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Zentrum für Sensorik und Kognition
Fallbeispiele

Fallbeispiele zur Interaktion von Sensorik und Kognition

Unter anderem aufbauend auf dem Zentrum für Sensorik und Kognition wurde am 17.01.2023 das Zentrum für Mensch und Technik (MeTech) an der TU Chemnitz eingerichtet. Diese Seite wird seither nicht mehr aktualisiert.

Sowohl auf sensorischer als auch auf kognitiver Seite können manche Prozesse besser vom Menschen und andere besser durch die Technik geleistet werden. Daher erlaubt die zielgerichtete Kooperation von Mensch und Technik, die durch ein wissenschaftliches Verständnis von menschlicher und technischer Sensorik und Kognition befördert wird, die Freisetzung erheblicher Synergien. Dies soll anhand von sechs Fallbeispielen illustriert werden.

Fallbeispiel 1: Fahrerassistenz

Fahrerassistenzsysteme, die im Gegensatz zu reinen Fahrassistenzsystemen den Fahrer als integralen Bestandteil des Regelungsprozesses beibehalten, sind ein weit verbreitetes Anwendungsbeispiel, bei dem Sensorik und Kognition ineinanderfließen. Am Beginn steht die technisch-sensorische Erfassung der Umwelt (Fahrbahnzustand, Fahrzeugzustand, andere Verkehrsteilnehmer) sowie ggf. des Zustands des Fahrers (Ermüdung, Ablenkung usw.). Es folgt eine erste technische Kognition, in der die sensorischen Daten bewertet, klassifiziert und priorisiert werden und über ihre Darstellung entschieden wird. Die Darstellung an den Fahrer erfolgt unter Berücksichtigung von dessen menschlicher Sensorik. So müssen zum Beispiel Warnsignale alarmierend und intuitiv, aber nicht längerfristig ablenkend gestaltet sein. Der menschlichen Kognition bleibt basierend auf diesen Daten die Hoheit über die Entscheidung über Fahrmanöver, sofern diese nicht harte physikalische Bedingungen – wie sie durch eine zweite technische Kognition evaluiert werden - verletzten. Die Konsequenzen der Handlung werden wiederum sensorisch erfasst, es schließt sich der Regelkreis mit dem Menschen in der Regelungsschleife („human-in-the-loop“).

Fallbeispiel 2: Kooperative Fertigung

Ebenfalls exemplarisch für den „human-in-the-loop“ steht die kooperative Fertigung. Im Gegensatz zu klassischer industrieller Montage agieren dabei Mensch und Technik gleichzeitig in derselben Arbeitszelle und führen im Idealfall kooperative Handlungen aus. Hier wird wiederum der Zustand des Menschen und der Arbeitszelle zunächst durch technische Sensorik erfasst und durch technische Kognition bewertet. Es folgt eine Aufbereitung der Daten zur Kommunikation mit dem Menschen unter Berücksichtigung der Grenzen menschlicher Sensorik, dargebotene Informationen aufzunehmen. Wissen über die menschliche Kognition, insbesondere über deren soziale Aspekte, erlaubt dabei die Mensch-Technik-Kooperation intuitiv und somit ohne besonderen Einarbeitungsaufwand zu betreiben.

Fallbeispiel 3: Beleuchtungssysteme und Sensoren verändern unser Umfeld

Die technische Entwicklung stellt an die menschliche Sensorik und Kognition neue Herausforderungen. Ein prototypisches Beispiel ist unser visuelles Umfeld mit der Entwicklung neuartiger Leuchtdioden (LEDs), die konventionelle Lichtquellen nicht nur einfach ersetzen („Retrofit“), sondern qualitativ neue Eigenschaften – etwa hinsichtlich der Modulierbarkeit von Helligkeit und Farbe – mit sich bringen. Explorative Systeme sprechen mit der Kombination von Licht und Schall mehrere Sinne gleichzeitig an und sind drahtlos mit einem Netzwerk aus Sensoren verbunden. Eine zielgerichtete Entwicklung in diesem dynamischen Bereich setzt einen holistischen Ansatz voraus, der neben den sensorischen Eigenschaften des Menschen und dessen Fähigkeit zur kognitiven Anpassung an neue Umgebungen auch die Potenziale der technischen Sensorik und Kognition berücksichtigt – etwa durch Lichtquellen, die sich an die Lichtverhältnisse in der Umgebung anpassen (z.B. adaptive Scheinwerfer).

