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27. Katalanistentag, 16.-19. September 2020
Beschreibung

Kultur im Wandel

Kulturwissenschaftliche Ansätze in der Katalanistik

 

 

 

Kulturen setzen sich über zeitliche und räumliche Grenzen hinweg: Sie befinden sich im stetigen Wandel und kennen keine territorialen Grenzen. Wenn Gesellschaften durch einen permanenten Wandel geprägt sind, so sorgen gegenwärtig Migration, Digitalisierung und Klimawandel für eine Intensivierung sozialer und kultureller Transformationen. Dass solche Prozesse gegensätzliche Reaktionen hervorrufen, zeigen weltweite Tendenzen gesellschaftlicher Polarisierungen und zunehmender (innerstaatlicher) Konflikte. Dabei wird Kultur zum umkämpften Gut: Ontologisierende Auffassungen von Kultur stehen kosmopolitischen Kulturkonzepten gegenüber.

Auch die katalanischsprachige Welt befindet sich im Wandel. Die Demokratisierung Spaniens ab 1975, die unter der Losung des Konsenses eingeleitet wurde und mit der Verfassung von 1978 – die unlängst ihr 40-jähriges Jubiläum feierte – einen wichtigen Höhepunkt erreichte, brachte für Katalonien eine explosionsartige kulturelle Entfaltung, die durch das Autonomiestatut von 1979 auch sprach- und kulturpolitische Züge erhielt. Von der Schulbildung bis hin zum vielfältigen Büchermarkt, Kino, Fernsehen, Theater, Pressewesen und zur Kulturpolitik nahm die kulturelle Produktion auf Katalanisch in den vergangenen vierzig Jahren exponentiell zu.

In solchen kulturellen Objektivationen lassen sich gesellschaftliche Veränderungen und der Umgang mit ihnen ablesen. Zu den Aspekten gesellschaftlichen Wandels, die derzeit in kulturellen Produktionen ihren Niederschlag finden, zählen u.a. Konzepte einer katalanischen Kollektividentität im Kontext politischer Dezentralisierung und zunehmender Europäisierung Spaniens; die Gestaltung einer gender-, herkunfts- und sozial egalitären Gesellschaft; die Rolle von Zuwanderung in der Schaffung einer modernen, europäischen und weltoffenen Gesellschaft; das Ende der Konsenspolitik der Transition und die Infragestellung des encaix possible Kataloniens in Spanien – um nur einige Aspekte gesellschaftlichen Wandels zu nennen, die in kulturellen Produktionen ihren Niederschlag finden.

Fragestellungen wie diese, die sich aus der Intersektion zwischen Politik und Kultur entfachen, sind das privilegierte Biotop der Cultural Studies seit der Entstehung des Centre for Contemporary Cultural Studies in Birmingham im Jahr 1964. Die seither generierte Theoriebildung ist für das Aufspüren zeitgenössischer Phänomene des kulturellen Wandels besonders ergiebig. Ob sozialkonstruktivistische Nationalismusforschung, Identitäts- und Alteritätstheorien, Gender Studies, Erinnerungstheorien oder Cultural Urban Studies – all diese Ansätze tragen dazu bei, gegenwärtige soziale und kulturelle Phänomene wissenschaftlich zu erkunden.

Der Katalanistentag 2020, der an der Technischen Universität Chemnitz stattfinden wird, lädt dazu ein, die Katalanistik im Kontext interdisziplinärer Forschung zu verorten. Welches Erneuerungspotential bieten kulturwissenschaftliche Paradigmata für die traditionell sprach- und literaturwissenschaftlich geprägte Katalanistik? Wie verändert sich die katalanistische Forschung im Kontext der in Deutschland jüngst aufkommenden Iberischen Studien? Da Kultur durch gesellschaftliche Kommunikationsprozesse entsteht und Literatur eines der mächtigsten Trägers von Kultur ist, ist der Dialog zwischen sprach-, literatur- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen für das Verständnis komplexer Phänomene der Gegenwart Kataloniens unabdingbar. Diesen Dialog möchten wir anregen und zur Interdisziplinarität innerhalb der einzelnen thematischen Panels aufrufen.