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Professur Kultureller und Sozialer Wandel
Forschung

Forschungsschwerpunkte

1. Projektverantwortliche
Teresa Pinheiro (TU Chemnitz) und Natascha Ueckmann (Universität Bremen).

2. Projektbeschreibung
Der Begriff „Globalisierung“ kennzeichnet nicht nur jene rasanten Entwicklungen, die seit zwei Jahrzehnten unsere Welt verändern. Globalisierung ist ebenfalls zu einem neuen Paradigma geworden, mit dem in der Wissenschaft, in den Medien oder in der Politik versucht wird, die Welt zu erklären.

3. Aktivitäten
In Rahmen des Projekts fand eine Sektion „Reiseliteratur und Globalisierung“ auf dem XVIII. Deutschen Romanistentag 2003 statt.

4. Förderung
Kurt-Ringger-Stiftung.

5. Publikation
Pinheiro, Teresa / Natascha Ueckmann (Hgg.) (2005): Globalisierung avant la lettre. Reiseliteratur vom 16. bis zum 21. Jahrhundert. Münster: LIT-Verlag (FOLIES 3), ISBN 3-8258-8749-9, 272 S.

1. Projektverantwortliche
Teresa Pinheiro (TU Chemnitz) und Natascha Ueckmann (Universität Bremen)

2. Projektbeschreibung
Der Begriff „Globalisierung“ kennzeichnet nicht nur jene rasanten Entwicklungen, die seit zwei Jahrzehnten unsere Welt verändern. Globalisierung ist ebenfalls zu einem neuen Paradigma geworden, mit dem in der Wissenschaft, in den Medien oder in der Politik versucht wird, die Welt zu erklären. Bei solchen Welterklärungsversuchen im Zeichen der Globalisierung wird relativ konsensuell postuliert, dass sich die Welt in den letzten 20 Jahren mit der Liberalisierung der Finanzmärkte, mit der grenzüberschreitenden Ausbreitung von Umweltgefahren und von Krankheiten und mit der Verbreitung neuer Kommunikationsmittel grundlegend verändert habe.
Das vorliegende Forschungsprojekt geht einer doppelten Fragestellung nach: Ist Globalisierung neu, ist sie global? Es richtet jedoch seine Aufmerksamkeit nicht auf Globalisierung als ein wirtschaftliches, mediales oder kulturelles, sondern als ein diskursives Phänomen. Wenn bereits im 16. oder im 19. Jahrhundert die wirtschaftlichen, medialen und technischen Voraussetzungen dessen geschaffen wurden, was heute als „Globalisierung“ bezeichnet wird, so liegt die Vermutung nahe, dass bereits die damaligen Zeitgenossen Darstellungsformen und Interpretationsmuster weltumspannender Vorgänge entwickelt haben, und es erscheint lohnend, diese Darstellungsformen und Interpretationsmuster auf Ähnlichkeiten mit und Unterschieden zu dem heutigen Globalisierungsdiskurs zu untersuchen.
Ein besonders ergiebiges Korpus für diese Fragestellung bietet die Reiseliteratur. Damit ist Reiseliteratur in einem breiteren Verständnis gemeint, das alle Textsorten umfasst, die das Reisen und die Erfahrung kultureller Andersartigkeit thematisieren. Texte über Reisen in fremde Regionen beschreiben Erfahrungen geographischer und kultureller Grenzüberschreitungen oft in einer Begrifflichkeit, mit rhetorischen Mitteln und mit Motiven, die manches mit dem Globalisierungsdiskurs gemein haben. Es finden sich eine Vielzahl von Begriffen aus dem semantischen Feld der Bewegung, des Neuen, der Beschleunigung (oder auch neue Wortschöpfungen hierzu), die Metapher der Welt als Kugel, einschlägige Motive wie "das globale Dorf", der Gegensatz "global player vs. Globalisierungsverlierer", die Vorstellung vom "Zerfall der Tradition" oder vom Verlust nationaler und individueller Identität. Ebenso finden wir Versuche, einen gemeinsamen Nenner für die Diversität der Welt zu finden und Erde und Menschheit als ein Ganzes zu begreifen.
In ausgewählten Beispielen der Reiseliteratur wurden im Rahmen des Forschungsprojekts Formen der Versprachlichung von Erfahrungen und von Weltanschauungen herausgearbeitet, die in gegenwärtigen Reflexionen über den Globalisierungsprozess in ähnlicher Form zu finden sind. Darüber hinaus wurden diese Formen der Versprachlichung globaler Weltdeutungen in ihren historisch-gesellschaftlichen Kontexten beleuchtet. Diese Schritte erlaubten es, Hypothesen zu den historischen Bedingungen zu formulieren, die das Aufkommen von Globalisierungsdiskursen begünstigen.

3. Aktivitäten
In Rahmen des Projekts fand eine Sektion „Reiseliteratur und Globalisierung“ auf dem XVIII. Deutschen Romanistentag 2003 statt.

4. Förderung
Kurt-Ringger-Stiftung.

5. Publikation
Pinheiro, Teresa / Natascha Ueckmann (Hgg.) (2005): Globalisierung avant la lettre. Reiseliteratur vom 16. bis zum 21. Jahrhundert. Münster: LIT-Verlag (FOLIES 3), ISBN 3-8258-8749-9, 272 S.
zum Verlag

Portugal und Spanien gehören seit 20 Jahren der EU an. Innerhalb dieser zwei Jahrzehnte haben die iberischen Staaten den Übergang von Diktaturen zu demokratischen Systemen vollzogen, haben ihre wirtschaftliche Rückständigkeit – eine Folge von Francos und Salazars Autarkiepolitik – überwunden und sich erneut Europa zugewandt.
In dieser Zeit großer Veränderungen stellen sich Fragen zur eigenen Identität, denen es nachzugehen gilt. Wie werden in beiden Ländern neue Entwürfe einer nationalen Identität "verhandelt"? Welche Rolle spielen dabei Europa als supranationale, identitätsstiftende Struktur, die Regionen in latenter oder offener Konkurrenz zur Nation und die koloniale Vergangenheit als sinngebender Mythos einst hegemonialer Imperien?

