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„Deutschland gehört bei organischen Solarzellen in Forschung und Entwicklung zu den weltweit führenden Ländern“

Im Interview spricht Solarzellen-Forscher Prof. Dr. Carsten Deibel von der TU Chemnitz über die Leistungsfähigkeit gedruckter organischer Solarzellen und ihren möglichen Beitrag zu einer nachhaltigeren Energiewirtschaft

Prof. Dr. Carsten Deibel ist Inhaber der Professur Optik und Photonik kondensierter Materie an der Technischen Universität Chemnitz und Sprecher der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsgruppe „Gedruckte & stabile organische Photovoltaik mit Nicht-Fullerenakzeptoren – POPULAR“. Kürzlich erzielten er und sein Team einen in der Fachwelt sehr beachteten Durchbruch beim Verständnis des Ladungstransports in organischen Solarzellen.

Herr Prof. Deibel, das Handelsblatt hat dem Thema organische Solarzellen gerade erst einen großen Beitrag gewidmet. Sie werden darin als Experte zitiert. Was ist so besonders an dieser Technologie?

Organische Solarzellen sind eine sehr vielversprechende Technologie. Ich gehe davon aus, dass ein Durchbruch bezüglich der Produktion und Vermarktung in fünf Jahren möglich ist. Organische Solarzellen sind besonders, weil sie wenig Material benötigen und zudem dünn, leicht und biegsam sind. Die Produktion verbraucht sehr wenig Energie, damit wird wenig CO2 freigesetzt. Zudem sind organische Solarzellen vielfältig einsetzbar. So können sie auf Dächern installiert oder in Gebäudefassaden integriert werden. Sogar in Fenstern oder über Feldern – das ist die sogenannte Agri-Photovoltaik – kann man sie nutzen. Der Grund: Man kann organische Halbleiter chemisch so herstellen, also synthetisieren, dass sie nur in dem Farbspektrum Sonnenenergie aufnehmen, welches das menschliche Auge nicht sieht bzw. die Pflanzen nicht benötigen. Auch die Integration in Kleidung oder auf Autodächern ist möglich.

Sie verantworten als Sprecher die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsgruppe Gedruckte & stabile organische Photovoltaik mit Nicht-Fullerenakzeptoren – POPULAR. Was ist ihr Forschungsschwerpunkt?

Die Schwerpunkte unserer Forschungsgruppe liegen auf der Entwicklung von langzeitstabilen, effizienteren organischen Halbleitermaterialien und dem tieferen Verständnis, wie der Herstellungsprozess mit massenproduktionstauglichen Druckverfahren sich in den physikalischen Eigenschaften der organischen Solarzellen niederschlägt. Wir möchten mit unserem grundlagenorientierten Ansatz zur weiteren Optimierung der Technologie beitragen, um vor allem die Langlebigkeit noch weiter zu steigern und die Kosten zu senken. In meiner Professur kümmern wir uns vor allem darum, mögliche Verluste von Strom oder Spannung in der Solarzelle genau zu verstehen.: Dazu benutzen wir unterschiedliche Experimente, beispielsweise mit sehr schnellen Lasern oder Methoden, bei denen Strom und Spannung sehr genau gemessen werden.

Wie muss man sich dieses Druckverfahren vorstellen?

Beim Drucken erfolgt eine strukturierte Beschichtung einer dünnen Schicht auf einem Substrat. Mehrere Schichten können übereinander gedruckt werden, von der ersten Elektrode über die als Tinte formulierten organischen Halbleiter bis zur zweiten Elektrode. Dabei wird als Substrat eine aufgerollte Folie durch die Druckmaschine geführt, die verschiedenen Schichten werden hintereinander gedruckt und am Ende wird die Solarzelle mit Folie laminiert und wieder aufgerollt. Der für Zeitungen benutzte Offsetdruck wird kaum für gedruckte Elektronik verwendet, eher sind Tiefdruck, Flexodruck, Siebdruck und Tintenstrahldruck geeignet – je nach den Eigenschaften des Materials, welches gedruckt werden soll.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen beim Einsatz organischer Solarzellen?

Organische Solarzellen haben inzwischen sehr gute Wirkungsgrade erreicht: Der Rekord für die Wandlung von Sonnenlicht in elektrische Leistung liegt derzeit bei fast 20 Prozent. Zum Vergleich: die besten Silizium-Solarzellen schaffen fast 27 Prozent.

Also um einiges mehr.

Ja, aber der Abstand beider Wirkungsgrade ist erheblich kleiner geworden. Auch die Lebensdauer von organischen Solarzellen ist sehr gut. Zehn Jahre alte Module, die auf Dächern für Tests installiert sind, funktionieren noch heute und bringen vier Fünftel der ursprünglichen Leistung. Eine große Herausforderungen ist bei organischen Solarzellen, die schon sehr guten Leistungen auch auf großen Flächen beizubehalten. Zudem soll die Haltbarkeit noch weiter verbessert werden.

Was könnte ihre Forschungsgruppe hier zur Weiterentwicklung der Technologie beitragen?

