragt, weiterfragt und auf Klärung der Begriffe drängt, kann sie auch der Ideologisierung des öffentlichen Diskurses entgegenwirken.

Und gerade in jüngerer Vergangenheit erleben wir diese Erosion des Faktischen in gravierenden Ausmaßen.

Ja. Ich erinnere an das Interview mit Kellyanne Conway in der NBC-Sendung ‚Meet the Press‘, als der Moderator Chuck Todd auf die Äußerung des damaligen Trump-Pressesprechers Sean Spicer zu sprechen kam, der am 21. Januar 2017 behauptet hatte, bei der Amtseinführung Trumps seien deutlich mehr Menschen anwesend gewesen als bei der seines Vorgängers Obama. Diese Behauptung sei unwahr und wurde weder durch Luftaufnahmen der beiden Ereignisse noch durch Zählungen im öffentlichen Nahverkehr in Washington, D.C. bestätigt. Conway führte dagegen an, Sean Spicer alternative Fakten dargestellt habe. Von den Antworten auf die Frage, was wahr, real oder objektiv ist, hängt viel ab: Welche Interessengruppen sollten unterstützt werden? In welche Projekte lohnt es sich zu investieren? Das ist für mich Motivation genug, mich mit den komplexesten philosophischen Fragen zu beschäftigen.

In Ihrem Sachbuch kommen Sie unter anderem zu dem Schluss, dass Gefühle einen besonders starken Bezug zum Realen haben. Warum ist das so?

Gefühle sind zweifellos real. Sie können mich beeinflussen und sich meinem Willen entziehen. Wut zum Beispiel treibt meinen Puls in die Höhe, und selbst wenn ich sie kontrollieren möchte, kann mein Wille sie nicht immer aufhalten.

Aber sind Gefühle nicht auch wieder sehr subjektiv – und damit individuell konstruiert?

Obwohl Emotionen subjektiv sind und sich von Person zu Person unterscheiden können, sind sie dennoch real und haben messbare Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden, das Verhalten und die zwischenmenschlichen Beziehungen. Dieser gegenseitige Einfluss von Emotionen zeigt, dass Gefühle real und in sozialen Beziehungen von großer Bedeutung sind.

Gefühle sind auf noch wenig verstandene Weise mit physiologischen und neurochemischen Prozessen im Gehirn verknüpft. Wenn ein Mensch beispielsweise Freude oder Angst empfindet, spiegeln sich diese Emotionen in messbaren Veränderungen der Gehirnaktivität und der Hormonausschüttung wider.

Welchen gesellschaftlichen Umgang mit Realität beobachten Sie aktuell?

Der Umgang mit der Realität ist ein komplexes Thema, das von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Aus philosophischer Sicht geht es zunächst darum, den Begriff des Realen zu verstehen. Problematisch wird es, wenn im gesellschaftlichen Umgang mit dem Realen von ‚richtigen‘ und einer ‚falschen‘ Vorstellung von einer Realität die Rede ist. Der Philosoph wird zurückfragen: Wie stellst Du das fest? Aus meiner Sicht wird die Frage nach dem Realen auch vom sogenannten Neuen Realismus, wie er etwa von Markus Gabriel vertreten wird, nicht befriedigend gelöst.

Warum ist das so?

Der Neue Realismus spricht von der Existenz. Existenz ist im Neuen Realismus immer relativ zu einem Sinnfeld. Damit bleibt aus meiner Sicht offen, wann ein Gegenstand als real bezeichnet werden kann. Existenz und Realität sind zwei verschiedene Dinge. Feen und meine Büromöbel mögen in ihren eigenen Sinnfeldern existieren – hier das Sinnfeld der Sagenwelt, dort das Sinnfeld meines Büros, aber sind Feen und andere Fabelwesen deshalb genauso real wie meine Büromöbel? Wohl kaum! Sicher, es gibt einen Unterschied. Aber worin dieser Unterschied besteht, klärt der Sinnfeldbezug letztlich nicht.