Publikationen:

  • „Das portugiesische Kolonialreich“ in: Hermann Hiery (Hrsg.), Lexikon zur Überseegeschichte. Stuttgart: Franz Steiner, ISBN 978-3-515-100007, 657-658.
  • Pinheiro, Teresa (2011): „Iberian Identities Between the Colonial Past and the European Present” in: Teresa Pinheiro, Beata Cieszynska, Eduardo Franco (Hgg.), Peripheral Identities: Iberia and Eastern Europe Between the Dictatorial Past and the European Present. Warschau u.a.: PearlBooks, ISBN 978-989-973-280-3, 299-312.
  • Pinheiro, Teresa (Hg.) (2009): „Iberische Europa-Konzepte.“ Nation und Europa in Spanien und Portugal seit dem 19. Jahrhundert. Berlin: Duncker & Humblot (Chemnitzer Europastudien 10), ISBN 978-3-428-83110-4, 189 S.
  • Pinheiro, Teresa (2009): „Die Erfindung Europas auf der Iberischen Halbinsel“ In: Dies. (Hg.), Iberische Europa-Konzepte. Nation und Europa in Spanien und Portugal seit dem 19. Jahrhundert. Berlin: Duncker & Humblot (Chemnitzer Europastudien 10), ISBN 978-3-428-83110-4, 7-17.
  • Pinheiro, Teresa (2008): „La desconstrucción de España en relatos de viajes portugueses de finales del siglo XIX” in: Tobias Brandenberger / Elisabeth Hasse / Lydia Schmuck (Hgg.), A Construção do Outro: Espanha e Portugal frente a frente. Tübingen: Calepinus, ISBN: 987-3-9810911-4-4, 197-218.
  • Pinheiro, Teresa (2008): „Iberische Sichten der EU-Osterweiterung” in: Mathias Niedobitek / Peter Jurczek (Hgg.), Europäische Forschungsperspektiven – Elemente einer Europawissenschaft. Berlin: Duncker & Humblot (Chemnitzer Europa-Studien 1), ISBN 978-3-428-12714-6, 385-408.
  • Pinheiro, Teresa (2007): „¿Paraíso ibérico en tiempos de guerra? Visiones de España y Portugal en Cuadros de un viaje por España y Portugalde Willy Andreas y La noche de Lisboa de Erich Maria Remarque” in: Itinerários – Revista de estudios lingüísticos, literarios, históricos y antropológicos, ISSN 1507-7241, 6/2007, 235-254.
  • Pinheiro, Teresa (2005): „Die Rückkehr der Karavellen. Brasilien, die Indianer und die Inszenierung nationaler Identität“ in: Tobias Brandenberger, Henry Thorau (Hgg.), Portugal und Spanien. Probleme (k)einer Beziehung. Portugal e Espanha: Encontros e Desencontros. Frankfurt a.M. u.a.: Peter Lang (Trierer Studien zur Literatur 45), S. 323-336, ISBN 3-631-53841-3, S. 323-336.

Migration hat in Portugal und Spanien eine lange Tradition. Während in den Zeiten der Kolonien Portugiesen und Spanier in die nationalen Überseegebiete auswanderten, trieben in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse der Iberischen Halbinsel die Menschen in die mitteleuropäischen Länder (insbesondere Frankreich, Deutschland, Schweiz und Luxemburg). Heute sind die beiden Emigrationsländer früherer Generationen zu Einwanderungsländern geworden (ein Phänomen, das bei genauerem Hinsehen nicht so neu ist, wie es zunächst erscheint).
Im Hinblick auf die portugiesischen und spanischen Emigranten in europäischen Ländern wird der Frage nachgegangen, ob sich ihr Selbstverständnis im Laufe des europäischen Integrationsprozesses gewandelt hat. Im Hinblick auf die Situation in Portugal und in Spanien soll untersucht werden, wie in beiden Ländern mit kultureller Andersartigkeit umgegangen wurde und wird.

Publikationen:

  • Pinheiro, Teresa (2012): „Museos, migración e identidad europea“ In: Enrique Banús / Cristina Branea (Hgg.), X Conference European Culture. Barcelona: Universitat Internacional de Catalunya, ISBN 978-84-695-0576-2, 222-229.
  • Pinheiro, Teresa (2011): „Musealização da migração: memória ou esquecimento?“ in: Letras comVida - Revista do Centro de Literaturas e Culturas Lusófonas e Europeias da Faculdade de Letras da Universidade de Lisboa, 2, ISSN 1647-8088, 94-99.
  • Pinheiro, Teresa (Hg.) (2010): Portugiesische Migrationen. Geschichte, Repräsentation und Erinnerungskultur. Wiesbaden: VS-Verlag (Beiträge zur Regional- und Migrationsforschung), 978-3-531-17075-6, 273  S., 30 Abb.
  • Pinheiro, Teresa (2010): „Vernetzte Identitäten: Repräsentationen portugiesischer Emigration im deutschsprachigen virtuellen Raum“ In: Dies. (Hg.), Portugiesische Migrationen. Geschichte, Repräsentation und Erinnerungskulturen. Wiesbaden: VS-Verlag (Regional- und Migrationsforschung), 978-3-531-17075-6, 175-196.
  • Pinheiro, Teresa (2010): „Einleitung: Deutschland, Portugal und die europäische Migrationsgeschichte des 20. Jahrhunderts“ In: Dies. (Hg.), Portugiesische Migrationen. Geschichte, Repräsentation und Erinnerungskulturen. Wiesbaden: VS-Verlag (Regional- und Migrationsforschung), 978-3-531-17075-6, 9-19.
  • Pinheiro, Teresa (2008): „Emigration, Immigration and Interculturality: The Meaning of the European Year of Intercultural Dialogue in Portugal“ in: Eurolimes –Journal of the Institute for Euroregional Studies Oradea-Debrecen Jean Monnet European Center of Excellence, ISSN 1841-9259, 63-73.
  • Pinheiro, Teresa (2007): „Eine neue Migrantenliteratur? Zur Überwindung des interkulturellen Dilemmas in den Gedichten einer deutschsprachigen portugiesischen Autorin“ in:>Henry Thorau (Hg.), Heimat in der Fremde – Pátria em terra alheia. 7. Deutsch-Portugiesische Arbeitsgespräche / Actas do VII Encontro Luso-Alemão, Berlin: Walter Frey, ISBN 978-3-938944-06, S. 148-159.

Der gegenwärtige gesamteuropäische Erinnerungsboom hält nicht an den Pyrenäen an. Sowohl in Spanien als auch in Portugal sind die Diktaturen des 20. Jahrhunderts sowie die damit verbundenen Kriege Gegenstand aktueller Debatten in zahlreichen gesellschaftlichen Teildiskursen sowie in der Öffentlichkeit. Findet die gegenwärtige Aufarbeitung von Bürgerkrieg und Franquismus in der deutschsprachigen Wissenschaft ihren Niederschlag, so ist der Umgang mit dem Estado Novo und dem Kolonialkrieg in Portugal weitgehend unbekannt.

