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Belege für die Vorstellung von Portugal als Império Colonial (dt.: Kolonialimperium) lassen sich bereits seit dem 16. Jahrhundert in der portugiesischen Historiographie nachweisen. Bereits die Humanisten Fernão Lopes de Castanheda, João de Barros und Pedro Nunes zogen Vergleiche zwischen der Übersee-Expansion Portugals und dem antiken Griechenland und Rom. Darin wird die Überzeugung portugiesischer Überlegenheit und mythischer Verherrlichung der Expansion deutlich:

"Es besteht kein Zweifel, dass die Schifffahrten unseres Königreichs in den letzten hundert Jahren die größten, die wunderbarsten und die höchsten Unternehmungen auf der Welt sind. Die Portugiesen wagten, sich dem großen Ozean zu stellen."[1]

Begünstigt durch die internationale politische Lage der 1930er Jahre wurde dieses Motiv reaktiviert, um die Kolonialpolitik des noch jungen Estado Novo ideologisch zu unterfüttern. Während seiner Amtszeit als Kolonialminister im Jahre 1930 entwarf Salazar eine politische, wirtschaftliche und ideologische Strategie für die portugiesischen Überseeterritorien.

Die wirtschaftliche Krise in Angola verstärkte separatistische Bewegungen in den weiteren portugiesischen Kolonien. Außerdem zwang der internationale Druck das Regime Salazars zu einer offensiven Kolonialpolitik. Die imperialistische Aggressivität der europäischen Kolonialmächte und des Deutschen Reiches unter eskalierendem Nationalismus schwächten Portugals Stellung als Kolonialmacht. Der Ross-Bericht - 1925 im Auftrag des Völkerbundes entstanden - warf mit Fakten über schlechte Arbeitsbedingungen in den Kolonien Portugals einen weiteren Schatten über dessen imperiale Position.

1930 reagierte Salazar noch als Kolonialminister auf diese Herausforderungen mit dem Acto Colonial vom 8. Juli. Darin wird einerseits Portugals Anspruch auf Besitz und Kolonisation von Überseegebieten durch die Entdeckungs- und Kolonialgeschichte grundsätzlich legitimiert; andererseits konstatiert der Acto Colonial die "organische Einheit" und somit die Untrennbarkeit der Kolonien vom Mutterland Portugal. Beide völkerrechtlich relevanten Festlegungen wurden für Jahrzehnte zu Stützpfeilern der Kolonialpolitik Salazars und noch nach 1960 als Argumente gegen internationale Forderungen zur Dekolonisation eingesetzt.

Eine propagandistische Kampagne begleitete die offensive Kolonialpolitik der 1930er Jahre und verfolgte dabei zwei Ziele: Zum einen sollte sie das Bewusstsein für das Kolonialimperium in der portugiesischen Bevölkerung stärken, zum anderen war sie Visitenkarte für und ideologischer Schild gegen die konkurrierenden Kolonialmächte Europas. Aus diesen Diskursen entwickelte sich die so genannte 'imperiale Mystik', die sich im Wesentlichen auf folgende Elemente stützte: die historische Vorbestimmung Portugals für den Kolonialbesitz aufgrund frühneuzeitlicher Entdeckungen, die Konzeptualisierung Portugals als Kolonialimperium sowie die Unteilbarkeit des Imperiums.

Die 1930er und 1940er Jahre waren zur Verankerung dieser Ideologie der 'imperialen Mystik' gekennzeichnet von zahlreichen propagandistischen Veranstaltungen zum Thema Kolonien und Kolonialimperium: Beteiligungen an Ausstellungen im Ausland (Kolonialausstellungen von Neapel 1934, Paris 1937 und New York 1939), die Organisation von Ausstellungen im Inland (Kolonialausstellung von 1934 in Porto; Exposição do Mundo Português von 1940 in Lissabon), kolonialwirtschaftliche Fachkongresse (I Congresso de Intercâmbio Comercial com as Colónias, 1934; I Conferência Económica do Império Colonial, 1936) sowie Propagandafilme (O Feitiço do Império, 1940) dienten als Instrumente, diese Ideologie zu untermauern.[2]

Das Kolonialimperium wurde so durch die Erinnerungspolitik des Estado Novo als neuer Erinnerungsort kreiert. Das Zeitalter der Entdeckungen wurde durch die Aktualisierung seiner Botschaften und ihrer Anpassung an die Verhältnisse im Europa nach dem 1. Weltkrieg als Bestandteil der portugiesischen Nationalidentität bis ins 20. Jahrhundert verlängert.

Zwei Orte der Erinnerung, die heute noch in Portugal existieren, verweisen auf den Erinnerungsort des Império Colonial:




[1] Pedro Nunes, Obras, zit. aus: Dias 1982. Übersetzung von T.P.
[2] Bethencourt/Chaudhuri 2000: 28.



Bibliografie:

  • Bethencourt, Francisco/Chaudhuri, Kirti (Hrsg.) (2000): História da Expansão Portuguesa. Vol. 5: Último Império e Recentramento (1930-1998). Lisboa: Temas e Debates.
  • Dias, J. da Silva (1982): Os Descobrimentos e a problemática cultural do século XVI. Lisboa: Presença.