Kollagenfibrillen
Nanomechanische Eigenschaften des häufigsten Strukturproteins der Wirbeltiere
Rasterkraftmikroskopieaufnahme von Kollagenfibrillen (orange, quergestreift) mit anhaftenden Fettmolekülen (dunkle Bereiche). Grafik: Martin Dehnert und Robert Magerle.
Faserbildende Kollagene sind ein Hauptbestandteil der Bindegewebe aller Wirbeltiere. Sie bewirken die mechanische Festigkeit des Gewebes. Die häufigste Art ist Kollagen Typ I, das Fibrillen mit etwa 30 bis 300 nm Durchmesser und einer periodischen Struktur mit 67 nm Wiederholeinheit (der D-Bande) entlang der Fibrillenachse bildet. Die Menge, Art und Verteilung von Wassermolekülen, Lipiden und molekularen Vernetzungen zwischen den Kollagenmolekülen bestimmen entscheidend die mechanischen Eigenschaften der Kollagenfibrillen. Wir haben entdeckt, dass Kollagenfibrillen aus Hühnersehnen eine überraschend große Menge an Triacylglycerolen – eine sehr häufige Art natürlicher Fettmoleküle – enthalten. Die Fettmoleküle lagern sich zwischen den Kollagenmolekülen an, wirken dabei als Weichmacher und verringern den Wasseranteil der Kollagenfibrillen. Dieses Wissen ist grundlegend für das Verständnis der Biomechanik des Bindegewebes. Lesen Sie mehr über unsere Entdeckung in TUCaktuell und der Originalpublikation in Soft Matter [1].
Wir untersuchen die nanoskaligen mechanischen Eigenschaften natürlicher Kollagenfibrillen mittels Rasterkraftmikroskopie, wobei wir den Wassergehalt der Fibrillen über die Luftfeuchte sehr genau einstellen können. Damit können wir die nanomechanischen Eigenschaften einzelner Kollagenfibrillen aus natürlichen Sehnen mit 10 Nanometer Ortsauflösung abbilden [2]. Aus punktweise gemessenen Kraft-Abstand-Daten können wir räumliche Tiefenprofile der Spitze-Probe-Wechselwirkung rekonstruieren und so den Beitrag der Kapillarkraft und Adhäsion von den viskoelastischen Eigenschaften der Kollagenfibrillen unterscheiden [2,3].
Die beim Eindringen der Spitze in die Kollagenfibrille wirkende Kontaktkraft und Energiedissipation ist ratenunabhängig und kann mit einem Hysteresemodell mit Umkehrpunktgedächtnis sehr viel genauer beschrieben werden als mit Feder-Dämpfer-Modellen [4]. Das EPICAL-Hysteresemodell beschreibt phänomenologisch und in einheitlicher Form die Abfolge mechanischer Phänomene, die bei Nanoindentierung mit dem Rasterkraftmikroskop auftreten: elastoplastische Indentation, Kapillarkräfte und die Nivellierung der Oberfläche durch die Oberflächenspannung. Ein interaktives Input-Output Diagramm finden Sie hier.
Das Quellverhalten der Fibrillen gibt direkte Hinweise auf den lokalen Gehalt an freien Wassermolekülen in den Überlapp- und Lückenbereichen der D-Bande [5]. Mit der rasterkraftmikroskopiebasierten Nanotomographie haben wir auch die räumliche Anordnung einzelner Kollagenfibrillen in Knochen rekonstruiert [6].
[1] M. Dehnert, T. Klose, Y. Pan, D. R. T. Zahn, M. Voigtländer, J. F. Teichert, R. Magerle, Soft Matter (2025), DOI: https://doi.org/10.1039/D5SM00696A
[2] R. Magerle, M. Dehnert, D. Voigt, A. Bernstein, Anal. Chem. 92, 8741–8749 (2020).
[3] M. R. Uhlig, R. Magerle, Nanoscale 9, 1244–1256 (2017); accepted manuscript: arXiv:1910.00794.
[4] R. Magerle, P. Zech, M. Dehnert, A. Bendixen, A. Otto, Soft Matter 20, 2831–2839 (2024);
[5] E.-C. Spitzner, S. Röper, M. Zerson, A. Bernstein, R. Magerle, ACS Nano 9, 5683–5694 (2015).
[6] S. Röper, Dissertation, TU Chemnitz (2010). PDF