Publikationen:

  • Pinheiro, Teresa (2022): “Memorias transnacionales: un general portugués en el callejero de Madrid”, Rubrica Contemporanea 11:22, 11-27.
  • Pinheiro, Teresa (Hrsg.) (2022): Memórias revolucionárias: políticas e práticas (trans)nacionais de memória na transição democrática portuguesa – Special Issue von Iberoamericana. América Latina – España – Portugal, 79
  • Pinheiro, Teresa (2022): „Negotiating the End of the Portuguese Empire: The Retornados’ Perspective in the TV series Depois do Adeus“ in: Elsa Peralta (Hg.), The Retornados from the Portuguese Colonies in Africa: Memory, Narrative, and History. New York: Routledge, 243-264.
  • Pinheiro, Teresa (2018): „Die Erinnerung an den Estado Novo im demokratischen Portugal“ in: Jörg Ganzenmüller (Hg.): Europas vergessene Diktaturen? Diktatur und Diktaturbewältigung in Spanien, Portugal und Griechenland. Köln u.a.: Böhlau, ISBN 978-3-412-50909-5, 203-226.
  • Pinheiro, Teresa (2018): „La serie 14 de abril. La República –¿una propuesta de memoria cultural de la república?” in: Pasés Futurs, 4. https://www.politika.io/fr/notice/serie-14-abril-republica.
  • Pinheiro, Teresa (2015): „Memoria de la República en las transiciones democráticas ibéricas” in: Pasajes de pensamiento contemporáneo, 48, ISSN: 1575-2259, 49-64.
  • Pinheiro, Teresa (2015): „O retorno dos retornados. A construção de memória do passado recente na série televisiva Depois do Adeus in: Elias J. Torres u.a., Estudos da AIL em Literatura, História e Cultura Portuguesas. Santiago de Compostela, Coimbra: Associação Internacional de Lusitanistas, ISBN 978-84-15166-57-3, 279-290.
  • Pinheiro, Teresa (2015): „Die Nelkenrevolution im 21. Jahrhundert: Wandel einer erinnerungspolitischen Praxis“ in: Janett Reinstädler, Henry Thorau (Hrsg.), Die Nelkenrevolution und ihre Folgen. Der 25 April 1974 in Literatur und Medien. Berlin: Edition Tranvía, ISBN 978-972-96469-8-0, 17-32.
  • Pinheiro, Teresa / Esther Gimeno Ugalde (2014): Mass Media and the Configuration of Memory in Contemporary Spain and Portugal – Special Issue of the International Journal for Iberian Studies, 27: 2-3, ISSN 1364-971X.
  • Pinheiro, Teresa (2014): Media Representation of the First Portuguese and the Second Spanish Republic in the Early Twenty-First Century in: Mass Media and the Configuration of Memory in Contemporary Spain and Portugal – Special Issue of the International Journal for Iberian Studies, 27: 2-3, ISSN 1364-971X, 167-182.
  • Pinheiro, Teresa (2010): „Facetten des erinnerungskulturellen Umgangs mit dem Estado Novo in Portugal“ in: Neue Politische Literatur, 55, 1/2010, ISSN: 0028-3320, 7-22
  • Pinheiro, Teresa (2008): „Das ‚Verstummen’ des portugiesischen Tonfilms im Estado Novo“ in: Gisela Febel, Natascha Ueckmann (Hgg.), Europäischer Film im Kontext der Romania: Geschichte und Innovation (Akten der gleichnamigen Sektion des XXIX. Deutschen Romanistentages vom 25.9.-29.9.2005 in Saarbrücken). Münster: LIT-Verlag (FOLIES – Forum Literaturen Europas 5), ISBN 978-3-03735-971-6, 45-65.
  • Pinheiro, Teresa (2008): „Memória histórica no Portugal contemporâneo” in: Anna Kalewska (ed.), Diálogos com a Lusofonia. Colóquio comemorativo dos 30 anos do Instituto de Estudos Ibéricos e Ibero-americanos da Universidade de Varsóvia. Warschau: Instituto de Estudos Ibéricos e Ibero-americanos da Universidade de Varsóvia, ISBN 978-83-60875-40-7 299-314.
  • Pinheiro, Teresa (Hg.) (2007): Ehrendes Gedenken, Schatten der Vergangenheit: portugiesische Erinnerungskulturen. URL: http://www.tu-chemnitz.de/phil/europastudien/swandel/erinnerung

Das 16. Jahrhundert ist eine besonders aufschlussreiche Epoche, um den europäischen Umgang mit Alterität zu untersuchen. Nachdem Kolumbus 1494 auf den Antillen landete und Pedro Álvares Cabral 1500 die Küste Brasiliens erreichte, hatten Europäer wie kaum sonst in der Geschichte die Gelegenheit, Menschen zu begegnen, die für sie völlig neuartig waren, und für deren Darstellung und Beschreibung weder Erfahrungen noch Formen vorlagen. In den Schriften von Augenzeugen, die sich in den ersten Jahrzehnten nach den Entdeckungen in der Neuen Welt aufhielten, treten die damit verbundenen Darstellungsprobleme in greifbarer Form zutage. Diese Schriften, die von Autoren unterschiedlicher nationaler Herkunft stammen, sind deshalb ein besonders geeignetes Material für die Untersuchung europäischer Formen der Konstruktion von Fremdheit.

Publikationen:

  • Pinheiro, Teresa (2010): „Kulturübersetzung in den Schriften jesuitischer Missionare im Brasilien des 16. Jahrhunderts” in: Wibke Röber de Alencar Xavier, Ulrike Zeuch (Hgg.), Das Achtzehnte Jahrhundert. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts. Kulturelle Übersetzung: Das Beispiel Brasilien, 4.2, 978-3835306554, 163-170.
  • Pinheiro, Teresa (2009): „Encontros discursivos no Brasil quinhentista” in: Fernando Clara (Hg.), Outros Horizontes. Encontros luso-alemães em contextos coloniais. Lisboa: Colibri, ISBN: 978-972-772-953-1, 111-130.
  • Pinheiro, Teresa (2008):Die Gefangenschaftsberichte von Hans Staden und José de Anchieta zwischen Märtyrertum und Suspense“ in: Franz Obermeier / Wolfgang Schiffner (Hgg.), Die Wahrhaftige Historia – Das erste Brasilienbuch. Akten des Wolfhager Kongresses zu 450 Jahren Hans-Staden-Rezeption. Kiel: Westensee-Verlag (Fontes Americanae 2), ISBN 3-931368-68-8, 101-119.
  • Pinheiro, Teresa (2008): „Iberian Jesuits worldwide. The influence of communication on the spread of Jesuit missions in the 16th century" in: Reiner Anderl, Bruno Arich-Gerz, Rudi Schmiede (Hgg.), Technologies of Globalization. Darmstadt: Technische Universität Darmstadt, ISBN 978-3-88607-155-5, S. 235-248.
  • Pinheiro, Teresa (2007): „Monolithische und rissige Indianerbilder: José de Anchietas Indianerdarstellung zwischen Ethnologie und Mission“ in: Sociologus - Zeitschrift für empirische Ethnosoziologie und Ethnopsychologie / Journal for Empirical Social Anthropology 2/2007, ISSN 0038-0377, 207-226.
  • Pinheiro, Teresa (2007): „Anchieta“ in: Friedrich-Wilhelm Bautz (Hg.), Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. XVII. Nordhausen: Traugott Bautz 2007, ISBN: 9783883093932, S. 41-49.
  • Pinheiro, Teresa (2006): „Alteridade cultural e reflexão antropológica nos escritos de Manuel da Nóbrega S.J.“ in: Brotéria 163/4 (Oktober), ISSN 0870-7618, S. 263-278.
  • Pinheiro, Teresa (2005): Aneignung und Erstarrung. Die Konstruktion Brasiliens und seiner Bewohner in portugiesischen Augenzeugenberichten 1500-1595. Stuttgart: Steiner. 2004 (Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte Band 89), ISBN 3-515-08326-X, 355 S. zum Verlag
  • Pinheiro, Teresa / Fernando Amado Aymoré (2005): „Global denken, lokal handeln: Grundlagen und Praxis des frühneuzeitlichen Jesuitenordens“ in: Teresa Pinheiro, Natascha Ueckmann (Hgg.), Reiseliteratur und Globalisierung. Reiseliteratur vom 16. bis zum 21. Jahrhundert. Münster: LIT-Verlag (FOLIES – Forum Literaturen Europas 3), ISBN 3-8258-8749-9, S. 21-34.

