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Universitätsarchiv
Corona-Archiv

Katja Klöden

Arbeiten im „Stand-By-Betrieb“

Ich gehöre an der Professur Werkzeugmaschinenkonstruktion und Umformtechnik der TU Chemnitz zum „Kernteam“. Das bedeutet, dass ich eine Art Passierschein habe, der mich berechtigt, ins Büro zu kommen, obwohl die Universität im Stand-By-Betrieb ist und fast alle anderen Kollegen im Homeoffice arbeiten.

Seitdem man nur noch mit „triftigem Grund“ sein Zuhause verlassen darf, freue ich mich auf den Weg zur Arbeit. Das Auto lasse ich stehen - seit Corona lege ich den Weg zur Uni nur noch per pedes oder per Fahrrad zurück. Ich genieße den Frühling, die Bewegung an der frischen Luft. Wenn ich am Friedhof vorbeikomme, bin ich froh darüber, dass dort nicht wie in Italien Lkws voller Särge in der Einfahrt stehen. Es herrscht Ruhe. Auf den Straßen sind wenige Autos unterwegs, Fußgänger umschiffen einander mit Bedacht, soweit es die Gehwegbreite hergibt.

Wenn ich vor dem Gebäude M stehe, muss ich seit Corona meinen Transponder bemühen, um durch die normalerweise automatisch öffnende Eingangstür gehen zu können. Sesam öffne Dich! Im Foyer empfängt mich Stille und ein Desinfektionsmittelspender, den ich mit dem Ellbogen bediene. Meine Hände sind schon ganz trocken und rissig vom vielen Waschen und Desinfizieren. Der Bildschirm, auf dem sonst Gäste für Projekttreffen oder Veranstaltungen begrüßt werden, ist schwarz. Wenn ich aus dem Fenster meines Büros schaue, sehe ich zwei Feldhasen hoppeln. Ostern kann kommen. Wer hätte gedacht, dass man sich mal über lustig verpackte Klopapierrollen im Osternest freuen würde? Mein Sohn hat ein Ostergedicht verfasst, das seine Deutschlehrerin zusammen mit vielen anderen Briefen und Bildern seiner Schulkameraden an die Bewohner eines Pflegeheims weitergibt, die über die Feiertage keinen Besuch haben werden und ihr Heim nicht verlassen dürfen. Wir sind stolz auf ihn und freuen uns über Gesten der Mitmenschlichkeit, die in diesen Zeiten über verschiedene Medien übermittelt werden.

Der persönliche Kontakt fehlt allen, egal ob es Familienmitglieder „außerhalb des eigenen Hausstandes“ oder Kollegen betrifft. Beratungen werden durch Telefon- oder Videokonferenzen ersetzt. Die Gratulation zur Geburt des Kindes kommt per E-Mail. Der Ausstand des Kollegen mit Kuchen und Abschiedsrede muss auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Die Studenten, die ihre Abschlussarbeit verteidigen wollten, hängen in der Luft.

Lehre soll digitalisiert werden – ein Hoch auf das Universitätsrechenzentrum und viele engagierte Mitstreiter, die in kürzester Zeit so viel auf die Beine stellen. Corona als Katalysator? Doch nicht alle Lebensbereiche können in die digitale Welt übertragen werden. Das sehe ich an den Zimmerpflanzen meiner Kollegen, die trotz sorgfältiger Pflege unserer Sekretärin doch die persönliche Betreuung ihrer Bezugspersonen vermissen und ihre Blätter hängen lassen.

Ich setze meine Hoffnungen auf die weltweit vernetzte Wissenschafts-Community, dass sie dem globalen Problem Corona in einer gemeinsamen Kraftanstrengung möglichst bald etwas entgegenzusetzen vermag – in medizinischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht.

Katja Klöden, 09.04.2020