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Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik
moralisches Handeln in Organisationen

Ergebnisse der Studie zum Zusammenhang moralbezogener Persönlichkeitsmerkmale und Authentischer Führung im akademischen Kontext

In den letzten Jahren wurde vermehrt über den Machtmissbrauch gegenüber Doktorand:innen oder Studierenden durch akademische Führungskräfte an deutschen Universitäten und Hochschulen berichtet (Der Spiegel, 2023a, 2023b; Eberle, 2023; Gemmingen, 2020; Haug, 2021; Mathy, 2022). Diese Vorfälle stellen keine Einzigartigkeit dar, sondern sind das Ergebnis eines Wissenschaftssystems, das durch befristete Arbeitsverträge, schlechte Bezahlung und einen Publikationsdruck gespeist wird.

Jedoch führte das Wissen und die Kritik über besagte Vorfälle nur selten zu Konsequenzen für die Täter:innen oder Veränderungen dieses Systems (Der Spiegel, 2023b; Leising et al., 2021). Infolgedessen kam es zu einer vermehrten Forderung nach neuen positiven Führungsformen (Hoch et al., 2016; Luthans & Avolio, 2003), wie Authentische Führung (May et al., 2003), die eine Übereinstimmung zwischen moralischem Denken und Handeln vermitteln und somit zur Prävention von Machtmissbrauch im akademischen Kontext beitragen können (Sendjava et al., 2014).

Zur Erforschung der Antezedenzien eines solchen Führungsverhaltens, hatte diese Studie zum Ziel den Zusammenhang zwischen ausgewählten moralbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen und Authentischer Führung im akademischen Kontext zu untersuchen. In bisherigen Arbeiten konnten Zusammenhänge zwischen moralischem Verhalten und den Persönlichkeitsmerkmalen Moralische Identität, Need for Cognition, Empathie, Ungerechtigkeitssensibilität, Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie identifiziert werden, die ebenfalls Gegenstand der vorliegenden Arbeit waren.

Anhand einer Stichprobe von 102 wissenschaftlichen Führungskräften konnten Zusammenhänge zwischen Authentischer Führung und Need for Cognition, Psychopathie sowie den demografischen Variablen Geschlecht und Anzahl direkt geführter Personen identifiziert werden. Dabei stellte sich lediglich Need for Cognition als Prädiktor von Authentischer Führung heraus. Der Befund ist übereinstimmend zu den Ergebnissen vorangegangener Arbeiten, wobei die Ergebnisse der Variablen Moralische Identität, Empathie, Ungerechtigkeitssensibilität, Narzissmus und Machiavellismus bezüglich ihrer Effektgröße stark variieren. Die Gesamtheit der Befunde ist ein Hinweis dafür, dass von den untersuchten Persönlichkeitsmerkmalen lediglich Need for Cognition eine Verbindung zu Authentischer Führung im akademischen Kontext aufweist. Diese Studie leistet daher einen wichtigen Beitrag für die zukünftige Führungs- und Persönlichkeitsforschung im akademischen Kontext und unterstreicht die Notwendigkeit der Auswahl geeigneter akademischer Führungskräfte, die über moralische Führungsfähigkeiten verfügen und einen Einfluss auf das moralische Verhalten ihrer Mitarbeitenden haben. Die Ergebnisse dienen weiterhin der Prävention des eingangs beschriebenen Machtmissbrauchs an akademischen Instituten und können über deren Nutzung in Selektions- und Entwicklungsprozessen von Führungskräften zur ganzheitlichen Etablierung eines moralischen Organisationsverhaltens und -klimas an deutschen Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen beitragen.

Begriffsdefinitionen:

  • Authentische Führung: „[…] a pattern of leader behavior that draws upon and promotes both positive psychological capacities and a positive ethical climate, to foster greater self-awareness, an internalized moral perspective, balanced processing of information, and relational transparency on the part of leaders working with followers, fostering positive self-development“ (Walumbwa et al., 2008, S. 94)
  • Moralische Identität: „[…] self-conception organized around a set of moral traits“ (Aquino & Reed, 2002, S. 1424)
  • Empathie: Fähigkeit zur Empfindung von moralischen Emotionen wie Mitgefühl oder Sympathie (Haidt, 2003; Moll et al., 2008)
  • Ungerechtigkeitssensibilität: „Tendenz, Ungerechtigkeit wahrzunehmen und […] Intensität, mit der Menschen darauf reagieren“ (Schmitt et al., 2009, S. 9)
  • Need for Cognition: Stabile individuelle Tendenz, an kognitiver Anstrengung teilzunehmen und diese mit Vergnügen zu erfahren (Bauer & Stiner, 2020; Cacioppo & Petty, 1982; Cacioppo et al., 1996; Petty et al., 2009)
  • Narzissmus: Individuelle Differenzvariable, die von der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die mit Grandiosität, einem Bedürfnis nach Bewunderung und einem Mangel an Empathie assoziiert ist, abzugrenzen ist (American Psychiatric Association (APA), 1994; Paulhus & Williams, 2002; Raskin & Hall, 1979; Twenge & Campbell, 2003)
  • Machiavellismus: Individuelle Differenzvariable, die das Streben nach sozialer Kontrolle und das Erlangen von persönlichem Status beschreibt (Kessler et al., 2010)
  • Psychopathie: Persönlichkeitsmerkmal, das durch machiavellistischen Egoismus, sozialen Einfluss, Kaltherzigkeit, sorglose Planlosigkeit, Furchtlosigkeit, Schuldexternalisierung, rebellische Risikofreude und Stressimmunität gekennzeichnet ist (Externbrink & Keil, 2018; Koglin & Petermann, 2009