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Pressemitteilungen

Pressemitteilung vom 22.10.1999

Wenn das Blut durch Kunststoffadern fließt


Der interessante Vortrag

Wenn das Blut durch Kunststoffadern fließt

Wie lange halten künstliche Blutgefässe?

Wer das Wort Prothese hört, denkt gleich an das Holzbein eines Unfallopfers oder die eiserne Hand des Götz von Berlichingen. Doch Hände und Beine machen nur einen sehr geringen Teil aller Prothesen aus - viel häufiger sind von außen nicht sichtbare, innerhalb des Körpers liegende sogenannte Endoprothesen. Dabei handelt es sich häufig um Ersatz für verschlissene Blutgefäße. Meist müssen Schlagadern (Fachwort: Arterien) ersetzt werden, also jene Blutgefäße, die das Blut vom Herzen zu den Organen und Geweben transportieren. Über einhundertmal passiert dies pro Jahr allein am Klinikum Chemnitz, in der gesamten Bundesrepublik liegt die Zahl bei rund 35.000 Ersatzadern jährlich.

Worauf man beim Einsatz von Gefäßprothesen achten muss, darüber spricht Privatdozent Dr. med. habil Alfred Schröder vom Klinikum Chemnitz am Mittwoch, dem 27. Oktober 1999 um 17.30 Uhr im Hörsaal 201 der Chemnitzer Uni, Straße der Nationen 62. Außerdem geht es um die Fortschritte, die in den vergangenen Jahren auf diesem wichtigen Gebiet erzielt worden sind. Der Vortrag trägt den Titel "Einsatz künstlicher Blutgefäße ohne späte Reue? Veränderungen künstlicher Materialien im Körper" und ist Teil der äußerst erfolgreichen Reihe "Medizin im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Gesellschaft", die die Uni seit dem Wintersemester 1997/98 gemeinsam mit dem Klinikum Chemnitz anbietet.

Nicht mehr leistungsfähige Blutgefäße können entweder durch solche aus natürlichen oder aus künstlichen Materialien ersetzt werden. Als natürliche Materialien nimmt man vor allem bei Operationen an den Beinschlagadern und an den Herzkranzgefäßen häufig Venen des Patienten selbst. Sie stammen aus solchen Bereichen des Körpers, in denen sie weniger stark benötigt werden. Venen heißen die Adern, die Blut zum Herzen transportieren. Blutgefäße von menschlichen Organspendern oder von Tieren wie Rindern und Schafen werden nur noch in Sonderfällen benutzt, da sie nach einigen Jahren dazu neigen, sich auszubuchten.

Bei Operationen an der Hauptschlagader (sie führt direkt aus der linken Herzkammer und versorgt den gesamten Körper mit sauerstoffreichem Blut) oder an den wichtigen Arterien im Becken verwendet man dagegen heute meist künstliche Blutgefäße. Sie bestehen aus den Kunststoffen Polyethylenterephthalat (PET, Handelsname u. a. Dacron; aus diesem Material werden auch Getränkeflaschen hergestellt) oder Polytetrafluorethylen (PTFE, dient unter dem Namen Teflon auch als Beschichtung für Bratpfannen). Zunächst glaubte man, solche Gefäßprothesen aus Kunststoff würden "ewig" halten. Doch dann stellte sich heraus, dass es auch bei den Adern aus Kunststoff irgendwann zu Gefäßausbuchtungen kommt. In einem solchen Fall müssen die Kunststoffadern wieder entfernt werden. Um die Ursachen des mangelnden Haltbarkeit herauszufinden, untersuchte die Wissenschaftler die "ausgebauten" Kunstadern mit einem Rasterelektronenmikroskop, das selbst feine Risse im Material sichtbar macht. Außerdem ermittelten sie, welche Kraft nötig ist, um den Kunststoff zu durchstoßen und wann die einzelnen Kunststofffasern zu reißen beginnen. Dabei zeigte sich, dass offensichtlich die Körperflüssigkeiten im Laufe der Zeit die aus langen Ketten bestehenden Kunststoffmoleküle aufspalten - die Festigkeit lässt nach. Das ist nach etwa zehn Jahren der Fall, die Kunstader kann dann im Extremfall regelrecht zerreißen. Dabei hängt der Zeitpunkt jedoch auch von der Dicke der Wand des künstlichen Blutgefässes ab - je dicker, desto fester.

Im Idealfall sollten Gefäßprothesen bis zum Tode des Empfängers halten. Weil aber immer mehr jüngere Patienten unter sechzig Jahren neue Blutgefäße benötigen, ist das immer seltener der Fall. Deshalb ist es nötig, dass vor allem junge Patienten fortlaufend medizinisch überwacht werden, um die künstlichen Adern rechtzeitig auswechseln zu können. Eine weitere Entwicklung geht hin zu sogenannten "endovaskulären" Prothesen. Dabei wird das natürliche Blutgefäß nicht entfernt, sondern von innen mit einem Kunststoffschlauch ausgekleidet, der ihm Halt gibt. Doch auch dabei muss man darauf achten, dass dieser Kunststoffschlauch nicht zu dünn gewählt wird, da er sonst nicht lange genug hält.