Welche Einflussfaktoren auf die Realitätswahrnehmung sehen Sie noch?

Besondere Herausforderungen ergeben sich daraus, dass die Wahrnehmung der Realität je nach individueller Erfahrung, Hintergrundwissen und Perspektive unterschiedlich sein kann. Gerade deshalb müssen kritisches Denken und die Überprüfung von Fakten gefördert werden.

Soziale Medien und das Internet haben die Verbreitung von Falschinformationen erleichtert und die Wahrheitsfindung erschwert. Die politische Polarisierung nimmt zu, was dazu führen kann, dass Menschen unterschiedliche Realitäten akzeptieren und ihren eigenen Meinungen den Vorzug geben. Im Extremfall führt dies zu einer postfaktischen Argumentation, bei der Emotionen und Meinungen häufig Vorrang vor Fakten haben. Dies erschwert eine sachliche Diskussion und die Suche nach gemeinsamen Lösungen für Probleme.

Damit sind auch die sozialen Medien angesprochen. Durch deren Algorithmen wird die Aufmerksamkeitsökonomie verändert– oft zugunsten emotional aufgeheizter Beiträge, in denen Fakten kaum eine Rolle spielen. Welche Gefahren sehen Sie in dieser Dynamik? 

Es können Filterblasen und Echokammern entstehen, in denen Menschen hauptsächlich Informationen und Meinungen erhalten, die ihre eigenen Ansichten bestätigen. Dies verstärkt die Spaltung und beeinflusst die Wahrnehmung der Realität.

Der offene Diskurs droht durch Trolling einerseits und Cancel Culture andererseits Schaden zu nehmen. Cancel Culture kann auch als Verbotskultur bezeichnet werden. Es geht darum, vermeintliches Fehlverhalten im Sinne von beleidigenden, diskriminierenden, rassistischen, antisemitischen, frauenfeindlichen, homophoben oder transphoben Äußerungen öffentlich zu ächten. Die Zuwanderungsthematik ist ein aktuelles Beispiel. Es ist schwer, konkrete Probleme von Zuwanderung und Zuwanderungsgruppen überhaupt noch anzusprechen, ohne von vornherein dem Verdacht des Rechtspopulismus ausgesetzt zu sein. Vom Canceln Betroffene sehen sich häufig einem Shitstorm oder auch dem Aufruf, gecancelt zu werden, ausgesetzt. Sie berichten häufig davon, sich bedrängt und eingeschüchtert zu fühlen.

Oft wird gesagt, dass Fehlinformation, Desinformation und Zensur gefährlich und schädlich sein können, weil sie ein verzerrtes Bild der Realität erzeugen. Tausende oder sogar Millionen von Menschen glaubten sogar an diese ‚falsche Realität‘. Der Philosoph wird fragen: Was ist eine ‚falsche‘ oder ‚wahre‘ Realität? Wie kann man das feststellen? Auch durch Trolling und Cancel Culture werden Realitäten geschaffen – nämlich soziale Realitäten, die massive und sehr reale Auswirkungen haben können. Entscheidend wird sein, nach den Fakten zu fragen, nach den Akteuren und ihren Zielen, nach den Wertesystemen, die hinter den sozialen Realitäten stehen. Vor allem ist nach objektivierbaren Realitätsbelegen zu fragen.

Welche Gefahren sehen Sie, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen zunehmend postfaktisch argumentieren?

Postfaktisches Argumentieren bezeichnet die Praxis, in politischen Debatten und in der öffentlichen Meinungsbildung Emotionen, persönliche Überzeugungen und Meinungen über Fakten und objektive Informationen zu stellen. Diese Art des Argumentierens birgt verschiedene Gefahren und Herausforderungen. Sie kann die Grundlage für fundierte politische Entscheidungen untergraben. Das starre Festhalten an eigenen Meinungen, Überzeugungen und Vorurteilen führt zu einer Abschottung gegenüber anderen Meinungen und Fakten, was zu einer tieferen Spaltung der Gesellschaft und damit zu einer Schwächung der Demokratie führen kann.

