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Rezeptionskulturen
Allgemeines
 

Allgemeine Informationen

Marian Nebelin: Eine Hälfte der Welt. Antonius und Kleopatra bei Plutarch und Shakespeare
Marcus Antonius und Kleopatra sind wahrscheinlich das bekannteste Herrscher- und Liebespaar der Weltgeschichte. Im ersten Jahrhundert v.Chr. kämpften die Ägypterin und der Römer einige Jahre lang vereint um die Herrschaft über die gesamte Mittelmeerwelt. Schließlich unterlagen sie ihrem Gegner Octavian, der später zu Augustus, Roms erstem Kaiser, wurde. Vor allem ihr Scheitern bestimmte ihre über zweitausendjährige Rezeptionsgeschichte: Während ihr Gegner zum Friedenskaiser stilisiert wurde, wurden Antonius und Kleopatra als illegitimes Liebespaar diskreditiert. Im Vortrag werden zwei der bekanntesten literarischen Auseinandersetzungen mit ihrer Geschichte vorgestellt und untersucht: Die einflussreiche Lebensbeschreibung des Antonius aus der Feder des antiken Moralisten Plutarch und die berühmte Tragödie "Antonius und Kleopatra" ("Antony and Cleopatra") aus dem Werk William Shakespeares.

Burkhard Müller: Ovid - verwandelte Metamorphosen
Metamorphosen hat Publius Ovidius Naso sein Hauptwerk genannt: Verwandlungen. In Hunderten von einzelnen Geschichten aus der antiken Mythologie geht es darum, wie aus Frauen Bäume, aus Jünglingen Blumen, aus Jägern Hirsche werden. Eine von diesen Geschichten, die des Gottes Apollo und der Nymphe Daphne, die zum Lorbeer wird, um sich seinem Zugriff zu entziehen, möchte ich herausgreifen. Sie hat gewirkt durch die Jahrtausende und immer von neuem Gegenwart gewonnen, auch für Menschen, die Ovids Latein nicht mehr im Original zu lesen vermögen. Diesen Übersetzungen, in Bild und Sprache, will der Vortrag nachgehen.

Reiner Feistel: Artus - vom Mythos zum Ballett. Pas de deux eines Königs
Helden in Strumpfhosen sind zunächst nichts Ungewöhnliches. Aber ein Ballett der Tafelrunde? Klirrende Ritterrüstungen und Schwerter in anmutiger Bewegung? Ein tanzender Artus?
Der Choreograph gibt Einblicke ins Warum, Wie und Wodurch einer besonderen Ballettinszenierung, zeigt Videomitschnitte der Chemnitzer Uraufführung und erzählt vom Versuch, Sehnsucht, Hoffnung, Vertrauen, Freundschaft, Liebe, Verrat und Scheitern über den mittelalterlichen Sagenstoff hinausgehend in expressive Körpersprache zu transformieren und bewegende Bühnenkunst entstehen zu lassen.

Johannes Helmrath: 'Transformationen der Antike' in Mittelalter und Renaissance
'Antike' ist nichts Statisches, sie wird immer wieder neu arrangiert. Das Konzept des Berliner Sonderforschungsbereichs 644 sucht die vielfältige Nachwirkung und 'Rezeption' der Antike dynamisch als 'Transformation der Antike' zu verstehen und hat dafür auch eine analytische Typologie entwickelt. Transformationsbeispiel wird die Verwendung antiker Kaisermünzen in der Renaissance im 14. bis 16. Jahrhundert sein. Münzen wurden als massenhafte Artefakte der Antike gesammelt, aber auch als künstlerisches Bildarchiv verwendet. Das Sammeln verwissenschaftlichte sich nach und nach, es entstand die Numismatik als eine Zentralwissenschaft der neuen antiquarischen Altertumskunde.

Martin Munke M.A.: 'Kulturgefälle', 'Zivilisationsarbeit' und 'Kolonisation'. Bilder vom Mittelalter in der deutschen 'Ostforschung'
Antike und mittelalterliche historische Entwicklungen und Ereignissen wurde im politischen Diskurs des 19. und 20. Jahrhunderts häufig instrumentalisiert. "Geschichte" wurde dabei als Waffe eingesetzt, als "politisches Kampfmittel gegen innere und äußere Gegner" (E. Wolfrum). Einen Höhepunkt solcher Tendenzen bildete das NS-Regime. Nicht nur führende nationalsozialistische Ideologen, auch ausgewiesene Wissenschaftler nutzten historische Argumente, um die deutsche Expansionspolitik im östlichen Europa zu begründen und zu rechtfertigen. Am Beispiel ausgewählter Vertreter einer solchen "Ostforschung" und ihres Blicks auf die mittelalterliche "deutsche Ostsiedlung" soll diese besondere Form von Rezeptionsprozessen dargestellt werden.