Das Ziel unserer Forschungsgruppe POPULAR ist es – neben der Entwicklung der schon angesprochenen massenproduktionstauglichen Druckverfahren – die Technologie mit komplementären Experimenten und Simulationen zu verstehen und so zu verbessern. Die Schwerpunkte liegen dabei in der Anordnung der gedruckten organischen Halbleiter und den besonderen Eigenschaften, die sich daraus ergeben. Wir konzentrieren uns auf Grundlagenforschung, wobei Chemikerinnen und Chemiker, Druckerinnen und Drucker aus dem Maschinenbau sowie Halbleiterphysikerinnen und -physiker, Mathematikerinnen und Mathematiker sowie Materialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler von verschiedenen Universitäten zusammenarbeiten, um den Zusammenhang von organischen Materialien, deren Druckprozess und die Eigenschaften der so hergestellten Solarzellen hinsichtlich Wirkungsgrad und Haltbarkeit mit Experimenten und Simulationen genau zu untersuchen.

Aus Laiensicht erinnert das Thema etwas an die OLED-Technologie, die viele sicher aus dem TV- und Display-Bereich kennen. Bei einigen hochpreisigen Markengeräten ist die Technologie im Einsatz, auch bei einigen Nischenprodukten wie Smartwatches. Gibt es technologische Parallelen?

In der Tat gibt es Parallelen zwischen der OLED-Technologie und organischen Solarzellen, da beide auf organischen Materialien basieren. Allerdings sind die Anforderungen an die Funktionalität und Effizienz bei Solarzellen höher. Sie werden auf größeren Flächen gedruckt, werden eher draußen eingesetzt und sind auch – im Gegensatz zu den meisten Displays – flexibel. OLEDs haben sich bereits in etlichen Bereichen etabliert, wohingegen der Einsatz von organischen Solarzellen noch am Anfang steht.

OLED steht auch für ein Phänomen, das immer mal wieder Auftritt, wenn Technologien konkurrieren. Hier ist es ja so, dass OLEDs sowohl bei der visuellen Qualität als auch der Effizienz geläufigen Technologien wie LCD oder Plasma überlegen sind. So richtig in der Breite angekommen sind sie trotzdem nie. Könnte es mit organischen Solarzellen ähnlich laufen?

Es ist für uns in der Grundlagenforschung immer schwer vorherzusagen, welche von mehreren ähnlichen Technologien letztendlich den entsprechenden Markt dominiert. OLEDs erlauben jedenfalls, sehr kontraststarke und helle Displays herzustellen, und haben ihren Platz gefunden. Die Möglichkeiten, die organische Solarzellen bieten, haben ebenfalls ein sehr großes Potential, in die breite Anwendung zu kommen, zumal sie bestehende Technologien von der Einsetzbarkeit, der Anpassbarkeit – farbig und flexibel – und auch der Massenproduktionstauglichkeit sehr gut ergänzen.

Das Handelsblatt verweist in seinem Beitrag auch darauf, dass der Standort Deutschland bei organischen Solarzellen führend sei. Wie sehen Sie das?

Deutschland gehört bei organischen Solarzellen in Forschung und Entwicklung zu den weltweit führenden Ländern. Insbesondere bei der organischen Photovoltaik haben wir sehr starke Forschungsgruppen und auch Unternehmen, welche organische Solarzellen kommerziell herstellen und weiterentwickeln. Ein Beispiel ist die Firma Heliatek in Dresden, welche organische Solarzellen auf großen Flächen herstellt.

Allerdings ist es auch so, dass gerade die Solarindustrie in der Vergangenheit durch Gesetze so stark unter Druck geriet, dass sie in Deutschland mehr oder weniger abgewickelt wurde. Unternehmen sind niedergegangen oder abgewandert. Wie beobachten Sie die Entwicklung des Solar-Standortes Deutschland insbesondere mit Blick auf organische Solarzellen?

In den letzten Jahren hat sich der Anteil der Photovoltaik an der Stromerzeugung wieder deutlich gesteigert, unter anderem sind daran Unternehmen wie Meyer Burger – die in Freiberg anorganische Solarmodule herstellen – beteiligt. Da der Bedarf weiter wächst, bin ich sowohl für die Photovoltaik in Deutschland als auch insbesondere den Einsatz von organischen Solarzellen in Deutschland und Europa sehr optimistisch, dass sich der positive Trend fortsetzt. Organische Solarzellen könnten einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Energiewirtschaft leisten und dabei helfen, die Abhängigkeit von klimaschädlicheren Technologien zu verringern.

Sie sprechen es an: Der Klimawandel hat uns bereits erfasst – Jahr für Jahr werden neue Temperaturrekorde aufgestellt. Er ist klar, dass wir in den kommenden Jahrzehnten radikal umsteuern müssen, um einigermaßen erträgliche Lebensbedingungen zu erhalten. Das betrifft auch und insbesondere den Energiesektor. Sehen Sie in der Zukunft substantielle Beiträge dieser Technologie für eine nachhaltigere Energiewirtschaft?

Gerade dieses Jahr häufen sich die Meldungen über Extremwetterereignisse, die von den Fachleuten einhellig mit dem menschengemachten Klimawandel erklärt werden. Selbst wenn wir sehr schnell handeln, werden wir etliche Aspekte des Klimawandels nur verringern und nicht aufhalten können. Daher ist die Anpassung an den Klimawandel wichtig, für jedes Land und jeden von uns. Organische Solarzellen können ebenfalls einen nennenswerten Beitrag zu einer nachhaltigeren Energiewirtschaft leisten. Wir tragen dazu mit unserer anwendungsorientierten Grundlagenforschung an der TU Chemnitz und mit unseren Partnern mit viel Elan bei.

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Matthias Fejes
28.07.2023

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