1. Projektverantwortliche
Eduardo Franco (Universität Lissabon, Universität Aveiro),
Teresa Pinheiro (Technische Universität Chemnitz),
Beata Cieszynska (Universidade de Lisboa)
 

2. Projektbeschreibung
Mit dem Ende des Ostblocks haben sich das "Alte Europa" der Europäischen Gemeinschaften und die mittel- und osteuropäischen Länder einander angenähert. Diese Annäherung wurde durch die letzten Erweiterungsrunden der Europäischen Union im Mai 2004 und im Januar 2007 institutionell gefestigt. Dabei verläuft der allmähliche Zusammenschluss zwischen dem Europa der 15 und den neuen Unions-Mitgliedern in einem asymmetrischen Prozess: Fließen die Investitionen derzeit von Westen nach Osten, so zeigen die Migrationsbewegungen in die entgegengesetzte Richtung. Auch im neuen Europa lässt sich ein altes Zentrum bestimmen, in dem sich nach wie vor die Aufmerksamkeit bündelt. Für die neuen Mitglieds- und Kandidatenländer bildet die Triangel Berlin-Paris-London mit Brüssel in seiner Mitte einen politischen und wirtschaftlichen Anziehungspol; umgekehrt bereichern die neuen EU-Staaten Europa um neue Peripherien, die sich prioritär mit dem Zentrum auseinandersetzen, die aber auch – weniger beachtete – Kontakte und Netzwerke mit anderen Peripherien anknüpfen und unterhalten.

Die Präsenz Mittel- und Osteuropas ist in den etablierten EU-15-Staaten nicht überall die gleiche. Deutschland unterhält aufgrund historischer Verflechtungen und seiner geografischen Lage sowie als Großinvestor rege Beziehungen zum osteuropäischen Raum, und zwar sowohl in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft als auch in den alltäglichen Begegnungen der Menschen. An den westlichen Rändern Europas hingegen – in Irland oder Portugal – bestehen weniger dichte Beziehungen zu Osteuropa; zugleich prägt die zunehmende Präsenz von Migranten aus osteuropäischen Ländern die kollektive Wahrnehmung der neuen EU-Mitglieder.

Hier setzt das Projekt Peripheral Identities: Iberia and Eastern Europe between dictatorial past and European present an. Wenn im Prozess der Erweiterung Europas die Beziehungen zwischen „Zentrum“ und „Peripherie“ sowohl die Politik als auch die öffentliche Wahrnehmung des historischen Prozesses bis heute dominieren, so machen Einblicke in die direkten Beziehungen der Peripherien und Semi-Peripherien eine andere Dimension der Dynamik europäischer Integration sichtbar. Diese Beziehungen sollen anhand der gegenseitigen Wahrnehmungen der iberischen und der mittel- und osteuropäischen Länder und anhand von Vergleichen ihrer nationalen Identitätsbildungen näher untersucht werden.

Stellvertretend für die mittel- und osteuropäischen Länder, die 2004 und 2007 der EU beigetreten sind, werden die Beziehungen Polens, Rumäniens und Tschechiens zu Portugal und Spanien im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen. Zudem sollen Arbeiten zu den Beziehungen zwischen den iberischen und weiteren ehemaligen Ostblock-Staaten einbezogen werden. Die historische Analyse von portugiesischen und spanischen Alteritätsdiskursen über Mittel- und Osteuropa macht es unumgänglich, die Sowjetunion als Führungsmacht des Ostblocks sowie die DDR als politisch wichtigen Akteur zu berücksichtigen.

Die Schwerpunktsetzung auf Portugal und Spanien einerseits und Polen, Rumänien, Russland und Tschechien andererseits ist für das Thema der Peripherie-Peripherie-Beziehungen aus verschiedenen Gründen besonders gut geeignet:

1. Die portugiesische und die spanische Geschichte des 20. Jahrhunderts und insbesondere die jeweilige Europapolitik zeigen in mancher Hinsicht einen ähnlichen, wenn auch phasenverschobenen und „spiegelbildlichen“ Verlauf zu der der ausgewählten osteuropäischen Länder: Jahrzehnte andauernden rechtsorientierten Diktaturen folgte deren Zusammenbruch und ein weitgehend konsensueller Übergang zu einem demokratischen System; die neue politische Ordnung und die marktwirtschaftlichen Strukturen wurden durch die Orientierung an Europa gestützt, die im Beitritt Portugals und Spaniens zur EWG 1986 bzw. der 10 mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer 2004 / 2007 zur EU mündete.

2. Portugals und Spaniens EWG-Beitritt stellte die damals zehn Mitgliedsstaaten zum ersten Mal vor die Herausforderung, Anstrengungen für eine wirtschaftliche und soziale Kohäsion Europas zu unternehmen. Zeichnete sich bereits mit dem Beitritt Griechenlands 1981 ab, dass die fortschreitende europäische Integration die Förderung „strukturschwacher“ Länder impliziert, so wurde diese Erkenntnis mit dem Beitritt der iberischen Staaten durch die Gründung des Kohäsionsfonds und der europäischen Regionalpolitik in langfristige politische Maßnahmen und Institutionen umgesetzt. Die EU-Erweiterungen von 2004 und 2007 stellen die EU vor ähnliche Herausforderungen, reformbedürftige Ökonomien zu integrieren. Die Tschechische Republik besitzt eine mit Portugal vergleichbare Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft und -struktur; Polen und Spanien nehmen aufgrund der geographischen Lage, der Bevölkerungszahl und der Wirtschaftstruktur ähnliche (semi-periphere) Stellungen in Europa ein. Rumänien bildet aufgrund seiner stark subventionsbedürftigen Strukturen und seiner gegenwärtigen Emigrationsbewegungen (u. a. nach Portugal und Spanien) ein Pendant zu den Beitrittsländern der 80er Jahre. Diese Parallelen machen Vergleiche interessant, die den Verlauf des Beitritts und die gegenseitige Wahrnehmung untersuchen, deren Spektrum von kühler Distanz bis zur warmherzigen Solidarität reichen kann.