PD Dr. Michael Ostheimer: Medea-Variationen. Von Euripides über Pier Paolo Pasolini zu Christa Wolf
Zum Reservoir des vorchristlichen Erbes, das in der antiken Literatur aufgehoben ist, gehört auch der Mythos der Medea. Wie die Mythen von Odysseus, Ödipus und Antigone zählt der Medea-Mythos zu den Grundtexten der europäischen Zivilisation. Er beinhaltet eine ambivalente Erbschaft, da sich um die Figur der Medea (der Mörderin des Bruders, des Onkels, der Nebenbuhlerin und der beiden Kinder) eine Aura aus Aversion und Attraktion bildete. Als Frau und Täterin stellt Medea u. a. die patriarchalische Geschlechterordnung in Frage, weswegen es in der Rezeptionsgeschichte nicht an Versuchen mangelte, dieses Erbe durch Entlastungsstrategien zu entschärfen.
Der Vortrag beschäftigt sich, nachdem er in Grundzügen die euripideische Medea (431 v. Chr.) vorstellt, mit zwei Stationen der reichhaltigen multimedialen Rezeption des Medea-Mythos: Erstens mit Pier Paolo Pasolinis wohl prominentestem Medea-Film (1969), der nicht zuletzt wegen der Hauptdarstellerin Maria Callas, den schockierenden Gewaltinszenierungen und den beeindruckenden Landschaftsbildern zu den Meisterwerken der Filmgeschichte gehört. Zweitens mit Christa Wolfs Roman Medea.Stimmen (1996), der sich auf voreuripideische Quellen beruft, in denen Medea und Mord noch keine feste Einheit ausmachten, und der eine positiv besetzte Identifikationsfigur, eine weise sowie heilende Medea entwirft.

Prof. Dr. Bernadette Malinowski: Historisierung als Vergegenwärtigung: Zu einem poetischen Verfahren bei Bertolt Brecht und Stefan Heym
Die bisherigen Beiträge der Ringvorlesung haben vor allem deutlich gemacht, wie sehr uns scheinbar weit Entrücktes heute noch überformt und prägt. Die Vergangenheit dient jedoch, wie dieser Vortrag deutlich macht, Autoren auch als literarischer Kunstgriff, indem sie Gegenwärtiges dorthin verlagern und somit Vergangenheit zum Darstellungsmedium der Gegenwart machen. An ausgewählten Texten von Brecht und Heym wird gezeigt, dass das in ihnen Erzählte nichts anderes ist als historisch verfremdete Gegenwart, die uns zugleich wiederum einen neuen und alternativen Blick auf das eröffnet, was wir immer schon unter Geschichte zu verstehen meinten.

PD Dr. Gesine Mierke: Virgilius, Filius, Filigus. Transformationen Vergils in der Literatur des Mittelalters
Die Bedeutung Vergils für die abendländische Literaturgeschichte ist unumstritten. Seine Werke wurden seit ihrer Abfassung vielfach abgeschrieben, kommentiert und herausgegeben. In der Vormoderne gehörte er zu den Schulautoren, wurde als Dichter verehrt und als Prophet Christi gefeiert. Überdies ist eine Tendenz zu beobachten, die bereits in der Antike beginnt und sich um 1200 in der volkssprachigen Literatur in stärkerem Maße fortsetzt: Vergil wird von seinem Werk gelöst und zu einer komplexen Sagengestalt, zu einer literarischen Figur umgebaut. Folglich erscheint er in zahlreichen Texten verschiedener Gattungen als Zauberer, der Automaten erfindet, Ehebrecher entlarvt und Städte gründet. In dieser Rolle steht Vergil mit heidnischen Magiern (Merlin, Klingsor) in Beziehung und ist als Teufelsbündner Vorläufer der Faust-Figur.
Der Vortrag nimmt den narrativen Komplex um "Vergil als Zauberer" in den Blick und fragt nach den Transformationen der Figur und ihrer spezifischen Funktionalisierung in der Literatur des 13. bis 15. Jahrhunderts.

