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Ausgangspunkt

Studien zum Thema Portugiesische Erinnerungskulturen sucht man im deutschen Sprachraum vergeblich. Aus diesem Grund entstand die Idee, Feldforschung in Portugal zu betreiben. Erst vor Ort - so unsere Überzeugung - wäre es möglich, Antworten auf unsere Fragen zu finden.

Doch Feldforschung muss theoretisch und methodisch vorbereitet werden. Diese Vorbereitung erfolgte im Sommersemester 2006. Während Deutschland zur Fußball-Weltmeisterschaft das 'Sommermärchen' erlebte, ergründeten wir im Rahmen eines Seminars an der TU Chemnitz Konzepte der Gedächtnisforschung. Gemeinsame Lektüren unterstützten uns bei der Präzisierung unserer Fragen zur portugiesischen Erinnerungskultur und halfen, eine geeignete Begrifflichkeit zu entwickeln.

Aus den Diskussionen kristallisierten sich bald zwei Fragen heraus, die uns als Orientierung für die Feldforschung in Portugal dienen sollten:

1. Portugiesische Erinnerungsorte

Inspiriert durch das Projekt von Pierre Nora zu französischen Erinnerungsorten wollten wir portugiesische Erinnerungsorte erkunden. Welche Themen der Geschichte tragen heutzutage zur Stabilisierung einer portugiesischen Nationalidentität bei? Welche Wirkungskraft entfalten diese Themen bei der Herausbildung einer politischen Identität im heutigen Portugal?

2. Portugiesische Erinnerung an Diktatur und Kolonialkrieg

Angesichts der Aktualität der Themen NS-Zeit und Holocaust in Deutschland sowie Bürgerkrieg und Franquismus in Spanien kam in vorbereitenden Diskussionen die Vermutung auf, dass auch die Diktatur von Oliveira Salazar und der Kolonialkrieg in Afrika in der portugiesischen Öffentlichkeit heute präsent sind. Schließlich stellte sich die Frage, ob und wie diese Themen in den offiziellen Selbstdarstellungen Portugals behandelt werden.

Feldforschung

Mit diesen Fragen im Gepäck reiste die Forschungsgruppe im September 2006 für eine einwöchige Exkursion nach Portugal. Um portugiesische Erinnerungskulturen im offiziellen Diskurs Portugals aufzuspüren, fuhren wir bei unserer Feldforschung zweigleisig:

  • Zum einen erkundeten wir die Orte, in denen sich Portugal von offizieller Seite darstellt. Hierzu zählen:
    • Lissabon und Porto als die zwei größten Städte Portugals
    • die Stadt Guimarães, bekannt als die 'Wiege der Nation'
    • der Themenpark Portugal dos Pequenitos (dt.: Portugal der Kleinen)
  • Zum anderen suchten wir nach 'Orten der Erinnerung', d.h. nach Orten, die zur Erinnerung an ein Ereignis oder eine Person entstanden. Besonders interessant waren deshalb insbesondere Denkmäler, aber auch Straßennamen, Inschriften oder Museen konnten als Orte der Erinnerung identifiziert werden. Um zu vermeiden, dass bereits erworbenes theoretisches Wissen unsere Wahrnehmung einschränkte, wählten wir für die Materialerhebung das Verfahren des 'Gedächtnis-Screenings': Jede Forschungsgruppe erhielt die Aufgabe, zu Fuß eine frei gewählte Route durch die Innenstadt Lissabons und Portos fotografisch zu dokumentieren. Der Fokus lag dabei auf allen in der jeweiligen Route vorgefundenen Orten, die in Erinnerung an Personen oder Ereignisse errichtet wurden. Unsere vorherigen Vermutungen über potentielle Erinnerungsorte sollten dabei möglichst ausgeblendet werden. Insgesamt wurden acht Gedächtnis-Screenings durchgeführt.

Auswertung

Zurück in Chemnitz führten wir im Rahmen eines Seminars die Auswertung, Beschreibung und Interpretation des Fotomaterials durch und dokumentierten die Ergebnisse in Form von Text und Bild.

Die Auswertung der über 1.000 während der Exkursion entstandenen Bilder erlaubte, anhand der Häufigkeit, mit der die verschiedenen Erinnerungsorte dokumentiert wurden, Aussagen über deren Bedeutung zu treffen. Dabei konnten vier Kategorien des Gedenkens abgeleitet werden, die sich in einzelnen oder mehreren Erinnerungsorten ausdrückten:

  • Gründungsmythen: D. Afonso Henriques (dt.: Alfons I.), Guimarães, Eroberung Lissabons
  • Entdeckungen: Henrich der Seefahrer, Camões, Novos Mundos ao Mundo
  • Império Colonial (dt.: Kolonialimperium): Império Colonial
  • Spanien: Schlacht von Aljubarrota, 1. Dezember
  • Guerra Peninsular (dt.: Der Krieg der Iberischen Halbinsel): Guerra Peninsular

Darstellung

Unter dem Menüpunkt Gedenken sind die Ergebnisse zu der Frage abrufbar, welche Erinnerungsorte für die offizielle Nationalidentität Portugal bedeutend sind. Besondere Aufmerksamkeit widmeten wir den Orten der Erinnerung selbst: Denkmäler, Inschriften, Straßennamen und Museen, denen wir während der Feldforschung begegneten, stellen Aktualisierungen und Objektivierungen von Erinnerungsorten dar und geben uns Aufschluss über die offiziellen Konzepte nationaler Identität.

Die Ergebnisse unserer Auseinandersetzung mit der Frage nach der portugiesischen Erinnerung an Diktatur und Kolonialkrieg finden sich unter dem Menüpunkt Vergessen.

Um öffentliche Praktiken des Erinnerns und Vergessens zu verstehen und verständlich zu machen, war es unabdingbar, auf historische Rekonstruktionen zurückzugreifen und diese darzustellen. Deshalb kann auch Lesern und Leserinnen ohne detaillierte Vorkenntnis der Geschichte Portugals die Lektüre unserer Beiträge empfohlen werden.

Dr. Teresa Pinheiro


Wenn Sie mehr über das theoretische Konzept des Projekts erfahren möchten, lesen Sie hier weiter:

Die Ergebnisse unserer Arbeit sind auf folgenden Seiten dargestellt: