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Lebendige Textilbibliothek
Projektbeschreibung

Projektbeschreibung

 

Voraussichtliche Laufzeit: 05/2022 - 04/2024

Förderung: DBU - Deutsche Bundesstiftung Umwelt

Wer sich Fachwissen aneignen möchte, wird häufig in Büchern fündig. Doch es gibt auch Fachwissen, das so in keinem Buch steht. Zu diesem Wissen gehört, wie die Textilbranche mit den globalen Krisen wie dem Biodiversitätsverlust und der Klimakrise umgeht. Es ist eine Mischung aus technologischen Lösungen, politischen, sozialen und ethischen Fragen und der persönlichen Lebens- und Arbeitsrealität in verschiedensten Unternehmen, die beginnen Handlungsalternativen umzusetzen. Dieses Wissen als auch neue Perspektiven und Einzelbeispiele sind in unzähligen Köpfen vorhanden, aber noch nicht gut zugänglich. Um dieses Spezial-Wissen greifbar und nachvollziehbar zu machen, sollen im neuen Format der lebendigen Textilbibliothek Dialoge zwischen Menschen ermöglicht werden, die sich sonst nie begegnet wären. Damit wird die Veränderung in der Textilbranche und deren Ausrichtung auf die Anforderungen der Zukunft beschleunigt.

Das Format eröffnet einen intimen Dialograum, der einen persönlichen und tiefgründigen Austausch über Textilien, deren Herkunft und Zukunft in Gang setzt. Gespräche mit Expert:innen, denen man sonst nie begegnen könnte, werden in diesem Setting möglich. In lebendigen Bibliotheken werden Menschen als Bücher betrachtet, die man sich anhand eines Klappentextes für ein Gespräch unter vier Augen ausleihen kann, und erhalten so die Möglichkeit, ihre Geschichte zu erzählen und ihre Expertise zu teilen. Anders als in einer echten Bibliothek handelt es sich hierbei um eine Veranstaltung, die zeitlich auf wenige Stunden begrenzt ist und bei der für diesen Zeitraum die „lebendigen“ Bücher zur Verfügung stehen. Die lebendige Textilbibliothek bietet somit einen einzigartigen (digitalen) Raum für den Austausch über die vielen Facetten der textilen Welt. Wie werden Faserpflanzen nachhaltig angebaut, wie werden die Fasern unter neuen sozialen und klimapositiven Randbedingungen zu Textilien weiterverarbeitet, für welche Produkte eignen sie sich und wie kann sie besonders langlebig gestalten? Aus den persönlichen Gesprächen ergeben sich tiefe Einblicke in Spezialgebiete der textilen Kette und ein besseres Verständnis für die Dringlichkeit zum Wandel hin zu einer nachhaltigeren Textilproduktion. Wer die Menschen und ihre Geschichten hinter den Produkten kennt, schätzt sie mehr wert. Diese Nähe und Exklusivität der eins-zu-eins Begegnung unterscheidet das Format der lebendigen Bibliothek von Veranstaltungen wie Podiumsdiskussionen oder Videokonferenzen. Das Wissen um Offenheit für das Gespräch und das spielerische Setting senken hier ganz bewusst die Schwelle, eine fremde Person anzusprechen. 

Im Rahmen des 2-jährigen Projektes sollen Lebendige Bibliotheken zum Thema nachhaltige Textilproduktion in den textilproduzierenden Regionen Deutschlands und in den Zielgruppen Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft erprobt werden. Insgesamt sollen so während und im Nachgang von bis zu 10 Veranstaltungen mindestens 400 individuelle Gespräche geführt werden. Eine größere Reichweite des Projektes entsteht durch begleitende Öffentlichkeitsarbeit. Das Format der lebendigen Bibliothek kommt aus der Antidiskriminierungsarbeit. Mit dem Projekt soll es erstmals für Wissenschaftskommunikation und als Mittel für den sozial-ökologischen Wandel erprobt werden.

Die lebendige Textilbibliothek richtet sich an im Bereich Textil aktive Personen. Dazu zählen Menschen, die in Textilunternehmen arbeiten ebenso wie Personen, die sich noch im Studium befinden. Wir möchten die Menschen erreichen, die Entscheidungen entlang der textilen Wertschöpfungskette treffen oder zukünftig treffen werden. Durch eine Sensibilisierung für die globalen ökologischen Auswirkungen ihres Handelns und das Aufzeigen von Lösungen, sollen sie zu Verhaltensänderungen motiviert werden.

Diese (zukünftigen) Entscheidungsträger:innen sollen einerseits als Leser:innen angesprochen werden und mit „Büchern“ in Kontakt kommen, die sich bereits für Nachhaltigkeit engagieren, aber auch mit „Büchern“, die etwas über die alltäglichen Bedingungen in der Produktion sagen können. Umgekehrt können Akteur:innen der Textilwirtschaft als „Bücher“ durch die Fragen ihrer Leserschaft neue Perspektiven entwickeln. Auch politische Entscheidungsträger:innen sollen angesprochen werden.

Die Veranstaltungen sollen an Standorten stattfinden, an denen Akteur:innen der Textilbranche besonders vertreten sind und an denen z.B. Hochschulen oder andere Ausbildungseinrichtungen existieren. Die Veranstaltung kann in bestehende Formte (wie Messen oder Konferenzen) eingebunden werden. Dazu werden Kooperationen mit geeigneten Partner:innen aufgebaut bzw. bestehende genutzt. Das Format wird auch an anderen Orten, an denen die Zielgruppe erreicht werden kann, wie Verbandstreffen oder Textilmuseen, erprobt. Die Kooperationspartner:innen sollen durch die Durchführung mit ihnen gemeinsam zur eigenen Organisation ähnlicher Veranstaltungen animiert werden. Dazu wird zu Projektende eine Anleitung erstellt und mit den Kooperationspartner:innen geteilt.

Die lebendige Textilbibliothek bildet einen Baustein für einen Wandel der Textilbranche hin zu mehr Umweltschutz und fairen Arbeitsbedingungen. Das Thema Nachhaltigkeit wird in der Textilbranche, insbesondere im Bereich Mode, immer stärker diskutiert und Lösungen werden umgesetzt. Räume im deutschsprachigen Raum dazu sind Messen und Konferenzen wie die Munich Fabric Start, NEONYT oder die Sustainable Textile School. Projekte wie der textil trainer, Fashion Diet oder LeNaTex zielen darauf ab, Nachhaltigkeit in der Aus- und Weiterbildung in digitalen Formaten zu vermitteln. Die multi-stakeholder Initiative Textilbündnis versorgt seine Mitglieder in Workshops und Veranstaltungen und mit Materialien zu Jahresthemen.

Die lebendige Textilbibliothek hat ihr Alleinstellungsmerkmal in der gewählten Methodik. Lebendige Bibliotheken stammen aus dem Bereich der Antidiskriminierungsarbeit. Eine Übertragung des Ansatzes auf einen Bewusstseinswandel in der Wirtschaft ist nicht bekannt.