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Neue Messtechnik für Fußbewegungen eröffnet neue Untersuchungs-Perspektiven

Untersuchung der Professur Bewegungswissenschaft der TU Chemnitz deutet darauf hin, dass sich die Funktion des Fußes nur unter alltäglichen Belastungen wie dem Gehen beurteilen lässt – Bisherige Annahmen stützen sich vorrangig auf Messungen im Stehen oder Sitzen

10.000 Schritte und mehr – so viel tägliche Bewegung empfehlen Bewegungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für einen gesunden Geh-Apparat. Und mit jedem Schritt leisten unsere Füße Beachtliches: Durch das Zusammenspiel von Knochen, Muskeln und Bändern werden auftretende Belastungen abgefedert, Gelenke stabilisiert, auftretende Verformungen des Fußes als Energie gespeichert und wieder freigegeben. Dabei spielt die Absenkung und Aufrichtung des Fußlängsgewölbes eine wichtige Rolle. Viele Annahmen einer gesunden Bewegung des Fußlängsgewölbes, die in der orthopädischen Praxis genutzt werden, basieren jedoch auf statischen Experimenten – Untersuchungen im Sitzen oder Stehen. Inwiefern sich diese Bewegung in der Dynamik – beim Gehen – unterscheidet, ist ein Forschungsteam der Professur Bewegungswissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Thomas Milani) der Technischen Universität Chemnitz nun auf den Grund gegangen. Die Ergebnisse sind im Open-Access Journal „Public Library Of Science“ (PLOS ONE) erschienen.

Die Studie entstand im Rahmen des Forschungsprojektes „PAGESU“, das zwischen 2017 und 2020 durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) aus Landesmitteln finanziert wurde. Dafür kooperierte die Professur Bewegungswissenschaft mit der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung (Leitung: Prof. Dr. Lothar Kroll) der TU Chemnitz. Das Ziel dieses Projekts lag in der Entwicklung und Erforschung eines Sensors, mit welchem die funktionale Verformung des menschlichen Fußes in Abhängigkeit der jeweiligen Belastungssituation erfasst werden kann. Denn insbesondere für die Messung der Bewegungen des Fußes bei der Absenkung und Aufrichtung des Fußlängsgewölbes gab es bisher kaum geeignete Messtechnik. Insbesondere Messtechnik, die auch außerhalb eines Labors eingesetzt werden kann, etwa von Ärzten oder Orthopädieschuhtechnikern. Die nun erschiene Veröffentlichung bekräftigt die Notwendigkeit derartiger Sensorlösungen.

Dynamische Messung für bessere Behandlungen

In ihrem Beitrag in PLOS ONE gehen die Forschenden um Dr. Freddy Sichting, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Bewegungswissenschaft, auf die Absenkung und Aufrichtung des Fußlängsgewölbes während der Bewegung ein. „Mit unserer Untersuchung haben wir Hinweise gefunden, dass sich wichtige Aufgaben des Fußes – etwa das Speichern und Freigeben von Energie oder die stabilisierende Wirkung der Fußmuskulatur – nur in der Bewegung nachweisen lassen“, sagt Dr. Freddy Sichting, Leiter der Untersuchung. „Diese Befunde sind vor allem für Orthopäden und Orthopädie-Schuhtechniker von Bedeutung“, fügt Zweitautor Florian Ebrecht hinzu.

Die Ergebnisse der Chemnitzer Forscher haben noch einen weiteren medizinischen Aspekt. So werden Fußfehlstellungen oder Beschwerden im Bereich des Fußes noch immer häufig auf der Grundlage statischer Untersuchungen des Fußes beurteilt. Aktuellen Statistiken zufolge verletzen sich unter aktiven Bevölkerungsgruppen jährlich bis zu 79 Prozent im Bereich des Fußes. Von den betroffenen Personen erfährt etwa die Hälfte eine wiederholte Verletzung. „Möglicherweise werden bei der statischen Beurteilung von verletzten Füßen bestimmte Defizite, etwa eine schwach ausgeprägte Fußmuskulatur, übersehen“, vermutet Sichting und fügt hinzu: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass für eine umfassende Beurteilung der Fußfunktion dynamische Messungen erforderlich sind“.

Gestickte Sensorik macht neue Messungen möglich

Einen potentiellen Untersuchungsansatz bietet die Entwicklung einer flexiblen Sensorik für die Füße im Rahmen des TU-Projektes „PAGESU“. Hierfür kam ein Ansatz aus der Textiltechnologie zum Zuge – eine gestickte Sensorik, die an der TU Chemnitz entwickelt wurde. Das mit Sensoren ausgestatte textile Geflecht orientiert sich ergonomisch an der gewölbeartigen Struktur des Fußes.

„Im Rahmen von PAGESU ist es uns gelungen, einen Sensor zu entwickeln, welcher das Potential besitzt, die Belastung des Fußes während des Alltags zu erfassen. Messungen im Labor sind damit nicht mehr zwingend erforderlich, sagt Marco Walther, Mitarbeiter an der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung.“ Die gewonnen Erkenntnisse zur Verarbeitung von Strukturen aus faserverstärktem Kunststoff mit einem darin integrierten textilbasierten Sensor sollen auch in das Verbundprojekt „SmartERZ“, einem der beiden an der TU Chemnitz angesiedelten WIR!-Vorhaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) einfließen.

Die konsequente Weiterverfolgung des entwickelten Sensoransatzes könnte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Ärztinnen und Ärzten, Orthopädietechnikerinnen und -Technikern dabei helfen, die Funktion des Fußes besser zu verstehen und übermäßige Belastungen frühzeitig zu erkennen.

Multimedia: 2020 veröffentlichte Dr. Freddy Sichting mit einem internationalen Forschungsteam eine Studie unter dem Titel „Effect of the upward curvature of toe springs on walking biomechanics in humans“ in dem Open-Access-Journal „Scientific Reports“, das von „nature“ herausgegeben wird. Die Ergebnisse waren Teil einer Frage in der ARD-Wissensshow „Wer weiß denn sowas?“.   

Veröffentlichung: Sichting F, Ebrecht F (2021) The rise of the longitudinal arch when sitting, standing, and walking: Contributions of the windlass mechanism. PLOS ONE 16(4): e0249965. Die Publikationskosten wurden durch den Open Access-Service der Universitätsbibliothek finanziert. Das Manuskript ist online verfügbar: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0249965.

Weitere Informationen erteilt Dr. Freddy Sichting, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Bewegungswissenschaft, E-Mail freddy.sichting@hsw.tu-chemnitz.de

Matthias Fejes
16.04.2021

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