Fallbeispiel 4: Altersgerechte Mensch-Technik-Interaktion

Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels besteht ein besonderer Bedarf, allen Altersgruppen Zugang zu innovativer Technik zu ermöglichen. Über die Lebensspanne wandeln sich sowohl menschliche Sensorik als auch menschliche Kognition erheblich. Um einen niederschwelligen Zugang zur Technik für alle Altersgruppen zu gewährleisten und dabei Parameter wie Erfahrung konstruktiv einfließen zu lassen, müssen zunächst die Beiträge sensorischer und kognitiver Komponenten im Alterungsprozess experimentell isoliert werden. Dann kann durch Anpassung der technischen Sensorik sowie über intelligente Regelung mittels technischer Kognition die Interaktion und Kommunikation zwischen Mensch und Technik altersgerecht angepasst werden. Ein Beispiel hierfür ist die Detektion von Hilfsbedürftigkeit älterer Menschen beim Gebrauch von Technik und die anschließende zielgerichtete Intervention.

Fallbeispiel 5: Erweiterte menschliche Sensorik

Eine optimale technische Unterstützung („intelligente Sensorik“) setzt in Situationen an, in denen die menschlichen sensorischen oder kognitiven Fähigkeiten vorübergehend (z.B. reizüberflutete Umgebung) oder dauerhaft (z.B. krankheitsbedingt nachlassende Sinnesleistungen) eingeschränkt sind. Der Ersatz eines nicht (mehr) funktionstüchtigen menschlichen Sinnesorgans durch einen technischen Sensor, wie etwa beim Cochlea-Implantat, gehört in diesen Bereich. Menschliche Sensorik unterliegt selbst bei gesunden Personen zahlreichen Beschränkungen: so können diverse physikalische Größen (z.B. Radioaktivität, elektromagnetische Strahlung außerhalb des sichtbaren Spektrums usw.) nicht oder nur mit schlechter Auflösung erfasst werden. Hier bietet sich Unterstützung durch technische Sensorik an. Im Idealfall leistet die Technik eine „intelligente“ Vorverarbeitung (technische Kognition), um die Sensordaten in möglichst natürlicher Weise, also analog zu den eigentlichen Sinnesorganen, der menschlichen Kognition darzubieten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sowohl die verbleibende menschliche Sensorik, die in der überwiegenden Zahl der Fälle als Eintrittsportal für die technischen Signale dient, als auch die Verarbeitung der neuartigen Signale durch menschliche Kognition verstanden werden.

Fallbeispiel 6: Wahrnehmung und Verstehen komplexer Szenen

In der Erfassung komplexer Szenen ist die menschliche Sensorik und Kognition ihrem technischen Pendant momentan noch weit überlegen. Um Menschen mit diesbezüglichen Beeinträchtigungen adäquate technische Kompensation zu bieten (vgl. Fallbeispiel 5) oder um komplexe Szenenwahrnehmung in gefährlichen Situationen technikbasiert abzudecken, soll die technische Sensorik und Kognition perspektivisch mit verbesserten Fähigkeiten ausgestattet werden. Hierfür ist zunächst ein vertieftes Verständnis der sensorischen und kognitiven Prozesse erforderlich, die dem gesunden Menschen die Wahrnehmung und das Verstehen komplexer Szenen erlauben. Der Transfer in das technische System kann dann anhand biologisch inspirierter Prinzipien erfolgen.