JProf Julia Weitbrecht: Gründungsopfer, Tugendideal, Selbstmörderin. Lucretia im Spannungsfeld unterschiedlicher Rezeptionskulturen in Mittelalter und Früher Neuzeit
Die Römerin Lucretia, tugendhafteste aller Ehefrauen, nimmt sich eigenhändig das Leben, nachdem der Königssohn Sextus Tarquinius sie geschändet hat. Bereits in der Antike wird diese radikale Erzählung aus der Frühzeit Roms zum Gegenstand produktiver Anverwandlung, wenn Livius sie im Rahmen seines Geschichtswerks mit dem politischen Übergang von der Königsherrschaft zur Republik verbindet.
Diese narrative Verbindung von Ehe und Herrschaft, von Politik und Privatem ist im Mittelalter ausgesprochen populär, wobei Form und Gestaltung der Erzählung wandelbar sind: Lucretia erscheint nicht nur in der Historiographie, sondern auch in Ode und Epigrammatik, in der Predigt und im theologischen Kommentar und betritt schließlich die städtischen Bühnen der Frühen Neuzeit.
Den unterschiedlichen Transformationen von Antike(m) liegt ein jeweils spezifisches Wechselverhältnis von Fremd- und Selbstwahrnehmung zugrunde, denn mit der Veränderung von Personenkonstellationen und Motivierungsstrategien der Erzählung geht stets auch eine Modifikation ihrer Deutungsangebote, eine Assimilierung an die jeweiligen Interessen der Zeit einher. Insbesondere wird im Zuge der christlichen Rezeption der Freitod Lucretias nicht als ein Akt heroischer Selbstermächtigung, sondern als Problem wahrgenommen. Somit scheint Lucretia nicht aufgrund einer statischen antiken Idealität, sondern gerade wegen ihrer Ambivalenz für die unterschiedlichsten Rezeptionskulturen anschlussfähig zu sein: als weibliches Gründungsopfer und Tugendideal, als tragische Selbstmörderin oder sozialer Störfaktor im städtischen Gefüge.

Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll: Reichsromantik und Kaisermythos. Aspekte der Mittelalterrezeption im 19. Jahrhundert
Mittelalterinteresse und Gegenwartsbezüge waren und sind politisch und gesellschaftlich häufig miteinander verschränkt. Der Vortrag untersucht diese Verbindungslinien mit Blick auf das 19. Jahrhundert am Beispiel von Reichsidee und Kaisermythos. Hierzu skizziert er einige Rahmenbedingungen und Ausgangspositionen, die der Rezeption der mittelalterlichen Reichsidee am Jahrhundertbeginn zugrunde lagen. Weiterhin erörtert er die Modalitäten jener Verknüpfung, mittels derer der zunächst weithin unpolitische Kaiser- und Reichsmythos seit den frühen 1840er Jahren verstärkt mit dem Anliegen der deutschen Nationalbewegung verbunden wurde. Schließlich werden einige maßgebliche Bestimmungsfaktoren dieses Mythos nach 1871 in den Blick genommen, wobei besonders die Fortwirkungen "utopischer" Kaiser- und Reichshoffnungen angesichts der realisierten Reichsgründung unter den Hohenzollern zu betrachten sind.

Prof. Dr. Martin Clauss: Robin Hood - Rezeptionen und Transformationen einer Legende vom Mittelalter bis heute
Robin Hood ist vielleicht die bekannteste Persönlichkeit des Mittelalters. Er ist Held zahlreicher Filme und Schlagwort in politischen Debatten. Der Vortrag geht der Frage nach, wie der mittelalterliche Robin Hood zu einer so populären Figur der Geschichtskultur werden konnte, und zeigt die Zusammenhänge zwischen mittelalterlichen Erzählungen und modernen Filmen auf.
(Weitere Informationen in der Pressemitteilung der TU Chemnitz)

Dr. Sabine Wolfram: Vergegenwärtigung der Vergangenheit im Archäologiemuseum
Die Vergangenheit ist stets gegenwärtig, jedoch mangelt es am Erkennen. Ausgehend von der Natur archäologischer Quellen, skizziert der Vortrag die Rekontextualisierung und damit einhergehend die Vergegenwärtigung der Objekte im Zuge der Musealisierung. Anhand von Beispielen wird die Grundkonzeption des smac erläutert. (Quelle: smac, PM 08.04.2015)

Prof. Dr. Christoph Fasbender: Wer ritt Aristoteles?
Selbst der Inbegriff aller Weisen, Aristoteles, Philosoph und Lehrer Alexanders des Großen, erlag irgendwann den Verführungskünsten der Frauen - er ließ sich einen Sattel aufbinden, Zügel anlegen und trabte, eine junge Frau auf dem Rücken, beseelt durch den Palastgarten. Armer Aristoteles! Die zählebige Anekdote kommt im frühen 13. Jahrhundert in Europa auf, geht aber auf ein altes internationales Erzählmotiv zurück. Ist auch ihr Sinn schnell erfasst, variiert doch die erzählerische Ausstaffierung: Namen, Orte, Motivationen. Der Vortrag setzt sich zum Ziel, eine scheinbare Nebensächlichkeit zu klären. Er führt indes ein in die extrem weitläufigen und verwickelten Traditionsstränge des Erzählens um Aristoteles, Alexander den Großen und die Frauen. Am Aristoteles-Paradigma wird zu zeigen sein, wie Transformationsprozesse von der Antike über das Mittelalter bis in die Moderne ablaufen können: und dass Namen bei der Rekonstruktion von Erzähltraditionen doch mehr sein können als "Schall und Rauch".
(Weitere Informationen in der Pressemitteilung der TU Chemnitz)