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Professur Physik Dünner Schichten
Quasikristalle

Quasikristalle

Quasikristalle stellen neben periodisch aufgebauten Kristallen und den ebenfalls am Lehrstuhl untersuchten amorphen Substanzen den dritten Zustand fester Materie dar. Dabei ist die atomare Struktur von Quasikristallen im Unterschied zu amorphen Stoffen hochgeordnet, ohne jedoch einen gitterperiodischen Aufbau wie Kristalle zu zeigen. Als Ausgangspunkt für die Strukturbeschreibung quasikristalliner Legierungen, dienen quasiperiodische Raumgitter (siehe Hintergrund) oder hierarchisch aufgebaute Cluster.

Strukturbedingt zeigen Quasikristalle eine Reihe zunächst unerwarteter physikalischer Eigenschaften:

Obwohl Quasikristalle aus "guten" Metallen, wie z. B. Aluminium, Kupfer und Eisen bestehen können, zeigen manche Quasikristalle eine ausgesprochen niedrige elektrische und thermische Leitfähigkeit, Quasikristalle können sehr hart und chemisch relativ inert sein.

Als Ursache dieser und vieler anderer Eigenschaften und auch der hohen Stabilität von Quasikristallen vermuten wir die Wechselwirkung zwischen dem elektronischen System und der für Quasikristalle speziellen atomaren Struktur. Eine vergleichbare Wechselwirkung kann auch bei Kristallen und amorphen Stoffen auftreten und führt zur Hume-Rothery Stabilisierung.

Um diese Hypothese zu überprüfen, führen wir an zwei verschiedenen quasikristallinen Systemen sowohl Untersuchungen der Struktur, als auch elektronischer Transporteigenschaften durch.

  • Beim ikosaedrischen System Al-Cu-Fe steht der Vergleich zwischen der amorphen und der quasikristallinen Phase an jeweils der gleichen Probe im Vordergrund
  • Beim ebenfalls ikosaedrischen System Al-Pd-Re interessieren wir uns vor allem für die elektronischen Transporteigenschaften im Quasikristall, weil dieses System extrem starke Anomalien bis hin zum Metall-Isolator Übergang zeigt.

Was versteht man unter elektronischen Transportmessungen?

Unter dem Begriff elektronische Transportmessungen werden alle Effekte zusammengefasst, die mit der diffusiven oder ballistischen Bewegung von Elektronen in einem mehr oder minder elektrisch leitfähigen System zusammenhängen. Ursache dieser Bewegung kann ein elektrisches, ein magnetisches oder ein thermisches Feld sein. Wir untersuchen an dünnen quasikristallinenen Filmen folgende Effekte:
  • elektrische Leitfähigkeit als Funktion von Temperatur und Magnetfeld
  • Thermokraft als Funktion der Temperatur
  • Hall-Effekt als Funktion von Temperatur und Magnetfeld

Warum interessieren wir uns für elektronischen Transport in Quasikristallen?

Quasikristalle sind lediglich aus metallischen Komponenten zusammengesetzt, dennoch zeigen strukturell hoch geordnete Quasikristalle in allen elektronischen Transporteffekten ein Verhalten, das stark vom metallischen abweicht und in vielen Fällen diesem sogar entgegengesetzt ist. So zeigen strukturell gute Quasikristalle wie z.B. Al-Cu-Fe, Al-Pd-Mn oder Al-Pd-Re:
 
Metall Quasikristall
elektrische Leitfähigkeit sinkt mit steigender Temperatur elektrische Leitfähigkeit steigt mit steigender Temperatur
Leitfähigkeit bei T=0 K ist höher für strukturell gute Proben  Leitfähigkeit bei T=0 K ist niedriger für strukturell gute Proben 
Thermokraft entspricht ungefähr dem Modell freier Elektronen, lineare Temperaturabhängigkeit Thermokraft ist i. a. sehr groß, sie zeigt eine starke, nichtlineare Temperaturabhängigkeit
Hall-Effekt entspricht ungefähr dem Modell freier Elektronen, kaum Temperaturabhängigkeit Hall-Effekt ist i. a. sehr groß und zeigt eine starke, nichtlineare Temperaturabhängigkeit

Diese Beispiele zeigen, daß Quasikristalle ein ganz anderes Verhalten aufweisen als die Komponenten, aus denen sie aufgebaut sind. Dies ist der erste Grund, warum wir uns für den elektronischen Transport in Quasikristallen interessieren.

Der zweite und wichtigere Grund ist aber, daß schon relativ früh (Bancel 1986, Ashcroft (1987), Friedel(1988)) die Vermutung aufkam, Quasikristalle seien, ebenso wie amorphe Metalle, durch die Wechselwirkung zwischen ihrer atomaren Struktur (beschrieben durch die Jones-Zone, in der Abb. Schwarz) mit dem System der Leitungselektronen (beschrieben durch die Fermi-Fläche, in der Abb. rot bzw. blau für Anteile mit loch- bzw. elektronenartigem Charakter) stabilisiert. Wenn sich Fermi-Fläche und Jones-Zone in Größe und Form einander annähern, führt dies dazu, daß die Energie des elektronischen Systems abgesenkt wird, da mehr elektronisch abgesenkte Zustände besetzt werden als energetisch angehobene. Dies könnte die Stabilität einer so komplizierten Struktur wie der der Quasikrisistalle in einem engen Bereich der Zusammensetzung zumindest teilweise erklären.

Die elektronischen Transporteffekte liefern vorwiegend Information über die Zustände an und knapp unter der Fermi-Fläche, also genau über die Zustände, die durch die postulierte Wechselwirkung mit der Struktur stark beeinflußt sein sollten. Wenn Quasikristalle durch die resonante Wechselwirkung zwischen Struktur und Leitungselektronen stabilisiert sind, so sind starke Transportanomalien zu erwarten, die zum Teil auch im Detail vorhergesagt werden können. Ziel der hier beschriebenen Arbeit ist es, möglichst alle Transportmessungen an Proben durchzuführen, die in der Zusammensetzung reproduzierbar und fein abgestuft sind. Wenn man annimmt, daß sich die quasikristalline Struktur in einem engen Fenster der Zusammensetzung nur wenig ändert, so entspricht die Änderung der Zusammensetzung einer Änderung der effektiven Valenz und damit einer Größenänderung der Fermi-Fläche.

Kooperationen und Förderung

Im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms "Quasikristalle - Struktur und physikalische Eigenschaften" arbeiteten wir mit mehreren weiteren Teilnehmern zusammen, unter anderem mit den Gruppen von

  • Prof. Paufler/Dr. Wolf (Dresden) - mechanische Eigenschaften
  • Prof. Fueß/Dr. Rodewald (Darmstadt) - Realstruktur
  • Prof. Assmus/Dr. Langsdorf (Frankfurt) - YMgZn
  • Dr. Eisenhammer/H. Nolte (München) - quasikristalline Schichten
Wir freuen uns auf weitere Zusammenarbeiten.


Dieses Projekte wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Schwerpunktprogramms Quasikristalle - Struktur und physikalische Eigenschaften unter der Projektnummer Ha 1627-8 gefördert. Dafür möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.