3. Mit dem EU-Beitritt und dem damit einhergehenden Anwachsen von Wirtschaftskraft und Lebensstandard wurden die traditionellen Auswanderungsländer Portugal und Spanien allmählich auch zu Einwanderungsländern. Seit den späten 1990er Jahren stieg die Immigration vor allem aus Rumänien, Moldawien, Russland und der Ukraine deutlich an. Osteuropa ist dadurch in Gestalt osteuropäischer Menschen zu einer alltäglichen Realität in Portugal und Spanien geworden. Die Immigranten aus den ehemaligen "Ostblock"-Ländern konfrontieren die iberischen Gesellschaften mit sozialen und kulturellen Realitäten, die im portugiesischen und spanischen mental mapping zuvor unter dem Sammelbegriff "Sowjetunion" subsumiert wurden.

4. Allen Ländern gemeinsam ist die Tatsache, dass ihre Identitätsbildungen geprägt sind von der Erfahrung langlebiger autoritärer Regimes im 20. Jahrhunderts und von einer darauf folgenden Phase der Orientierung an jenem einstmals "fernen", gar feindlichen Europa. Anders jedoch als in Portugal und Spanien, wo sich die Diktatur von innen etablierte, wurde sie in Polen, Tschechien und Rumänien von einer Hegemonialmacht aufgezwungen, sodass die Wiedererlangung der Demokratie mit der Wiedererlangung der politischen Souveränität einherging. Deshalb scheinen heutige Entwürfe nationaler Identität in den osteuropäischen Ländern stärker durch eine Abgrenzung von der Ära der Diktatur geprägt zu sein als auf der Iberischen Halbinsel – zumindest geht eine Vermutung in diese Richtung. Zugleich scheint Europa als Bezugsrahmen für eine nationale Identitätsbildung in den EU-Ländern Ostmitteleuropas eine wichtigere Rolle zu spielen als in Portugal und Spanien, da die damit verbundene West-Orientierung zugleich eine Distanzierung vom noch immer als bedrohlich empfundenen "Osten" bedeutet.

Die neuen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten beeinflussen die Entwürfe nationaler Identität in den iberischen und in den mittel- und osteuropäischen Ländern, und sie beeinflussen auch die gegenseitigen Wahrnehmungen und Repräsentationen. Die Bestimmung nationaler Identität beruht sowohl auf Selbstwahrnehmung als auch auf Abgrenzung von anderen Kollektiven. Deshalb werden zum einen die gegenseitigen Repräsentationen der hier berücksichtigen Länder untersucht. Zum anderen sollen die Bezugnahme zur nahen Vergangenheit sowie die Beziehung zu Europa als Bestandteile von Konstrukten nationaler Identität in den genannten Ländern verglichen werden.

Ziel 1: Gegenseitige Repräsentationen

Zum gegenwärtigen Bild Portugals und Spaniens in Polen, Rumänien, Russland oder Tschechien ist wenig bekannt; Publikationen liegen nur vereinzelt in den Landessprachen vor (vgl. Anlage 4: Bibliografie). Die Verhandlungen im Vorfeld des EU-Beitritts, das ermutigende oder warnende Beispiel der portugiesischen und spanischen Entwicklungen als EU-Mitglieder und die Erfahrungen mit den iberischen Staaten als Gastländern einer eigenen Emigranten-Diaspora haben offenbar die gegenwärtigen Repräsentationen Portugals und Spaniens in den mittel- und osteuropäischen Ländern geprägt. Da es jedoch noch an Untersuchungen fehlt, sind nur wenige Einzelheiten bekannt. Die Beiträge der Tagung sollen helfen, diese Lücke zu schließen.

Die heutige Wahrnehmung der mittel- und osteuropäischen Länder in Portugal und Spanien ist ebenfalls ein offenes Forschungsfeld (vgl. zu einzelnen Studien Anlage 4: Bibliographie). Der Beitritt dieser Länder zur Europäischen Union veränderte nicht nur Portugals und Spaniens Stellung in der EU, sondern auch ihre direkten Beziehungen zu diesen Ländern jenseits des früheren "Eisernen Vorhangs". Der portugiesische und spanische wissenschaftliche und politische Diskurs zur EU-Osterweiterung beklagt die Folgen für die jeweiligen Wirtschaften und politischen Positionen in der EU, ist jedoch frei von "Eifersucht", die sich etwa gegen die Beitrittskandidaten richten würde. Mit der Präsenz osteuropäischer Migranten sind zugleich die neuen Mitglieder auch im portugiesischen und spanischen Alltag sichtbar geworden. Unklar bleibt jedoch, wie in den portugiesischen und spanischen Medien diese neuen sozialen und kulturellen Gegebenheiten – etwa im Vergleich mit der "traditionellen" lusophonen Einwanderung aus Afrika und Brasilien in Portugal und mit der "traditionellen" spanischsprachigen Einwanderung aus Lateinamerika in Spanien – reflektiert wird.

Fremdbilder sind nicht nur durch aktuelle Interaktionen geprägt, sie knüpfen zugleich an frühere Diskurse an. Aus diesem Grund soll nicht nur die Gegenwart, sondern ebenso eine historische Perspektive beleuchtet werden. Das gesamte 20. Jahrhundert bietet einen Fundus an gegenseitigen Repräsentationen, die vermutlich die heutige Perzeption beeinflussen. Die publizistischen und literarischen Äußerungen in den damaligen Ostblockländern zum Franquismus, zum portugiesischen Estado Novo, zu Salazars Kolonialpolitik und zum portugiesischen Kolonialkrieg bieten gute Anhaltspunkte für historiographische Sondierungen, ebenso wie die propagandistische Abwertung des kommunistischen Ostens in den ideologischen Stellungnahmen der iberischen Diktaturen. Bedeutsam sind auch die Repräsentationen im politischen und öffentlichen Diskurs während der spanischen transición und der portugiesischen Nelkenrevolution 1974, ebenso wie die Protest- und Reformbestrebungen in Rumänien, Polen oder der Tschechoslowakei.

Ein großer Teil der Beiträge zu den gegenseitigen Repräsentationen wird in Form von Fallstudien überwiegend unbekanntes Material präsentieren.

Ziel 2: Konstruktionen nationaler Identitäten

In den letzten Jahren hat das Thema des kollektiven Gedächtnisses in Europa an Bedeutung gewonnen. Mit dem Verschwinden der letzten Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs und der Shoa und mit der medialen Revolution der letzten Jahre beobachten wir gegenwärtig den Übergang des interpersonalen "kommunikativen" in ein institutionell gestütztes "kulturelles" Gedächtnis (Assmann 1992). Dies gibt Anlass für öffentliche Verhandlungen um die Formen und Modalitäten der öffentlich gestifteten Erinnerung. In Deutschland haben die Diskussionen um die Errichtung des Holocaust-Mahnmals in Berlin gezeigt, dass es für die kollektive Selbstvergewisserung einer Gesellschaft notwendig ist, ihre Erinnerung kulturell zu verankern.

