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Seniorenkolleg an der TU Chemnitz
Fahrradproduktion in Chemnitz

Aus unserer Arbeit:

Fahrradproduktion in Chemnitz

Die Stadt Chemnitz und die umliegenden Orte waren die Wiege der Entwicklung und Produktion von Fahrrädern am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Produktion von Fahrrädern kam zum Erliegen mit der politischen Wende von 1989/90 trotz der Renaissance des Fahrrads für den Sport und dem Tourismus. Nur ein mittlelgroßes Unternehmen in einer kleinen Gemeinde nahe Chemnitz führte die Produktion von Fahrrädern unter dem ehemalige Markennahmen " Diamant", bekannt in EuropaNachstehend ein kurzer Bericht über die Produktion von Fahrrädern in Chemnitz.

 

Ein Beitrag zur Geschichte der Fahrradproduktion in Chemnitz  
 
1.0 Fahrrad  


Das   Fahrrad in der heutigen Form besteht aus:  

  • Rahmen: seit  1880 gibt es den Diamant-Rahmen und seit 1885 wird er auch aus nahtlosem Rohr gefertigt  
  • Lenker mit Vordergabel  
  • Sattel  
  • Laufräder vorn und hinten mit Antriebskranz und Bremsen  
  • Beleuchtung  
  • Bereifung:  ab 1865 mit Vollgummi . 1890 mit Luftbereifung von Michellin  
  • Schaltung : ab 1902 nach Patent von Fichtl & Sachs

 
2.0 Fahrradproduktion- Gründerphase  


Der Beginn der Fahrradproduktion von Niedrigrädern in Chemnitz  wird auf das Jahr 1884 datiert. Vorlage waren englische Konstruktionen und Modelle.  Vorher wurden in verschiedenen  Fabriken Lauf- und später Hochräder produziert.  
 
1884  gründeten die Gebr. Nevoigt  ihre Werkstatt für Platinenfertigung  und begannen 1885 mit der Fahrradproduktion, bekannt unter dem späteren Namen „Diamantfahrrad“  
 
 1885   wurde von Winkelhofer/Jänicke das „ Chemnitzer Velosiped Depot gegründet. Daraus entstanden die späteren „Wanderer- Werke“  
 
1897  nahmen die „Prestowerke“ die Fahrradproduktion auf.  
Es folgte  die Wirkmaschinenfabrik „Schubert & Salzer“, die eigens für die Fahrradproduktion  
1896  ein eigenes Werk, die „Fahrrad-Werke Salzer & Co“ gründete. Aber  bereits nach 1906 fehlen Dokumente  für den weiteren Bau von Fahrrädern.  
 
Als größerer Hersteller von Fahrräder ist die Firma   „Speiermann, Weigel & Co“ zu erwähnen, die Fahrräder mit dem Namen „Esweco“ auf den Markt brachte . Es war aber keine Eigenkonstruktion, sondern die Firma kaufte in ganz Deutschland Teile und montierte  diese zu Fahrrädern zusammen.  
 
Der Vollständigkeit halber sollen noch erwähnt werden:  
 
1887  Beginn der Fahrradproduktion  bei „Strickmaschinenfabrik R. Drechsler“ in Kappel, allerdings ist die Herstellung  ab 1892 nicht mehr belegt.  
1898  Aufnahme der Fahrradproduktion bei der Fa. „Richter & Speer“ und  
1898  Aufnahme der Fahrradproduktion bei der Fa. „Moritz Swoboda“  
Für beide Firmen gibt es keine Belege mehr, wie lange die Fahrradherstellung anhielt, aber es ist zu vermuten, dass sie bald eingestellt worden ist  und auch keinen großen Umfang angenommen hatte. Der spätere Technische Leiter der „Wanderer Werke“ Richard Stuhlmacher produzierte von 1901 bis 1907 fünf Spezial-Fahrräder.  
 
3.0 Fahrradproduktion bis zum Ende  
 
Die „Presto-Fahrradwerke Günther Co. KG“ wurde 1897  in Tharandt als Fahrradwerke gegründet, nahm im selben Jahr in Chemnitz die Produktion in einem Werk an der Zwickauer Str. auf. Wenn auch die Produktion von Motorrädern und Autos der verschiedenen Arten wertmäßig dominierte, wurden fortan  immer Fahrräder produziert. Die Erfahrung mit dem Bau von Motorrädern führte in den 20-er Jahren zum Fahrrad mit Hilfsmotor ( Hühnerschreck oder Hackenwärmer). 1930 wurde auf Rüstungsproduktion  umgestellt, Fahrräder für die Wehrmacht produziert , aber 1943 wurde die Fahrradproduktion eingestellt. Alle Materialien und Konstruktionen waren an  die Diamantwerke zu übergeben. Stammsitz  der Prestowerke war in der Scheffelstraße, das Verwaltungsgebäude dann als Zentrale von der AUTO-UNION genutzt, auch weil die Prestowerke dahin verkauft worden sind.  
Die   „Wanderer   Werke „ waren  bis etwa 1888 auf die Herstellung von Hochrädern ausgerichtet. Die Niedrigräder kamen in Mode, vor allem durch den Englandimport. Bereits 1890 werden in den“ Wanderer Werken“ 470 Niedrigräder gebaut. 1895 baut man schon 10.000 Fahrräder mit der neu eingeführten Rollenkette. 1901 kam die Doppelübersetzungsnabe mit Freilauf und Rücktrittsbremse als registriertes DRP in Produktion. Die Fahrradproduktion wurde auch nach dem 1. Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise weiter fortgesetzt, aber verlor zunehmend  gegenüber der Produktion von Motorrädern, Autos und Werkzeugmaschinen  an Bedeutung. Unter der AUTOUNION  wurde die Herstellung von Fahrrädernd  nicht forciert und im  II. Weltkrieg erfolgte ausschließlich Produktion für die Kriegsmaschinerie. Es kann nach der Demontage 1945 nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen werden, ob danach die Herstellung von Fahrädern wieder aufgenommen worden ist.  
 