Warum argumentieren Menschen aus Ihrer Sicht so, vielleicht sogar gegen besseres Wissen?

Postfaktisches Argumentieren zielt häufig darauf ab, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dabei werden politische Akteure und Interessengruppen gezielt eingesetzt, um die öffentliche Meinung zu manipulieren und eigene Interessen durchzusetzen.

Postfaktisches Argumentieren kann auch dazu dienen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in Medien, wissenschaftliche Forschung und Institutionen zu untergraben. Ein Beispiel ist Trumps Umgang mit den Medien, deren kritische Berichterstattung er wiederholt als Fake News bezeichnete.

Welche Argumentationsmöglichkeiten gibt es im Gespräch mit Menschen, die grundlegende und nachprüfbare wissenschaftliche Erkenntnisse ablehnen?

Eine Blutdruckmessung beispielsweise kann von jedermann zu jeder Zeit und an jedem geeigneten Ort durchgeführt und nachvollzogen werden. Anders verhält es sich mit Berichten über vermeintliche UFO-Sichtungen, angebliche Begegnungen mit Bigfoots, vermutete paranormale Phänomene und Ableitungen aus Verschwörungsmythen. Dabei handelt es sich meist um individuelle Wahrnehmungen, die stark emotional geprägt sind. Interessanterweise ändern sich die Überzeugungen dieser Menschen selten, wenn sie mit gegenteiligen Fakten konfrontiert werden: Wenn sich das Blut eines vermeintlichen Bigfoots als das eines Bären herausstellt oder ein UFO-Phänomen als atmosphärische Erscheinung interpretiert werden kann, bleiben die Anhänger solcher Hypothesen in vielen Fällen bei ihrer Überzeugung. Um es philosophisch auszudrücken: Solche Darstellungen sind Beispiele für Auffassungen, die im ‚Kerker der Subjektivität‘ gefangen sind. Wenn sich solche Positionen verhärten, sind ein Austausch von Argumenten und ein konstruktiver Dialog nicht mehr möglich. In einer solchen Situation erschöpfen sich die Möglichkeiten der Argumentation meist sehr schnell. Denn das Ergebnis steht im Grunde schon fest.

Und was könnte bei solchen Gesprächen hilfreich sein?

Die Suche nach gemeinsamen Werten, Interessen oder Anliegen kann eine Brücke zwischen unterschiedlichen Standpunkten schlagen. Aber auch eine klare und verständliche Sprache, um komplizierte wissenschaftliche Konzepte ohne Fachjargon zu erklären. Wer die Menschen erreichen will, muss ihre Sprache sprechen. Nur wenn Wissenschaft verständlich aufbereitet ist, wird sie in der breiten Öffentlichkeit ankommen. Dass Wissenschaft die Breite erreicht, ist entscheidend, wenn es um die Akzeptanz zentraler Konzepte wie Klimaschutz oder Impfschutz geht. Wichtig ist auch, den Dialog nicht abreißen zu lassen und auf Quellen zu verweisen, die unabhängig und gut nachprüfbar sind. Dabei wird es nicht immer darum gehen können, Meinungen zu ändern, sondern vielmehr darum, Informationen und Perspektiven auszutauschen und einen konstruktiven Dialog zu fördern.

Für mich waren das wichtige Argumente, ein Sachbuch zu schreiben und keine Monografie, die nur einem kleinen Kreis von Fachleuten zugänglich ist.

In einer Zeit globaler Probleme, zunehmender regionaler Konflikte und kultureller Konfrontationen erscheint es mir besonders wichtig, trotz teilweise gegensätzlicher Wertvorstellungen nach gemeinsamen Interessen zu suchen. Es gibt keine Dynamik, nach der sich das bessere Argument oder der bessere gesellschaftliche Ansatz durchsetzt. Deshalb ist das Bemühen um Verständigung und Verstehen von größter Bedeutung.

Vielen Dank für das Gespräch.

Matthias Fejes
08.11.2023

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