In durchaus vergleichbarer Weise – in öffentlicher Diskussion, aber zugleich im wissenschaftlichen Diskurs verankert – finden in Portugal, Spanien, Polen, Tschechien und Rumänien Debatten über den Umgang mit der näheren Vergangenheit statt. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Konstruktion nationaler Identität. Sowohl die Erfahrung der langen totalitären Regimes als auch die Orientierung an der Europäischen Union, die unmittelbar nach dem Ende ihrer Diktaturen einsetzte, spielen in den heutigen Inszenierungen nationaler Identität eine Rolle.

Gerade die Europäische Integration ist ein besonderer Bestandteil nationaler Identität. Da die Diktaturen in allen hier berücksichtigten Ländern mit einer "Isolierung von Europa" einhergingen, gleicht der Beitritt zur Europäischen Union einer "Rückkehr" oder einer "Neuentdeckung" Europas. Mit ihr verbunden ist der Versuch, an frühere Europa-Konzepte anzuknüpfen. Wie Europa in den einzelnen Ländern heute "gedacht" wird, an welche Traditionen des Europa-Gedankens solche Europa-Entwürfe anknüpfen und welche Rolle sie in der aktuellen Bestimmung nationaler Identität spielen, soll ein weiteres Thema der Tagung sein.

Bislang wurde eine Reihe von Untersuchungen zu einzelnen Ländern durchgeführt, die eine gute Grundlage für weitere Überlegungen bilden. Vergleichende Untersuchungen zu Erinnerungskulturen in den iberischen und mittel- und osteuropäischen Ländern liegen jedoch kaum vor (zu einem polnisch-spanischen Vergleich siehe Troebst 2003, 2004). Deshalb soll mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Spanien und Tschechien eine Forschergruppe zu diesem Thema gebildet werden. Im Rahmen eines Projekts sollen vergleichende Untersuchungen zu den jeweiligen Erinnerungskulturen und Identitätsentwürfen entstehen.

3. Aktivitäten
Tagung Peripheral Identities: Iberia and Eastern Europe between dictatorial past and European present, 2007

Die Tagung Peripheral Identities soll den Diskussionen über das Thema der Identitätskonstruktionen an den europäischen Peripherien ein interdisziplinäres Forum geben und den Austausch über Länder- und Fachgrenzen hinweg anregen. Unter den bislang angemeldeten Beiträgen sind die Rechts-, Politik-, Kultur- und Geschichtswissenschaften, die Linguistik sowie die iberischen und die slawischen Philologien vertreten. Die Tagung wendet sich darüber hinaus an alle sozial- und kulturwissenschaftlichen Fächer, die zu dem Thema beitragen können.


Gründung der International Society for Iberian-Slavonic Studies, 2007


4. Förderung
Sächsisch-Tschechisches Hochschulkolleg
Calouste Gulbenkian Fundation
Instituto Camões

5. Publikationen

  • Pinheiro, Teresa, Beata Cieszynska, Eduardo Franco, Hgg. (2011): Peripheral Identities: Iberia and Eastern Europe Between the Dictatorial Past and the European Present. Warschau u.a.: PearlBooks, ISBN 978-989-973-280-3, 352 S.
  • Pinheiro, Teresa, Beata Cieszynska, Eduardo Franco (2011): "Mapping National and European Identities. Eastern Europe and Iberia between Centres and Peripheries" in: Teresa Pinheiro, Beata Cieszynska, Eduardo Franco (Hgg.), Peripheral Identities: Iberia and Eastern Europe Between the Dictatorial Past and the European Present. Warschau u.a.: PearlBooks, ISBN 978-989-973280-3, 9-21.
  • Pinheiro, Teresa, Beata Cieszynska, Eduardo Franco, Hgg. (2010): Europa de Leste e Portugal. Realidades, relações e representações. Lisboa: Esfera do Caos, ISBN 978-989-8025-98-2, 262 S.

1. Projektverantwortliche
Eduardo Franco (Universität Lissabon, Universität Aveiro),
Teresa Pinheiro (Technische Universität Chemnitz),
Beata Cieszynska (Universidade de Lisboa)

2. Projektbeschreibung
Am 29. September 1953 hielt José Ortega y Gasset in München einen Vortrag mit dem Titel „Gibt es ein europäisches Bewußtsein?“. Diese Frage kam nicht von ungefähr: Eine Reihe europäischer Staaten zeigte sich entschlossen, auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs den Prozess der europäischen Einigung voranzutreiben. Am 9. Mai 1950 hatte Robert Schuman mit dem Plan zur Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl den Grundstein für die europäische Integration gelegt. In dieser Anfangszeit des politischen Projekts Europa vertrat Ortega y Gasset die Ansicht, dass eine europäische Einigung ohne einen Grundstock, eine verbindende Idee, nicht möglich sei. „Dieses Grundkapital“ so der spanische Philosoph, „kann aber nur in einem gemeinsamen Kulturbewusstsein bestehen, das schon da sein muß“ (Ortega y Gasset 1954: 6).
Etwa vierzig Jahre später, in einem weiteren Schlüsselmoment der europäischen Integration, nämlich im Februar 1992 nach der Unterzeichnung des Vertrags über die Europäische Union in Maastricht, kommentierte der damalige EU-Kommissionspräsident Jacques Delors die Zukunft Europas mit folgenden Worten: „If in the ten years ahead of us we do not succed in giving Europe its soul, a spiritual dimension, true significance, then we will have been wasting our time […] The potential of the Maastricht Treaty will not be realized without some form of inspiration“ (Delors 1992). Mit Ortega y Gasset teilte Jacques Delors die Auffassung, dass das Projekt Europa nicht auf einen politischen und wirtschaftlichen Zweckverband reduziert werden könne, sondern dieser einer geistigen Verbundenheit bedürfe und erst auf der Basis einer gemeinsamen europäischen Identität zu verwirklichen sei. Zudem müsse diese „Seele Europas“ nicht bloß „schon da sein“, sondern von den politischen Akteuren aufgenommen und den europäischen Institutionen gleichsam eingehaucht werden.
Die gegenwärtigen Zeitläufte begünstigen erneut eine intensivierte Beschäftigung mit Fragen nach einer europäischen Identität. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erlebt die Europäische Union einen nie erreichten Grad an Integration. Die Erweiterung der Union um zwölf neue Mitglieder innerhalb von drei Jahren bei gleichzeitiger Schaffung einer rechtlichen und institutionellen Neuordnung auf der Grundlage des Lissabonner Vertrags und der Aussicht auf weitere Mitgliedschaften von Gewicht markieren diese jüngste Etappe im Einigungsprozess, von der manche glauben, dass Europa nun sowohl geographisch als auch organisatorisch-institutionell an seine Grenzen stoße.
Die mangelnde Akzeptanz der vorgeschlagenen konstitutionellen Ordnung Europas in der Bevölkerung, die aus Umfragen und Abstimmungen spricht, wird nun als Zeichen für eine geringe Identifizierung der Europäer mit dem Projekt Europa gelesen. Die Ablehnung der Verfassung für Europa 2005 in Frankreich und den Niederlanden sowie die Absage an den Lissabonner Vertrag durch die irische Bevölkerung im Sommer 2008 ließen bei den Anhängern des Integrationsprozesses den Wunsch aufkommen, die Ausbildung und Festigung einer europäischen Identität stärker zu fördern. Nach fünfzig Jahren europäischer Institutionen deutet für sie vieles darauf hin, dass ein europäisches Bewusstsein fehle, das in der Lage wäre, die weiterentwickelten gemeinschaftlichen Institutionen zu tragen. Ein solches europäisches Bewusstsein gilt ihnen jedoch als Voraussetzung dafür, dass Europäer und Europäerinnen mit Hilfe dieser Institutionen und der darin abgestimmten gemeinschaftlichen Willensbildung die globalen Herausforderungen wie den Klimawandel, die Veränderungen der internationalen Arbeitsteilung, turbulente Finanzmärkte und demographische Übergänge bestehen und die Position Europas in der Welt verteidigen können.
Die politische Konstruktion Europas ist somit von einem besonderen Interesse an einer kollektiven Identität begleitet, die Europa zu einer „vorgestellten Gemeinschaft“ (vgl. Anderson 1983) macht. Der italienische Politikwissenschaftler Gian Enrico Rusconi forderte 2007, eine europäische Identität müsse aktiv aufgebaut werden, da eine solche, ähnlich den nationalen Identitäten, nicht spontan entstehen würde, andererseits jedoch für die Konsolidierung der Europäischen Union unabdingbar sei (vgl. Rusconi 2007). Die 2007 von der Berliner Konferenz gegründete Initiative „Europa eine Seele geben“ (vgl. Berliner Initiative 2008) sowie Erhard Buseks Buch Eine Seele für Europa von 2008 (vgl. Busek 2008) sind weitere Initiativen, die in der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Identität die Voraussetzung für die Zukunft der Europäischen Union sehen.