Das Flaggschiff der Fahrradproduktion in Chemnitz war das Diamantwerk der Gebr.Nevoigt in Chemnitz /Siegmar. 1895  wurden die ersten Diamant-Fahrräder aus Serienproduktion hergestellt. 1912 war die Fahrradproduktion wichtigster Bestandteil, so dass 1916 bereits 1000 Mitarbeiter angestellt waren. Die Marke war inzwischen so beliebt, dass sich  der „Chemnitzer Radrennklub“ gründete.  
1926 erfolgte  der Bau des ersten Leichtmetall-Fahrrades.  
1931 wurde die Doppelrollenkette eingeführt , die  auch heute noch verwendet wird. In den Folgejahren war die Produktion sehr stabil mit Produktionszahlen von 150.0000 bis 200.000,  ausgenommen die Reduzierungen während der Weltwirtschaftskrise.  
 
In Vorbereitung und während des II. Weltkrieg wurden Fahrräder für die Wehrmacht gebaut und die Fahrradproduktion  weiter  zurückgefahren. Die Diamantwerke wurden auf Kriegsproduktion umgestellt, wobei vor allen Gewehrteile, wie Visiereinrichtungen und Schlossteile gefertigt worden sind, da dieser Betrieb durch die parallele Flachstrickmaschinenfertigung dafür prädestiniert war.  
Nach dem II. Weltkrieg und der Demontage begann schleppend die Fahrradproduktion wieder. 1952 erfolgte die Gründung des  „VEB Fahrradwerke Elite Diamant“.  Wurden im Gründungsjahr noch ca. 300.000 Fahrräder gebaut, so stabilisierte sich die Produktion in den Folgejahren auf ca. 200.000 Stück /Jahr  
Doch  weltbekannt wurden die Diamanträder, vor allem die Rennräder durch die internationalen Erfolge von  „Täve“  Schur und   B. Eckstein bei Radsport-Amateur-Weltmeisterschaften. In den 1970er und 1980er wurden Rennräder für die DDR-Nationalmannschaft gefertigt, mit denen zahlreiche internationale Wettbewerbe gewonnen wurden.  
Diamanträder waren bis Anfang der1980er im Wesentlichen auf der Höhe der Zeit . Nach der politischen Wende wurden die Diamantwerke als DIAMANT Fahrradwerke AG unter der Flagge der schweizerischen Villingergruppe privatisiert. Seit 2003  sind sie  unter der Regie des USA Firma Trek Bicycle Corp. Und gleichzeitig erfolgte der Umzug in eine neue Produktionsstätte   in Hartmannsdorf. Der alte traditionelle Standort in Chemnitz Siegmar wurde aufgegeben und verfällt zunehmend.  
Das Werk in Hartmannsdorf ist nur noch Produktionsstätte, meist nur noch Montagewerk bzw. Komplettierungswerk. Die Entwicklungsabteilung ist in den USA, der Vertrieb erfolgt durch die Schweizer Fa. Villinger. Die Rahmen kommen aus Taiwan, Schaltungen aus China. Vertrieben werden die  Marken „Diamant" , „Anwara“ und „ Kukuwara“.  
Hergestellt werde ca. 150.000 Fährräder als City-, Trek- und Tourenräder. Die Herstellung von Elektrobikes wurde aufgenommen. Neu sind der Frontmotor und die Rücktrittbremse mit Energierückgewinnung.  
 
Die   Fahrradproduktion führte auch zur Gründung von Betrieben von Zulieferteilen und Zubehör. Dazu gehören die Firmen :  

  • Herm. Riemann , Chemnitz –Gablenz- Firma für Fahrrad- und Automobil-Laternen.  Die teilweise verfallene und verrottete Ruine dieser Firma - bekannt als VEB Fahrzeugelektrik auf dem Sonnenberg , an der jetzigen Fürstenstr. zeugt nicht mehr vom Glanz vergangener Jahre.  
  • Fa. Gebr. Häckel Chemnitz- Gablenz- Spezialfabrik für Fahrrad- und Automobil-Laternen, die Firma war in der Bernhardt-Str. und Teile der Gebäude sind heute noch vorhanden.  

 
4.0 Resümee  
 

Die Produktion von Fahrrädern – eine Chemnitzer Tradition- ist für immer verloren gegangen. Als letzte, wenn auch kleine  Bastion in der Tradition des Chemnitzer Fahrradbaues und – handels schloss vor ca. 3  Jahren der über die Stadtgrenzen hinaus bekannte „Fahrrad-Franke „ sein Geschäft in der Schloßstraße. Jetzt ist in dem Laden ein Sex-/ Erotikshop.

Symptomatisch?  


 
Harry Weinert
03.07.2012  
 
Literatur:  
 
Chemnitz in Wort und  Bild  Reprint Verlag Heimatland Sachsen 1995  
www.Wikipedia –Diamant-Fahrradwerke  
www.Wikipedia –Presto- Werke  
www.Wikipedia –Wanderer- Werke  
www. historisches Chemnitz  
www. fahrzeugmuseum – chemnitz
 
Abbildungen: www. wikipedia .fahrrad