Veranstaltungen
"Kritik" und "Intellektuelle"
in den kommunistischen Bewegungen Westeuropas
13.30–15.00 Uhr
W.-Raabe-Str. 43, 201

Die Kulturgeschichtsschreibung der Bundesrepublik nimmt gleichermaßen institutionelle, habituelle und intellektuelle Veränderungen und Kontinuitäten in den Blick. Unter den Stichworten der „Westernisierung“ und „Amerikanisierung“ werden Erneuerungen augenfällig, durch die Prinzipien parlamentarischer Demokratie, aufklärerischen Verfassungsdenkens und Tendenzen der amerikanischen Alltags- und Populärkultur im Selbstverständnis der Bundesrepublik Einzug hielten.
Gleichzeitig knüpften die Akteure an bestehende geistesgeschichtliche Traditionen und Denkmuster an, ja aktualisierten diese. Für beide Prozesse, die mit der Formel „Modernisierung im Wiederaufbau“ beschrieben werden können, waren Intellektuelle (Emigranten, Remigranten und Dagebliebene) prägend, sei es in kritischer, reformerischer oder legitimierender Absicht.
Am Beispiel des Sozialphilosophen Max Horkheimer und des Politikwissenschaftlers Arnold Bergstraesser fragen Magnus Klaue (Leipzig) und Sebastian Liebold (Chemnitz) nach den unterschiedlichen Formen, in denen ehemalige Emigranten die „Westernisierung“ der Bundesrepublik geprägt haben. In einem dritten Beitrag beschäftigt sich Frank Schale (Chemnitz) mit dem intellektuellen Eingriff in die rechtspolitische Kontroverse um die Wiederbewaffnung. Die drei Vorträge reflektieren intellektuelle Deutungskämpfe in der frühen Bundesrepublik im Spannungsfeld von Politik, Ideologie, Wissenschaft und Öffentlichkeit.
An der ‚Romantik‘ entzündete sich im 20. Jahrhundert vielfach scharfe und politische Kritik. Sie wurde allerdings aus unterschiedlichen Gründen als dissident abgelehnt. Der Vortrag lässt zunächst vier dieser Kritikmuster Revue passieren: die Einwände von rechtsradikaler Seite (am Beispiel Carl Schmitt), von linksliberaler Seite (Jürgen Habermas), von sozialdemokratischer Seite (Richard Löwenthal) und von kommunistischer Seite (Georg Lukács). Gegenüber diesen Einwänden soll unter Rückgriff auf alternative Romantikrezeptionen (John Stuart Mill) sowie neuere sozialphilosophische Arbeiten (u.a. von Charles Taylor und Hartmut Rosa) der ‚rationale Kern‘ der romantischen Kritik an der Moderne mit den sich daraus ergebenden politischen Konsequenzen skizziert werden. Die Romantik kann in einer solchen Perspektive zu einer Fundierung der Politik in einer modernen Demokratie beitragen.
Hubertus Buchstein ist seit 1998 Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Greifswald. Publikationen zur Politischen Ideengeschichte, zur Wissenschaftsgeschichte und zur Modernen Demokratietheorie.