a) Wissenschaftliche Zielsetzung
Ziel der Tagung Ideas of Europe / Ideas for Europe ist eine erkenntnisorientierte Erörterung von Konzepten eines geeinten Europa, die im Spannungsfeld zwischen politischer Integration und kultureller Identität in verschiedenen Epochen entstanden sind. Das Augenmerk richtet sich auf semantische Felder des Namens oder Begriffs „Europa“ sowie auf ikonografische Repräsentationen zu bestimmten Zeitpunkten der europäischen Geschichte. Diskursive Verknüpfungen zu benachbarten oder konkurrierenden Begriffen wie "Alteuropa", "Okzident", "Abendland", "Nation" oder "Christentum" sollen berücksichtigt werden.
Die Einbettung der Europa-Diskurse in ihren jeweiligen historischen Kontext gestattet es nicht allein, die Historizität der Europa-Bilder herauszuarbeiten. Gesamteuropäische Kriege, kulturelle und religiöse Gegenbilder und die Gegenüberstellung mit außereuropäischer Alterität wirkten sich auf die Entstehung und Ausprägung von Europa-Gedanken aus. Historische Europa-Konzepte wurden unter anderem religiös begründet, lösten sich aber im Laufe der Zeit von ihrer religiösen Begründung, was die Frage aufwirft, ob und ggf. welche Werte in säkularisierten Europa-Ideen die religiösen ersetzten. Auch außerhalb Europas entstanden Europa-Bilder – man hat nach den Umständen ihrer Entstehung zu fragen und ihren Charakter zu analysieren. Schließlich ist auch für die aktuellen Europa-Diskurse zu klären, was sie charakterisiert und wie der politische Kontext ihr Profil bestimmt.
Die ausgewählten Europa-Ideen sollen aus einer historischen, einer außereuropäischen oder einer prospektiven Perspektive beleuchtet werden.
Da Vorstellungen eines geeinten Europa wesentlich älter sind als die Europäische Gemeinschaft, liegt ein Schwerpunkt der Tagung auf der Retrospektive, in der historische Europa-Konzepte dargestellt und diskutiert werden. Dabei geht es um Vorstellungen Europas von der Antike bis in die jüngste Vergangenheit. Der historische Vergleich macht Unterschiede wie Parallelen zwischen diversen Konzepten sichtbar, zugleich gestattet deren Einbettung in den historischen Kontext einen Blick auf mögliche Konjunkturen oder Konstanten. Die historischen „Folien“ lassen schließlich auch Umrisse und Profile heutiger Konzepte für eine europäische Identität erkennen.
Ein Blick von außen auf Europa kann – in der Vergangenheit oder in der Gegenwart – an Eigenheiten haften bleiben, die aus einer Binnenperspektive nicht wahrgenommen würden. Montesquieus Lettres persanes von 1721 waren ein rhetorischer Versuch, die Außenperspektive anzunehmen, um Europas Vorzüge und Probleme zu erkennen. Doch liegen auch Zeugnisse afrikanischer, amerikanischer oder asiatischer Reisender und arabischer Beobachter vor, sowie solcher, die aus der Peripherie in die Zentren Europas gelangten und ihre Erfahrungen dokumentierten. In diesem Spiegel erscheinen Europa-Ideen in ungewohnter Gestalt, die die Innensicht wesentlich ergänzen.
Die Reflexion über die Zukunft Europas bildet den dritten Schwerpunkt der Veranstaltung. Diese Reflexion erschöpft sich nicht in Prognosen über politische und wirtschaftliche Entwicklungen. Von besonderer Bedeutung ist die Frage der Identifikation der EU-Bürger und -Bürgerinnen mit dem politischen Projekt Europas. Prospektive Entwürfe einer europäischen Identität, die innerhalb der Europäischen Kommission, in nationalen politischen Institutionen, in den Medien oder auch im Rahmen von Bürgerinitiativen entstehen, sollen dabei analysiert, verglichen und diskutiert werden.
Für die zeitliche Gliederung wurden heuristisch fünf Sektionen formuliert, denen die Beiträge zugeordnet werden. Diese Gliederung versteht sich nicht als eine strikte und kann noch modifiziert werden.

b) Sektionen:

(i) Europa avant la lettre
Die Entführung Europas oder die biblische Völkertafel gaben Europa scheinbar einen mythischen Ursprung, allerdings handelt es sich hierbei um spätere Interpretationen der antiken und biblischen Mythen. In der Antike und im Mittelalter war der Europa-Begriff auf die Geographie bzw. eine religiöse Semantik beschränkt (vgl. Baumgärtner/Sick 2007: 494). Doch scheinen immer wieder Konflikte wie die Perserkriege und die Expansion des Osmanischen Reichs Anlass für kulturell begründete Europa-Konzepte gegeben zu haben. Im ersten Rahmenthema soll dargelegt werden, welche Europa-Konzepte aus der Lektüre antiker und mittelalterlicher Quellen sprechen und welche geographische und ideelle Vorstellung Europas in verschiedenen zeitlichen Kontexten ausgeformt waren. Besonderes Augenmerk verdient die Frage nach der Herausbildung einer gesamteuropäischen Identität infolge der Konfrontation mit kulturellen und religiösen Gegenspielern.

(ii) Europa im Anbruch der Neuzeit
Die Konzentration auf nationale Werte und die Religionskriege der Frühen Neuzeit behinderten die Fortentwicklung gesamteuropäischer Vorstellungen. Das im Mittelalter bindende Element der Religion wurde im 16. Jahrhundert zum Zankapfel unter den europäischen Fürsten. Doch trug die zeitgleiche europäische Expansion nicht nur zu einer Revolution des europäischen Weltbilds bei, sondern konfrontierte die europäische Intelligenz mit außereuropäischen Kulturen und ihrer eindrücklichen Andersartigkeit. Das wirft die Frage auf, wie die „Gründungsväter“ der Neuzeit über ihre eigene europäische Identität dachten. Zugleich markieren historische Ereignisse wie etwa die Belagerung Wiens 1529 durch das osmanische Heer diese Ära, und es soll geklärt werden, welche Rolle sie in der Herausbildung eines europäischen Bewusstseins spielten.

(iii) Europa zwischen Aufklärung und Holocaust
Die Aufklärung wird in der Forschung zu Europa-Konzepten oft als die Epoche angesehen, in der sich die Vorstellungen Europas von christlichen Denkmustern emanzipierten (vgl. Durchhardt 1992: 121). Zugleich erlebte die Idee der europäischen Einheit während der Aufklärung eine Hochkonjunktur. Unter dem Zeichen der Vernunft und der Säkularisierung kritisierten die Aufklärer die Uneinigkeit der Völker Europas. Doch blieb die Uneinigkeit Europas im Zeitalter der Nationalstaaten die politische Dominante und kulminierte schließlich in den Weltkriegen. Viele Visionen und Projekte bezüglich der europäischen Identität und Zukunft kennzeichnen die Zeit zwischen Aufklärung und Holocaust, aber auch reale Alpträume. Die Konzepte eines föderalen Europa erscheinen insgesamt als ein Gegengewicht zur zunehmenden nationalen Zersplitterung, was Gegenstand einer genaueren Bestandsaufnahme und Reflexion werden soll.

(iv) Europa in den Augen der Anderen
Über Jahrhunderte zeichneten sich die Europäer dadurch aus, dass sie in alle Teile der Welt expandierten. Doch seit den ersten Entdeckungsfahrten im Atlantik führte die europäische Expansion ebenfalls Vertreter außereuropäischer Kulturen nach Europa. Aus ihren Zeugnissen und Schriften lassen sich die Repräsentationen Europas rekonstruieren, mit denen uns die Völker anderer Kontinente begegnen. Insbesondere in den europäischen Kolonien in Asien und Afrika entstanden im 19. und 20. Jahrhundert ergiebige Quellen zum Bild des weißen Europäers (vgl. etwa Riesz 2003), das durch die asymmetrischen kolonialen Verhältnisse geprägt war. Ähnliches gilt für die arabische Welt oder für die Randbereiche Europas, etwa die Inuit Grönlands und deren Wahrnehmung der (urbanen) europäischen Zivilisation (vgl. Harbsmeier 2001). Ein Blick von den amerikanischen Subkontinenten gestattet wiederum, die Rolle Europas in der Herausbildung latein- und nordamerikanischer kollektiver Identität zu erkunden; die Frage, ob diese Identität auf der Grundlage europäischen Erbes oder in Abgrenzung zu ihm zu sehen sei, bewegt die Betroffenen bis heute.

(v) Europa und seine Zukunft
Befürworter einer fortgesetzten europäischen Integration sehen die Weiterentwicklung Europas durch scheiternde Verfassungsentwürfe blockiert und fürchten, dass nationale Ansprüche das gemeinsame Projekt weiter bremsen könnten. Sie stellen die Frage nach der Zukunft Europas in einer Welt globaler Hoffnungen und ebenso großer Risiken, und fordern eine neue Vision, die die Bürger in ihrem Selbstverständnis als Europäer erfasst. Die Suche der politischen Eliten nach einem europäischen Geschichts- und Kulturbewusstsein und ihre Forderung nach einer gemeinsamen Erinnerungskultur sind zunächst als standortgebunde Konstrukte im Prozess der europäischen Integration zu sehen. Deren Semantik steht allerdings in mehr oder weniger ausgeprägter Kontinuität zu älteren Europa-Konzepten.

3. Aktivitäten
Tagung Ideas of | for Europe, Technische Universität Chemnitz, 6.-9. Mai 2009.

4. Förderung
Calouste Gulbenkian Fundation
CLEPUL
Instituto Camões
Instituto Cervantes
FCT
REN
TU Chemnitz

5. Publikation

  • Teresa Pinheiro / Beata Cieszynska / Eduardo Franco, Hgg. (2013): Repensar a Europa. Europa de Longe, Europa de Perto. Lissabon 2013. Gradiva, ISBN 978-989-616-531-4. 356 S.
  • Teresa Pinheiro / Eduardo Franco, Hgg. (2013): De face a cauda da Europa. A ideia da Europa na cultura portuguesa. In: Teresa Pinheiro / Beata Cieszynska/ Eduardo Franco, Hgg. (2013): Repensar a Europa. Europa de Longe, Europa de Perto. Lissabon 2013.
  • Teresa Pinheiro / Beata Cieszynska / Eduardo Franco, Hgg. (2012): Ideas of | for Europe – An Interdisciplinary Approach to European Identity. Frankfurt a.M. u.a.: Peter Lang, ISBN 978-3-631-61974-2, 724 S.
  • Pinheiro, Teresa / Eduardo Franco (2012): "Being the Face of Europe or Bringing Up the Rear – Ideas of Europe in Portugal, 16th to 18th Century" in: Teresa Pinheiro / Beata Cieszynska / Eduardo Franco (Hgg.): Ideas of | for Europe – An Interdisciplinary Approach to European Identity. Frankfurt a.M. u.a.: Peter Lang, ISBN 978-3-631-61974-2, 231-249.
  • Teresa Pinheiro, Hg. (2009): Iberische Europa-Konzepte. Nation und Europa in Spanien und Portugal seit dem 19. Jahrhundert. Berlin: Duncker & Humblot (Chemnitzer Europastudien 10), ISBN 978-3-428-83110-4.